Der CDU-Vorsitzende Armin Laschet hat im Dlf bestritten, dass seine Partei ein Problem mit der Abgrenzung nach rechts hat. Die Brandmauer gegenüber der AfD stehe. Die AfD sitze ihm auch nicht im Nacken. "Sie sitzt nicht der CDU im Nacken, sondern sitzt jedem Demokraten im Nacken", sagte Laschet. Wer für klare demokratische Verhältnisse sei, müsse die CDU von Ministerpräsident Reiner Haseloff wählen.
Sachsen-Anhalt, wo am Sonntag (6. Juni) ein neuer Landtag gewählt wird, stehe vor einem riesigen Strukturwandel. Wer wolle, dass dieser erfolgreich gelinge, werde keine Rechtspopulisten wählen.
Werteunion "hat mit der CDU nichts zu tun"
Im Interview mit dem Deutschlandfunk distanzierte sich Armin Laschet vom neuen Chef der Werteunion, Max Otte. Wenn dieser eine Linie überschreite, könne er nicht in der CDU bleiben. Die Werteunion habe aber mit der CDU nichts zu tun, betonte Laschet. "Die Werteunion hat keine CDU-institutionelle, organisatorische Verankerung. Da sind Mitglieder drin, die mit der CDU nichts zu tun haben und insofern ist sie keine Parteiorganisation", so Laschet.
Der frühere hessische Justizminister Christian Wagner, eine der profiliertesten Stimmen im konservativen Lager der CDU,
widersprach Laschet im Dlf deutlich
. Die rund 4.000 Mitglieder der Werteunion seien fast alle auch Mitglieder der Union. Laschet könne nicht sagen, er wolle die Union zusammenführen und dann tausende Mitglieder ignorieren.
Das vollständige Interview zum Nachlesen:
Barbara Schmidt-Mattern: Die Landtagswahl am kommenden Sonntag in Sachsen-Anhalt ist der letzte große Stimmungstest und der erste große Test für Armin Laschet als neuer CDU-Bundesparteichef und als Kanzlerkandidat. Ich begrüße Sie jetzt erst einmal am Telefon. Schönen guten Morgen, Herr Laschet.
Armin Laschet: Guten Morgen, Frau Schmidt-Mattern.
Schmidt-Mattern: Sie waren ja am Wochenende auf Wahlkampftour in Sachsen-Anhalt unterwegs. Markus Söder war allerdings schon vor Ihnen da. Insofern geht aber trotzdem die Frage an Sie. Sind Sie jetzt nach diesem Besuch in Sachsen-Anhalt der Kandidat der Herzen?
Laschet: Das ist ja keine Kategorie. Es gab einige in Sachsen-Anhalt, …
Schmidt-Mattern: Für Markus Söder schon!
Laschet: Für mich nicht. – Es gibt einige in Sachsen-Anhalt, die waren für Markus Söder, andere waren für mich, und so ist das in allen ostdeutschen Ländern genauso. Die Entscheidung in der CDU ist gefallen und jetzt geht es in der Tat darum, wie endet diese Landtagswahl am kommenden Sonntag.
"Mehr Brandmauer geht nicht!"
Schmidt-Mattern: Herr Laschet, können Sie uns vielleicht sagen, ob Sachsen-Anhalt seit 1990 schon mal einen Verein in der ersten Bundesliga hatte?
Laschet: Das ist eine gute Frage. Ich würde sagen, nein. In Sachsen-Anhalt liegt der Erste FC Magdeburg. Der war in der DDR-Oberliga einer der führenden Vereine, hat aber nie dann in der ersten Bundesliga gespielt. – Ich hoffe, die Antwort war richtig.
Schmidt-Mattern: Die Frage hat einen Hintergrund, denn laut Umfragen sind die Menschen in Sachsen-Anhalt besonders heimatverbunden und Themen vor Ort spielen eine besondere Rolle in diesem Landtagswahlkampf. Das Meinungsforschungsinstitut INSA hat vergangene Woche ermittelt, dass die AfD mit 26 Prozent derzeit knapp vor der CDU liege mit 25 Prozent. Sie werden jetzt auf gegenteilige Umfragen verweisen, nehme ich an, aber die Frage bleibt ja, angesichts dieser knappen Zahlen. Wie sehr sitzt Ihnen die AfD im Nacken, nicht nur in Sachsen-Anhalt?
Laschet: Ich glaube, die AfD sitzt nicht mir im Nacken, sitzt auch nicht der CDU im Nacken, sondern sitzt jedem Demokraten im Nacken. Wir können nicht wollen, dass eine rechtsradikale Partei in einem deutschen Landtag stärkste Partei wird. Deshalb ist das, was da am Sonntag in Sachsen-Anhalt passiert, eine Sache, die eigentlich alle Demokraten angehen sollte, und die CDU muss ihren Anteil dazu leisten, auch klarzumachen, mit denen wird nicht geredet, mit denen wird nicht kooperiert, mit denen wird nicht koaliert. Wir müssen alles tun, dass die demokratische Mitte am kommenden Sonntag gewinnt, und das ist die Aufgabenstellung, vor der wir stehen.
Schmidt-Mattern: Aber es hat in der Vergangenheit immer wieder Beispiele dafür gegeben, dass es eine gewisse Nähe Ihrer Parteifreunde zu Positionen der AfD gibt. Da gab es ein mögliches gemeinsames Vorgehen etwa gegen die Erneuerung des Rundfunkstaatsvertrages, wo Reiner Haseloff vergangenen Winter im Landtag kurzfristig die Abstimmung abgesagt hat, um so eine Blamage zu verhindern. Insofern noch einmal die Frage an Sie: Können Sie wirklich aus reinem Gewissen sagen, dass die Brandmauer gegen die AfD bei der Union steht in Ostdeutschland?
Laschet: Ja! Ja, das kann ich, und Ihre Thesen und Ihre Problemstellung, die Sie gerade in Ihre Frage hineingelegt haben, stimmt auch so nicht. Die Koalition in Sachsen-Anhalt – und die besteht aus CDU, aus SPD und aus Grünen, eine sogenannte Kenia-Koalition – hatte sich darauf verständigt, dass eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erforderlich ist und man einer Beitragserhöhung nicht zustimmen will. Das war keine AfD-Frage. Übrigens Die Linke war auch skeptisch dabei am Anfang. Das war eine generelle Auffassung im Landtag von Sachsen-Anhalt und man darf natürlich in einer solchen Frage auch unterschiedlicher Meinung sein. Das ist dann ausgetragen worden. Der Rundfunkstaatsvertrag ist ausgesetzt worden und ist nicht zustande gekommen. Insofern, finde ich, muss man das trennen zur Annäherung an die AfD. Es mag sein, dass sich da einzelne nicht ganz so klar geäußert haben, wie ich das tue oder wie Reiner Haseloff das tut, aber Reiner Haseloff hat dann im letzten Jahr in diesem Zusammenhang, den Sie gerade erwähnen, auch klipp und klargemacht, wenn jemand da anders agiert, dann wird er (in dem Falle sogar der Innenminister) entlassen. Wir wollen keine Kooperation mit der AfD auf keiner Ebene. – Mehr Brandmauer geht nicht!
"Ich kenne keine Listen der Werteunion"
Schmidt-Mattern: Gut, Herr Laschet. Dann kommen wir mal mehr auf die Gegenwart zu sprechen. Die einzelnen, die Sie da nennen, die sind doch recht zahlreich gewesen mit ihren Äußerungen in den letzten Tagen. Wenn wir zum Beispiel auf die Werteunion schauen; die sitzt Ihnen ja vielleicht auch im Nacken, oder nicht nur Ihnen, sondern auch Ihrer Partei. Die hat jetzt den Fonds-Manager Max Otte zum neuen Vorsitzenden gewählt. Max Otte ist auch CDU-Mitglied, auch wenn die Werteunion offiziell nicht zu Ihrer Partei gehört, und Max Otte lässt immer wieder Sympathien für AfD-Positionen erkennen. Kann so jemand in der CDU bleiben?
Laschet: Wenn er die Linie überschreitet, kann er das nicht. Das ist ja logisch. Aber die Werteunion …
Schmidt-Mattern: Was heißt das konkret? Fordern Sie seinen Parteiausschluss?
Laschet: Die Werteunion steht Ihnen so nahe wie sie mir nahesteht, weil sie weder eine CDU-institutionelle Verankerung hat, organisatorische Verankerung hat. Da sind Mitglieder drin, die mit der CDU 0,0 zu tun haben, und insofern ist sie keine Parteiorganisation.
Schmidt-Mattern: 0,0 stimmt ja nicht. 3000 dieser 4000 Mitglieder der Werteunion sind zugleich CDU-Mitglied.
Laschet: Das ist nicht wahr, Frau Schmidt-Mattern. Ich weiß nicht, woher Sie dies wissen. Ich kenne keine Listen der Werteunion. Wer da Mitglied ist, organisiert sich außerhalb der Partei, wie man sich möglicherweise beim Ersten FC Magdeburg oder sonst wo organisiert. Sie hat mit der CDU nichts zu tun. Das haben wir gestern im Bundesvorstand noch einmal betont. Und die Positionen von Herrn Otte teile ich nicht und wir werden auch mit ihm keine Gespräche führen.
Schmidt-Mattern: Das heißt aber auch, dass Sie den Parteiausschluss von Max Otte fordern?
Laschet: Nein, den fordere ich nicht. Wieso soll ich den fordern? Es ist immer Sache, dass man einen Vorgang hat, der so gravierend ist. Sie erinnern sich, wie die SPD sich mit Herrn Sarrazin über zehn Jahre lang hat befassen müssen, oder wie die Grünen sich mit Boris Palmer im Moment beschäftigen. Es gibt ja in jeder Partei Menschen, wo einige denken, eigentlich gehören die nicht mehr zur Partei dazu. Ein Parteiausschluss hat in Deutschland sehr strenge Regeln und insofern ist das für uns kein Thema, weil die Werteunion kein Thema ist.
Schmidt-Mattern: Es sollte aber vielleicht für Sie ein Thema sein auch als Bundesparteichef, wenn Sie auf Ihre Vorgängerin im Amt gucken. Annegret Kramp-Karrenbauer hat ja ihren Rücktritt vom CDU-Parteivorsitz Anfang 2020 damit begründet, dass es ein ungeklärtes Verhältnis von Teilen der CDU mit AfD und Linken gäbe. Das war damals in Reaktion auf die Verhältnisse in Thüringen, als die CDU-Fraktion gegen den Willen der Parteichefin den FDP-Mann Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten gewählt hatte und dabei es ein Zusammenspiel mit der AfD gab. – Droht Ihnen ein ähnliches Schicksal, wenn die Brandmauer gegen die AfD – ich muss noch mal darauf zurückkommen – nicht klar definiert wird?
Laschet: Sie ist klar definiert. – Es ist spannend, welche Konstruktionen Sie jetzt gerade herstellen, erst eine Vereinigung nehmen, die mit der CDU nichts zu tun hat, jetzt einen Vorgang nehmen, der in der Tat nicht akzeptabel war, nämlich der Vorgang in Thüringen vor einem Jahr. Nur man kann jetzt nicht einfach irgendwelche Fragmente zusammenmischen und daraus sagen, das ist so.
Mir droht es nicht, weil für mich klipp und klar ist, wer mit der AfD kooperiert, koaliert, irgendwie zusammenarbeitet, wird auf den Widerstand des CDU-Parteivorsitzenden treffen. Wir haben eine klare Abgrenzung. Reiner Haseloff wird eine demokratische Mehrheit in Sachsen-Anhalt erkämpfen – übrigens nicht nur für die CDU, sondern für alle Demokraten in Deutschland. Und jeder, der dazu beitragen will, dass es klare demokratische Verhältnisse in Sachsen-Anhalt gibt, auch aus anderen Parteien, muss Reiner Haseloff wählen, damit die CDU die stärkste Kraft ist und die AfD da sitzt, wo sie hingehört, nämlich auf der Opposition und wenn es nach mir geht am liebsten gar nicht mehr in deutschen Parlamenten vertreten wäre. Das ist meine Haltung. Die werde ich durchsetzen und an die wird sich jeder zu halten haben, der politisch auf irgendeiner Ebene in Deutschland agiert.
"Die Leute wissen, was in Sachsen-Anhalt auf dem Spiel steht"
Schmidt-Mattern: Herr Laschet, ich bin einigermaßen überrascht, dass Sie so gar keine Beziehung zur Werteunion eingestehen wollen.
Laschet: Wir sind nicht in einem Verhör. Da gibt es nichts einzugestehen. Die Werteunion ist weder organisatorisch noch personell noch in irgendeiner Form mit der CDU verbunden. Punkt!
Schmidt-Mattern: Völlig richtig, wir sind nicht im Verhör. Wir sind im Interview in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. – Kommen wir auf Ihren Parteifreund Marco Wanderwitz zu sprechen, Ostbeauftragter der Bundesregierung, der vor ein paar Tagen in einem Podcast der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine andere umstrittene These aufgestellt hat. Er sagt, wir haben es in Ostdeutschland mit Menschen zu tun, die teilweise in einer Form "diktatursozialisiert sind, dass sie auch noch nach 30 Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind." – Können Sie sich dieser Einschätzung Ihres Parteifreundes anschließen?
Laschet: Ich schließe mich meinen Einschätzungen an. Der Marco Wanderwitz ist in Sachsen politisch engagiert. Jeder kann seine Einschätzungen da äußern. Ich kenne viele Demokraten in den ostdeutschen Ländern, die sich auch sehr einsetzen, die mit Zivilcourage sich überall engagieren, und würde die Formulierungen anders wählen. Aber natürlich gehört das auch zu meinem Spektrum, auch mal was Kritisches zu sagen. So ist das in der CDU möglich, dass man auch mal kritisch auch über eigene Landesverbände redet.
Schmidt-Mattern: Dann frage ich Sie mal als Wahlkämpfer. Wie klug sind denn solche Äußerungen, wenige Tage vor einer Landtagswahl zu sagen, und da zitiere ich Herrn Wanderwitz noch einmal, ein Teil der Bevölkerung habe gefestigte nichtdemokratische Ansichten? Würden Sie nach so einer Schelte noch die CDU wählen in Sachsen-Anhalt, oder lieber doch gleich die AfD?
Laschet: Ich glaube, dass die meisten Demokraten, wenn sie klug sind und rechnen können, die CDU wählen, weil wir nicht wollen, noch einmal, …
Schmidt-Mattern: Trotz dieser Wahler-Bashings?
Laschet: Man muss doch noch, wenn man eine Meinung einmal nicht teilt, trotzdem noch klug und rational im Interesse Sachsen-Anhalts entscheiden. Die Menschen sind nicht so emotional, wie Sie denen jetzt unterstellen. Ich glaube, dass die Demokraten wissen, was in Sachsen-Anhalt …
Schmidt-Mattern: Nicht ich unterstelle das, sondern Marco Wanderwitz unterstellt das.
Laschet: Nein, nein! Sie unterstellen, dass die Leute auf so eine Äußerung dann in einer bestimmten Form reagieren. – Nein, ich glaube, die Leute wissen, was in Sachsen-Anhalt auf dem Spiel steht. Das Land steht – ich habe das ja besucht am Wochenende – vor einem riesigen Strukturwandel. Der Kohleausstieg wird in Sachsen-Anhalt gravierende Auswirkungen haben. Da müssen neue Arbeitsplätze entstehen. Da gibt es auch ein Protestpotenzial, was auch populistische Parteien wählen würde. Aber jeder muss da wissen, das kann man nur, indem man nicht nur über Strukturwandel redet, sondern ihn auch macht. Es werden Milliarden-Summen des Bundes jetzt nach Sachsen-Anhalt fließen und jeder, der will, dass das erfolgreich endet, wird nicht seine Stimme populistischen, rechtspopulistischen, rechtsradikalen Parteien geben. Das ist im Zweifel für die Wahlentscheidung in Sachsen-Anhalt relevanter als die Äußerungen eines Bundestagsabgeordneten aus Sachsen.
Haseloff "steht mir in sehr vielem nahe"
Schmidt-Mattern: Herr Laschet, dann vielleicht noch eine abschließende Frage an Sie als den Kanzlerkandidaten. Sachsen-Anhalt, auch Reiner Haseloff in Person hatte sich vor der Frage, wer die Kanzlerkandidatur Ihrer Partei übernimmt, sehr offensiv für Markus Söder ausgesprochen. Wie schwer hatten und haben Sie es jetzt, wenn Sie in Ostdeutschland unterwegs sind, unter anderem in Sachsen-Anhalt?
Laschet: Gar nicht. Ich hätte Sie gerne eingeladen. Es gab ja mehrere Landesverbände in Mecklenburg-Vorpommern, in Brandenburg, die sich mehrheitlich für mich ausgesprochen haben. So ist das in einer Demokratie.
Schmidt-Mattern: Sie nehmen das Reiner Haseloff auch nicht mehr übel?
Laschet: Ich habe es ihm noch nie übel genommen und wenn Sie mitgefahren wären am Wochenende, hätten Sie gesehen, wie sehr ich ihn schätze. Er ist quasi – wie soll ich das beschreiben – innerhalb der CDU einer, der christlich-sozial sich engagiert. Er steht mir in sehr vielem nahe. Er hatte eine andere Präferenz in der Kanzlerkandidatur, aber er ist ein anständiger Kerl, ein guter Ministerpräsident, und ich will, dass er ab Sonntag weitermachen kann.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.