Die offizielle Stellungnahme des Auswärtigen Amtes fällt dünn aus. "Die Räumlichkeiten des Generalkonsulats in Istanbul stehen am 13. November nicht zur Verfügung", heißt es knapp. Hier wollten die Dresdner Sinfoniker in knapp drei Wochen ihr Konzert "Aghet" über das türkische Massaker an den Armeniern aufführen - schon lange ein Stein des Anstoßes für die türkische Regierung und zunehmend eine Last für die deutsch-türkischen Beziehungen. Zuvor hatten die Sinfoniker persönliche Einladungen an den türkischen Staatschef Recep Erdogan, Ministerpräsident Binali Yildirim sowie an den türkischen Außenminister und den Kulturminister geschickt – eine Information, die am Montag in den Nachrichtenagenturen lief.
Nun zog das Auswärtige Amt offenbar die Notbremse. "Die Einladungen", hieß es dazu aus dem Ministerium in Berlin, seien ohne Beteiligung des Auswärtigen Amtes erfolgt. Ein weiteres Beispiel deutschen Einknickens vor der Türkei? In den Augen der Opposition ist das klar der Fall. Peinlich!, schrieb Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht auf Twitter, und der grüne Außenpolitiker Omid Nouripour sprach von einer Bankrott-Erklärung der Türkei-Politik einer Regierung, die aus Angst vor Flüchtlingen nur noch vor Erdogan kuscht.
Mit künstlerischen Mitteln politisch heikle Themen aufgreifen
Der Geschäftsführer der deutschen Orchestervereinigung, Ewald Mertens, hat dagegen Verständnis für die Absage des Auswärtigen Amtes: "Es ist in dieser ganz konkreten Situation natürlich ein politisch vermintes Gebiet, und da genau reagiert dann das Auswärtige Amt ja auch, aus meiner Sicht political correct, man kann das auch in Gesamtzusammenhängen, Stichwort Meinungs- und Kunstfreiheit, natürlich auch anders sehen, aber da ist eben eine sehr deutsche Betrachtungsweise, erklärte Mertens gegenüber Deutschlandradio Kultur. Wer in der Türkei solche Veranstaltungen plane, der müsse damit rechnen, dass eine türkische Regierung, die auch noch in dieser Form eingeladen werde, dies als Affront auffasse.
Dabei sei es natürlich legitim und wichtig, mit künstlerischen Mitteln auch politisch heikle Themen aufzugreifen, sagte Mertens: "Wir haben natürlich immer wenn es beispielsweise um Nordkorea ging, dass ein amerikanisches Orchester erstmalig in Nordkorea auftritt, das sind dann solche Akte wo die Kultur als Brücke genutzt wird, und nicht als Geschoss, wenn ich das mal so sagen darf. Also die Brückenfunktion der Kultur ist unstreitig und wird ja auhc von der Außenpolitik als solche genutzt, das ist hier im deutsch-türkischen Verhältnis an genau dieser Stelle natürlich sehr viel schwieriger."
Aufführung soll eigentlich Zeichen der Versöhnung setzen
Was genau die Dresdner Synfoniker mit ihren Einladungen bezweckten, ist unklar, Intendant Markus Rindt war bislang noch für keine Stellungnahme zu erreichen. Mit ihrer Aufführung wollen sie eigentlich ein Zeichen der Versöhnung setzen. Das Konzert, mit entwickelt von dem Gitarristen Mark Sinan, dessen armenische Großmutter das Massaker nur knapp überlebt hatte, war bereits im November vergangenen Jahres in Deutschland uraufgeführt worden und sollte vor der geplanten Aufführung in Istanbul noch in der armenischen Hauptstadt Jerewan gespielt werden. Es wird gefördert von der Europäischen Kommission und der Bundeskulturstiftung.
Und auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte das Projekt zumindest ideell unterstützt. "Es weist einen Weg in eine hellere Zukunft", schrieb er in einem Grußwort für eine Aufführung Ende April in Dresden. Dass das Konzert im deutschen Generalkonsulat aufgeführt werden sollte, dürfte die türkische Regierung als besonderen Affront aufgefasst haben. Aus dieser Zwickmühle hat sich das Auswärtige Amt nun zumindest hinauslaviert.