Jeder habe ein Recht, dass sein Anspruch auf Asyl geprüft werde, erklärte Laschet im Deutschlandfunk. Dass dem, der schutzbedürftig ist, Schutz gewährt werden soll, sei auf dem Parteitag in Karlsruhe eindeutig so beschlossen worden. Wie man es im Einzelfall regele, wenn Menschen ohne gültige Papiere ankämen, müsse man jeweils prüfen.
Erst vor zwei Tagen hatte die CSU mit der Forderung nach einer Integrationspflicht für Flüchtlinge Kritik der Opposition, aber auch des Koalitionspartners SPD auf sich gezogen. Laschet wies in diesem Zusammenhang Vorwürfe von Aktionismus zurück. Es handele sich vielmehr um eine bereits jetzt geltende Gesetzeslage, sagte Laschet im Deutschlandfunk. Die Bereitstellung von Lehrern und Kursen sei jetzt entscheidend.
Das Interview in voller Länge:
Dirk-Oliver Heckmann: Fragt man die Meinungsforscher, so ist nach deren Einschätzung eindeutig: Flüchtlinge, Flüchtlinge, Flüchtlinge – das wird das Thema sein, das auch die kommenden Landtagswahlen entscheiden wird. Pünktlich zum Jahreswechsel hat die CSU nun die Forderung nach einer Integrationspflicht auf den Tisch gelegt, und zwar in Form einer schriftlichen Erklärung. Und sollte sich jemand weigern, sollten auch die staatlichen Zuwendungen gekürzt werden. Und die CSU legt offenbar nach. Janina Lückhoff.
Beitrag "CSU will Flüchtlinge ohne Papiere zurückweisen"
Informationen waren das von Janina Lückhoff. Und am Telefon begrüße ich nun Armin Laschet. Er ist stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU und Vorsitzender der CDU in Nordrhein-Westfalen und dort auch Chef der Landtagsfraktion. Guten Morgen, Herr Laschet!
Armin Laschet: Guten Morgen!
"Von Zurückweisen an den Grenzen ist nicht die Rede"
Heckmann: Herr Laschet, die CSU fordert also, Flüchtlinge ohne Papiere an den Grenzen abzuweisen. Machen Sie da mit?
Laschet: Ich kenne das Papier noch nicht. Es wird ja jetzt täglich irgendein Satz herauszitiert, und dann ist das ja so ein Ritual vor Wildbad Kreuth, dass sich dann die ganze Republik immer aufregt. Ich würde mir das gern genau anschauen. Die CDU hat das nicht beschlossen, von Zurückweisen an den Grenzen ist nicht die Rede. Es wird ja auch die Frage sein, hat jemand den Ausweis wirklich verloren, oder hat er ihn bewusst vernichtet. Es sind so viele Rechtsfragen damit verbunden, dass das sicher noch einer genaueren Prüfung bedarf.
Heckmann: Also, 80 Prozent, rund 80 Prozent geschätzt jedenfalls wären dann betroffen. Wäre das denn grundsätzlich aus Ihrer Sicht überhaupt denkbar, so einen massiven Einschnitt dann auch ins Asylrecht vorzunehmen? Denn das würde ja bedeuten, dass nicht mehr jeder, der nach Asyl nachsucht, einen solchen Antrag stellen kann.
Laschet: Ich würde nicht über solche theoretische Fragen spekulieren. Die Beschlüsse der CDU sind auf ihrem Bundesparteitag eindeutig gewesen. Wir wollen dem, der schutzbedürftig ist, Schutz gewähren, und wir wollen im nächsten Jahr die hohen Flüchtlingszahlen, die wir in diesem Jahr hatten von über einer Million, die werden wir zurückbringen müssen, reduzieren müssen, durch europäische und internationale Lösungen und durch nationale Maßnahmen. Aber von Zurückweisen an der Grenze war da nicht die Rede. Jeder hat ein Recht, dass sein Anspruch auf Asyl geprüft wird, und ich denke, das ist auch Konsens mit der CSU.
Heckmann: Und das schließen Sie auch dann für die Zukunft aus?
Laschet: Ich kann nichts ausschließen, was theoretisch ist. Ich weiß nur nicht, wie Sie sich das genau vorstellen, was Sie da jetzt mich fragen und vorschlagen. Wer beispielsweise auf der Flucht seine Papiere verloren hat, wer unter dramatischen Bedingungen übers Mittelmeer geflohen ist, der wird bestimmt nicht als Erstes daran denken, wie er am Ende möglicherweise alle Dokumentenmappen mit sich dabei hat. Jeder muss mitwirken an seinem Asylverfahren, jeder muss sich ausweisen können. Das ist heute schon geltende Rechtslage, und wie man das im Einzelfall dann regelt, das wird zu prüfen sein.
"Eine Integrationspflicht als Schäbigkeitswettbewerb zu bezeichnen, ist ziemlich absurd"
Heckmann: Also da sind Sie sehr zurückhaltend, Herr Laschet. Kommen wir mal zum Thema Integrationspflicht. Die SPD-Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Manu Dreyer, hat gesprochen von sinnlosen Aktionismus, und SPD-Vize Schäfer-Gümbel gestern hier im Deutschlandfunk, hat gemeint, die CSU beteilige sich an einem Schäbigkeitswettbewerb, indem man sich nämlich darin überbietet, Flüchtlinge abzuschrecken durch möglichst unfreundliches Verhalten. Ziehen Sie sich als CDU-Vize diesen Schuh mit an?
Laschet: Nein, natürlich nicht. Auch da muss ich sagen, mir wäre viel lieber, wenn wir über die Sache sprechen würden. Zu sagen, eine Integrationspflicht ist ein Schäbigkeitswettbewerb oder Aktionismus, da muss ich den beiden Kollegen, Herrn Schäfer-Gümbel und Frau Dreyer in Rheinland-Pfalz sagen, das ist geltende Rechtslage. Der SPD-Fraktionschef im Bundestag, Herr Oppermann, hat das gestern auch noch einmal erläutert. Wir haben heute bereits im Aufenthaltsgesetz Sprach- und Integrationskurse verpflichtend drin stehen. Das ist sogar sanktionsbewehrt, also wer sich daran nicht hält, wird auch Sanktionen spüren. Wir haben für den, der beispielsweise arbeitslos ist, die Verpflichtung, über das Arbeitslosengeld II auch mitzuwirken, dass er wieder in den Arbeitsmarkt kommt. Dazu gehört auch das Lernen der deutschen Sprache. Also, eine Integrationspflicht als Schäbigkeitswettbewerb zu bezeichnen, ist ziemlich absurd, weil das gilt heute schon in Deutschland.
Heckmann: Aber die Sachlage ist ja auch so, Herr Laschet, dass die Gesetze für alle gelten in Deutschland, auch das Grundgesetz und auch, Sie haben es gerade eben selbst erwähnt, finanzielle Sanktionen sind bereits heute möglich, wenn Integrationskurse beispielsweise nicht besucht werden oder Ähnliches. Baut die CSU da also jetzt vor Wildbad-Kreuth einen ordentlichen Popanz auf, auch mit Blick auf die Landtagswahlen, die jetzt anstehen?
Laschet: Diesen Satz, den habe ich nun gelesen im CSU-Papier. Da steht, dass im Rahmen einer Integrationsvereinbarung zu unseren Werten, unserer Rechtsordnung und den Regeln eines friedlichen Zusammenlebens, dass sich dazu jeder bekennen soll, der nach Deutschland kommt. Wo jetzt da wieder der Grund der Aufregung ist, was das mit Landtagswahlkämpfen zu tun hat, bei denen die CSU ja gar nicht beteiligt ist, ist mir nicht erklärlich. Man muss auch noch solche Selbstverständlichkeiten formulieren können, ohne dass reflexartig, nur weil jetzt Wildbad-Kreuth ansteht, der politische Wettbewerber gleich in Teilen auf dieses Thema springt. Darüber hinaus muss ich Ihnen auch sagen, finde ich die Diskussion auch etwas absurd. Ein Großteil der Flüchtlinge will natürlich Deutsch lernen. Unser Problem ist doch auch zurzeit, dass wir gar nicht genug Deutschlehrer haben, dass wir nicht genug Kurse haben ...
Heckmann: Und genau das sagt ja auch die SPD und auch die Opposition, dass man erst man den Besuch von Integrations-, von Sprachkursen möglich machen muss, den vielen Flüchtlingen, die hier nach Deutschland kommen. Die Städte haben gestern gefordert, man muss den Wohnungsbau ordentlich vorantreiben. Das heißt, es gibt Handlungsbedarf eher auch auf Sachebene als auf der Ebene, ob man irgendwelche Erklärungen unterzeichnen muss.
Laschet: Das ist auch ein Thema. Wenn Sie das CDU-Papier aus Karlsruhe lesen, und das CSU-Papier, vermute ich, ist nicht viel kürzer, sind das 30 Seiten. Wenn Sie sehen, was die bayerische Staatsregierung macht, dann sind die in der Integrationspolitik vorbildlich. Da gehen schon die Deutschlehrer in die Erstaufnahmeeinrichtung und beginnen bei den Kindern, die Deutschkenntnisse zu spüren. Das würde ich mir im rot-grünen Nordrhein-Westfalen mal wünschen. Da gibt es nicht mal genug Lehrer, die bereit sind, das alles zu machen.
"Jedes Bundesland unternimmt nun unterschiedliche Anstrengungen"
Heckmann: Aber auch in Bayern gibt es natürlich erhebliche Defizite, was Integrations- und Sprachkurse angeht. Selbst in Bayern gibt es diese Defizite.
Laschet: Ja, wenn plötzlich eine Million Menschen kommen, gibt es logischerweise Defizite, weil die Deutschlehrer haben ja nicht seit Jahren in leeren Klassenräumen gesessen und darauf gewartet, dass irgendwann mal eine Million Flüchtlinge kommt. In der großen Zahl war man darauf natürlich nicht vorbereitet. Jedes Land unternimmt nun unterschiedliche Anstrengungen, und ich finde, darauf sollten wir uns konzentrieren, dass wir die Deutschkurse bereitstellen, die Integrationskurse bereitstellen, in den Schulen genug Lehrer haben. Die Kinder haben ja übrigens auch eine Verpflichtung, zur Schule zu gehen. Das heißt aber auch, dass der Staat in der Lage sein muss, so viele Kinder jetzt zu integrieren. Das ist die Kernaufgabe, und dazu gehört die Banalität, dass jeder verpflichtet ist, sich zu integrieren. Aber es gehört auch dazu, dass wir dann diese Möglichkeiten fördern, und da sind wir längst noch nicht so weit. Wir haben ja nicht einmal alle registriert derzeit und haben einen großen Nachholbedarf, das voranzubringen. Also, etwas mehr Sachlichkeit würde, glaube ich, der Debatte, da guttun.
Heckmann: Die kommenden Landtagswahlen, die jetzt anstehen, wie stark werden die aus Ihrer Sicht dominiert werden von der Flüchtlingsproblematik?
Laschet: Das ist schwer zu sagen. In den großen Fragen der Flüchtlingspolitik regiert ja eine Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD, die in dem Kurs unterstützt wird auch von den Grünen, sodass ich die ganz großen Auseinandersetzungen da nicht kenne. Die AfD versucht, ihre Spiele zu machen und populistisch das für sich zu nutzen. Aber ich glaube, wenn ich den Eindruck hier aus vielen Begegnungen in Nordrhein-Westfalen wiedergeben kann, viele Bürger sagen auch, es gibt auch noch andere Themen als Flüchtlinge. Uns interessiert auch die weitere wirtschaftliche Entwicklung, die Bildungspolitik, und, und, und, sodass ich mir nicht vorstellen kann, dass die Landtagswahlen ausschließlich über die Flüchtlingsfrage entschieden werden.
"Mehr Europa brauchen wir beispielsweise, gerade in der Flüchtlingspolitik"
Heckmann: Wobei die Demoskopen schon sagen, dass das ein ganz entscheidendes und zentrales Thema wohl offenbar werden wird, wenn man den Umfragen glauben darf. Herr Laschet, blicken wir mal nach Frankreich. Frankreich hat ja gezeigt, dass Parteien, die rechten Parteien hinterherlaufen und deren Forderungen aufgreifen, noch verstärken, nicht gewählt werden, sondern die Wähler sich dann lieber gleich für das Original entscheiden. Wie groß steht die Union in der Gefahr, in genau diese Falle zu tappen?
Laschet: Überhaupt nicht. Die Bundeskanzlerin macht eine offensive Politik, die sie auch erklärt, die sie in Karlsruhe erklärt hat. Dafür hat sie die breite Zustimmung der CDU gefunden, sodass überhaupt niemand der AfD hinterher rennt, im Gegenteil. Meine Position ist, wir müssen sie offensiv stellen. Ich bedaure es deshalb auch, dass Frau Dreyer in Rheinland-Pfalz gesagt hat, sie will nicht mit denen diskutieren. Man muss mit denen diskutieren und Gegenpositionen offensiv vertreten. Mehr Europa brauchen wir beispielsweise, gerade in der Flüchtlingspolitik, in der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Der Rückfall in den Nationalstaat wird uns nicht helfen. Und wenn man das offen erklärt, ist mein Eindruck immer, viele Menschen gehen dann auch mit. Man darf denen nicht nach dem Mund reden, und mein Eindruck ist, dass das die Union auch nicht macht.
Chancen der Zuwanderung
Heckmann: Würden Sie denn die Meinung teilen, dass die Chancen der Zuwanderung viel zu wenig betont werden in der ganzen Diskussion?
Laschet: Na ja, wir haben auch da Wellen erlebt in Deutschland. Wenn Sie auf das Jahr 2015 jetzt mal zurückblicken, wir haben monatelang eine Willkommenskultur gepflegt, wo wir relativ wenig über Defizite gesprochen haben. Manche haben sogar von einem Sommermärchen gesprochen, was ich schon etwas taktlos fand, wenn man weiß, da geht es um Menschen, die auf der Flucht waren und Schreckliches hinter sich haben. Also, wir haben lange über Chancen und über das Gute geredet, dann haben wir eine lange Zeit geredet über die dramatisch hohen Zahlen, die ja wirklich auch hoch sind, und es wäre gut, wenn wir 2016 bei den hohen Zahlen zu Reduktionen kämen. Aber die, die jetzt da sind, die auf Dauer eine Bleibeperspektive haben, denen auch Perspektiven geben, und wenn das gelingt, dann ist diese Zuwanderung auch eine riesige Chance gewesen, die viele unserer demografischen Probleme löst. Aber Voraussetzung ist, dass die Integration gelingt, und da sind wir erst am Anfang.
Heckmann: Armin Laschet war das live hier im Deutschlandfunk, stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU. Herr Laschet, danke Ihnen für Ihre Zeit!
Laschet: Bitte schön!
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