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Armes reiches Luxemburg (2/5)
Arbeit verlieren und Beschäftigung finden

Luxemburg bietet Jobs und hohe Einkommen. Doch Arbeit schützt nicht vor Armut. Und nicht alle sind dem schnellen Tempo des luxemburgischen Arbeitsmarkts gewachsen.

Von Tonia Koch |
    Ein Maler wirft auf einer Baustelle einen Schatten.
    Luxemburg kennt seit Jahrzehnten einen Mindestlohn, der regelmäßig steigt. Trotzdem reicht dieses Einkommen nicht, um am gesellschaftlichen Leben teil zu haben. (dpa / Stefan Sauer)
    "Gehen wir zum Friseur …"
    Montags werden Haare geschnitten in den Räumen der Stemm.
    Im ersten Stock haben drei Friseure Spiegel aufgestellt. Kamm, Bürste, Schere, Föhn liegen parat. Alexandra Oxacelay, die Leiterin der Einrichtung, begrüßt sie freundlich …
    Wir wollten euch besuchen, ist keiner da, fragt sie erstaunt, doch, doch, die ersten Kunden seien noch in der Dusche, Haare waschen. Amina dos Reis macht eine Wiedereingliederungsmaßnahme im Beruf, Paula Vidal arbeitet ehrenamtlich und für kurze Zeit ist auch David Hofmann zum Team hinzugestoßen.
    "Seit Jahren liebe ich es, Kunden zu verändern und tja, hier ist eine ganz andere Kundschaft als im Salon, die von der Straße kommen, die nichts haben und ich mich gerne dafür engagiere."
    Mehr als ein paar Gesten und ein Lächeln hat die Kundschaft nicht übrig
    David ist Anfang 20 und von Kopf bis Fuß durchgestylt. Die blonden Haare sind mit Rasierer und Schere in Form gebracht, die schwarze Hose und das schwarze Shirt mit Reißverschlüssen und Metall appliziert. Sein erster Kunde, etwas älter als er selbst, nimmt Platz. Er zeichnet mit dem Finger eine Linie vom Ohr über den Hinterkopf. David nickt.
    "Ich fange mal mit drei Millimetern an. Oben, wird da auch geschnitten? Nein, lieber nicht."
    Behutsam setzt David die Maschine an. Die Kommunikation sei nicht immer einfach.
    "Es sind viele Kunden, die die Sprache nicht können, sprechen gebrochen Französisch. Man spricht mit den Händen, das funktioniert, macht sein Bestes.
    Der Kunde macht erneut eine Geste mit Daumen und Zeigefinger. David reagiert.
    "Zwei Millimeter, ja?"
    Auch Amina versucht die Länge zu klären.
    "Sie wollen es ein wenig kürzer?" Sie verständigen sich irgendwie, der Herr ist zufrieden.
    Er komme schon seit fünf Jahren hier her, sagt er in schwer verständlichem Französisch und verabschiedet sich gut gelaunt.
    Mehr als ein paar Gesten und ein Lächeln, hat die überwiegend männliche Kundschaft für das Friseurteam nicht übrig. Aber das sei es doch Wert, sagt David.
    "Ich weiß nie, wie die Geschichte ausgeschaut hat bei den Leuten, von wo sie kommen, verschiedene Kunden sind cooler drauf, andere sind schlechter drauf, aber ich versuche das Beste draus zu machen, auch wenn sie nicht gut drauf sind, aber ein Lächeln haben, wenn sie hier rausgehen …"
    "Das sei eine gute Sache, das mit dem Friseur", findet ein junger Mann. Er stammt wie so viele aus Rumänien.
    Derweil schneit Thierry herein. Sein Reich ist die Kleiderkammer; sie liegt gleich nebenan.
    Alles beim Alten, kein Problem!
    Wer viel arbeitet, darf mehr Geld behalten
    Seit vier Jahren ist der heute 61-Jährige inzwischen bei der Stemm beschäftigt. In der Kleiderkammer hat er noch immer eine Halbtagsstelle und arbeitet pro Tag vier Stunden. Damit kann er seinen Lebensunterhalt nicht verdienen und auch das staatlich garantierte Mindesteinkommen von monatlich 1.400 Euro brutto nicht erreichen. Deshalb stehen ihm zusätzliche staatliche Leistungen zu. Die Höhe der Finanztransfers hängt von der familiären Situation und der Beschäftigung ab. Grundsätzlich gilt: Wer viel arbeitet, darf mehr Geld behalten.
    Große Sprünge kann er trotzdem nicht machen. Thierry zahlt Steuern, Kranken- und Rentenversicherung und sein winziges Ein-Zimmer Appartement kostet 800 Euro im Monat.
    Vor Kurzem habe es eine knifflige Situation gegeben mit dem Vermieter, erzählt er.
    Er habe mit einem Anwalt drohen müssen, damit dieser die angekündigte Mieterhöhung zurücknimmt, aber 800 Euro, das sei doch nun wirklich viel."
    Kein Kredit bei der Bank
    In der Kleiderstube ginge es ihm gut, aber zuweilen fühle er sich ein wenig stigmatisiert. Als Aufstocker sei er nicht kreditwürdig. Selbst ein Darlehen für die Waschmaschine und die angedachte Ratenzahlung habe die Bank abgelehnt.
    150 Leute sind bei der Stemm beschäftigt. Sie stecken in verschiedenen Beschäftigungsmaßnahmen, versuchen eine berufliche Wiedereingliederung oder leisten Sozialstunden ab. Die Frage, wie sie am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, ist immer wieder ein Thema. Gerade für die Zeitung, die fünf Mal im Jahr erscheint. Paul war mal Versicherungskaufmann. Er fühlt sich mit 50 aus dem Job gemobbt.
    "Vorher war ich ein ganz böser Versicherer während fast 28 Jahren."
    Klar, er habe sich mit dem Arbeitgeber überworfen, aber das allein habe ihn nicht den Job gekostet, sondern das System.
    "Irgendwie kommt man, wenn man im Privatsektor arbeitet in eine Alterstranche hinein, wo man den Leuten zu teuer wird, und dann versuchen die einen loszuwerden."
    Am Monatsende keinen Cent über
    Der schnellen Gangart des Luxemburger Arbeitsmarktes ist auch Malou, eine ehemalige Bankangestellte, nicht gewachsen. Sie arbeitet vier Stunden täglich in der Redaktion.
    "Weil ich gerne Schreibe."
    Sie blättert in den Reklameseiten französischer Luxusanbieter. Alles unerschwinglich für sie, die am Ende des Monats keinen Cent über hat. Zum Glück, sagt sie, gebe es den Kulturpass.
    "Der Kulturpass ist gratis erhältlich, da kann man zu Konzerten gehen oder ins Kino, da zahlt man einen Euro. Aber die akzeptieren den nicht überall."