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Armin Laschet zum Digitalpakt
"Der Bund hat die gesamte föderale Ordnung infrage gestellt"

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hält eine Einigung zum Digitalpakt im heute tagenden Vermittlungsausschuss zwischen Bund und Ländern für möglich. Der Kampf darum habe sich gelohnt, sagte Laschet im Dlf. Der Föderalismus in Deutschland sei gestärkt worden.

Armin Laschet im Gespräch mit Jörg Münchenberg |
    Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Vizevorsitzender der CDU, aufgenommen bei einem dpa-Interview.
    Armin Laschet (CDU) ist Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Vizevorsitzender der CDU (dpa / Michael Kappeler)
    Der Digitalpakt sieht vor, dass die Länder vom Bund fünf Milliarden Euro für eine bessere Ausstattung der Schulen mit Tablets, WLAN und digitalen Lerninhalten erhalten. Der Bund habe den Digitalpakt 2016 beschlossen und sei dann zwei Jahre lang nicht in der Lage gewesen, das Geld in die Schulen zu bringen, obwohl es dazu Wege im Grundgesetz gegeben hätte, so Laschet. Stattdessen habe er mit der geplanten Grundgesetzänderung die gesamte föderale Ordnung infrage gestellt. Nun gehe es darum, dass das Geld unbürokratisch bei den Schulen ankomme und gleichzeitig die föderale Kompetenz der Länder durch das Grundgesetz gewahrt bleibe.
    Das in diesem Zusammenhang häufig angeführte Kooperationsverbot in der Bildung nannte Laschet einen Kampfbegriff. "Wir kooperieren auf vielen Ebenen", so Laschet. Seiner Ansicht nach wäre es auch möglich gewesen, den Ländern das Geld für die Digitalisierung der Schulen bereitzustellen. Bildung müsse "ortsnah arbeiten", die Länder seien nahe dran an den Schulen.
    Im Streit um den Digitalpakt war Ende November der Vermittlungsausschuss von den Bundesländern angerufen worden. Sie befürchteten, dass der Bund durch die für den Digitalpakt eigentlich notwendige Grundgesetzänderung zu starken Einfluss auf die Bildung erhalten könnte. Der Bund wollte die Verwendung der Mittel strikt kontrollieren. Der Kompromiss sieht nun offenbar nur eine allgemeine Berichtspflicht der Länder vor.

    Das Interview in voller Länge:
    Jörg Münchenberg: Heute Abend kommt erneut der Vermittlungsausschuss zwischen Bund und Ländern zusammen. Es geht um einen Kompromiss beim Digitalpakt, nachdem die Ministerpräsidenten noch das ursprüngliche Gesetzesvorhaben zurückgewiesen hatten. Zentraler Streitpunkt: die Kontrolle der Mittel, die der Bund künftig an die Länder für eine bessere technische Schulausstattung zahlen will.
    Am Telefon ist jetzt Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Herr Laschet, einen schönen guten Morgen!
    Armin Laschet: Guten Morgen!
    Münchenberg: Herr Laschet, was erwarten Sie für heute Abend? Gibt es im Vermittlungsausschuss den Durchbruch?
    Laschet: Ich halte das für sehr möglich. Wir haben ja immer gesagt, wir müssen sehr schnell zu einem Ergebnis kommen, denn die Schulen, die Eltern, die Schüler und die Lehrer warten auf das Geld, damit Digitalisierung in den Schulen wirklich vorankommt. Deshalb haben wir in den letzten Wochen hart verhandelt. Es gab Arbeitsgruppen und die Möglichkeit ist heute da, dass die Vertreter des Bundestages und der Länderregierungen zu einem Ergebnis kommen.
    Geld muss "unbürokratisch in den Schulen ankommen"
    Münchenberg: Ein zentraler Streitpunkt, Herr Laschet, war ja der Plan des Bundes dieser Mittelvergabe, diese fünf Milliarden, die der Bund den Ländern geben will für die bessere technische Ausstattung, dass der Bund aber auch diese Mittel kontrollieren will. Da waren die Länder äußerst zurückhaltend. Wie könnte jetzt da der Kompromiss aussehen?
    Laschet: Man muss zunächst noch einmal sagen, dass Digitalpakt, Gelder für die Schulen und die Frage, die gesamte föderale Ordnung des Grundgesetzes zu verändern, zweierlei sind. Es gibt Wege heute schon im Grundgesetz, wie man dieses Geld bereitstellen kann für die Schulen, ohne dass man das Grundgesetz ändert. Das war die Position der Länder. Der Bund hat hier eine andere Position vertreten und deshalb geht es jetzt darum, dass das Geld unbürokratisch in den Schulen ankommt, dass aber gleichzeitig die föderale Kompetenz der Länder, die natürlich viel näher an den Schulen dran sind als der Bund, dass die durch das Grundgesetz gewahrt bleibt. Und wenn das so ist, heißt das natürlich auch, dass es Kontrollmechanismen, Berichtspflichten der Länder gibt, aber keine Mechanismen, in denen nun Bundesbeamte in jedem Schulamt Akten durchsuchen. Das ist bürokratisch und das hätte der Sache nicht geholfen.
    Münchenberg: Ist es aber, Herr Laschet, nicht selbstverständlich, dass der, der zahlt, auch kontrolliert, ob das Geld entsprechend verwendet wird?
    Laschet: Dafür gibt es ja Möglichkeiten, wie man das macht. Und ich muss dazu sagen: Wir leben nun in einem starken Staat, wo Institutionen funktionieren. Und wenn die Länder Berichte darüber abgeben, wo das Geld eingesetzt worden ist - das war in der Vergangenheit nicht immer der Fall -, dann muss das genügen. Dass nun Institutionen, Verfassungsorgane sich gegenseitig so misstrauen, dass da Kontrolleure durch das Land ziehen, das entspricht nicht dem Zusammenwirken von Bund und Ländern bei uns, und ich gehe davon aus, das ist auch abgewendet.
    Münchenberg: Aber die Erfahrungen des Bundes – die haben Sie ja angesprochen – sind nicht immer die besten, wenn es um die Mittelvergabe durch die Länder geht. Zum Beispiel beim sozialen Wohnungsbau hat Sachsen Bundesmittel, um ein Beispiel zu nennen, zu 35 Prozent für etwas anderes ausgegeben. Dass der Bund eigentlich darauf pocht, hier stärker zu kontrollieren, ist durchaus berechtigt.
    Laschet: Das ist berechtigt bei unterschiedlichen Themen. Beim sozialen Wohnungsbau wirkt er ja auch mit. Nur bei Bildung hat er keine Kompetenz und insofern ist das in der Formulierung, die jetzt vorgeschlagen wird, auch differenziert.
    "Föderalismus in Deutschland ist gestärkt worden"
    Münchenberg: Die Frage ist ja: Wenn das heute Abend so durchkommt – Sie sagen ja auch, Sie sind da relativ optimistisch -, hat sich der Streit aus Sicht der Länder wirklich gelohnt? Denn eigentlich sollte der Digitalpakt ja schon früher greifen.
    Laschet: Nun ja, was heißt aus Sicht der Länder gelohnt. Der Bund hat den Digitalpakt 2016 beschlossen und er war zwei Jahre nicht in der Lage, das Geld in die Schulen zu bringen, obwohl das Grundgesetz Wege dazu weiß, und hat dann vor wenigen Wochen, zum Ende des Jahres 2018, auch auf Druck von FDP und Grünen im Deutschen Bundestag, die ja genötigt wurden für eine Zwei-Drittel-Mehrheit, quasi die gesamte föderale Ordnung in Frage gestellt. Da haben wir Länder gesagt, so kann man mit den Ländern nicht umgehen. Es ist gerade eine Stärke, dass Bildung sehr ortsnah arbeiten muss. Wenn Sie sich alleine einmal Nordrhein-Westfalen vorstellen: Sie haben städtische Regionen, beispielsweise im Ruhrgebiet, Sie haben ländliche Gegenden im Münsterland, im Sauerland, und da muss Schule differenziert arbeiten. In sozialen Brennpunkten braucht man mehr Lehrer, braucht man andere Anstrengungen als in einer ländlichen Region, und das ist schon in einem Land nicht einfach zu steuern. Wie soll dann eine Bundespolitik funktionieren, die von Mecklenburg-Vorpommern bis ins bayerische Oberland quasi eine Einheits-Schulpolitik für ganz Deutschland vorsieht?
    Münchenberg: Auf der anderen Seite, Herr Laschet, wollen die Länder ja die fünf Milliarden Euro, die der Bund zur Verfügung stellt, gerne haben, weil es ein großes Problem gibt in den Schulen, zum Beispiel bei der technischen Ausstattung.
    Laschet: Darf ich da noch mal sagen: Das ist nicht Geld des Bundes. Es gibt Bundessteuern und es gibt Ländersteuern, es gibt sogar kommunale Steuern, aber es gibt auch Gemeinschaftssteuern nach unserem Grundgesetz. Und wenn man glaubt, es gibt eine neue Aufgabe, nämlich die Digitalisierung, dann kann man zu Gunsten der Länder theoretisch Umsatzsteuerpunkte so verändern, dass dieser neuen Aufgabe auch das Geld folgt. Diese Vorstellung, das ist das Geld des Bundes, die ist an sich schon falsch. Das haben wir in den letzten Wochen erörtert. Aber der Kern war, Bildung muss so nah wie möglich bei den Schulen sein, und das ist die Verfassung unseres Grundgesetzes. Die ist jetzt mit dem Kompromiss, der kommt, gesichert. Das Geld wird in die Schulen fließen und die Möglichkeit, auch darüber Bericht abzulegen, wie denn das Geld verwendet worden ist, auch die ist jetzt festgeschrieben worden, so dass ich einen Kompromiss für möglich halte. Aber Ihre Frage war, hat sich der Kampf gelohnt. Ja, er hat sich gelohnt, denn der Föderalismus in Deutschland ist gestärkt worden.
    "Wir sollten wegkommen von diesen Kampfbegriffen"
    Münchenberg: Nun haben Sie ja selber gesagt, Bildung ist Länderaufgabe. Was ist denn dieses Kooperationsverbot in der Bildung nach diesem Kompromiss tatsächlich noch wert?
    Laschet: Das ist aus meiner Sicht ein Kampfbegriff. Es gibt kein Kooperationsverbot. Wir kooperieren ja auf vielen Ebenen. Wir haben vor wenigen Wochen – der Bund findet ja immer so schöne Worte – ein "Gute Kita"-Gesetz beispielsweise verabschiedet. Es ist nicht ganz so gut wie es klingt, aber es ermöglicht beispielsweise bei der frühkindlichen Bildung mehr zu tun, ohne dass das Grundgesetz verändert wurde. Es gibt bei der Forschung beispielsweise, bei den Hochschulen viele Kooperationsfelder und es wäre auch möglich gewesen, in der Digitalisierung das Geld bereitzustellen. Deshalb: Wir sollten wegkommen von diesen Kampfbegriffen, in der Sache argumentieren, und in der Sache haben wir für die Schulen im Land, wenn das heute Abend gelingt, einen Durchbruch erzielt.
    Münchenberg: Aber noch mal: Im Zentrum stand ja schon die Position, gerade auch von Baden-Württemberg, dass man gesagt hat, man fürchtet hier eine Aushebelung des Föderalismus.
    Laschet: Das ist richtig.
    Münchenberg: Die Länder haben deswegen erst mal gesagt, so tragen wir das nicht mit, obwohl die Schulen dringend doch auf die bessere Ausstattung warten. Da ist schon die Frage: Hat sich das wirklich gelohnt, auch aus Sicht der Schulen, dass man sich jetzt so lange mit diesem doch eher kleinteiligen Föderalismus-Streit aufgehalten hat, was Kritiker zumindest unterstellen?
    Laschet: Wenn der Bund direkt einen sauberen Weg gewählt hätte, wäre es schneller gegangen. Wir haben jetzt in wenigen Wochen das Problem gelöst. Aber die Länder, Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Hessen und Nordrhein-Westfalen, fünf an der Zahl mit unterschiedlichen parteilichen Regierungskonstellationen, haben gesagt, wir wollen den Föderalismus erhalten, wir wollen das Geld schnell in die Schulen bringen und pragmatische Lösungen finden, aber wir wollen nicht das Verfassungsgefüge verändern. Das war die Position von Anfang an. Die haben wir durchgehalten und die lässt sich nun, wenn es gut geht, heute Abend auflösen. Und ja, diese Klarheit musste sein, denn der Weg zu einer Einheits-Schulpolitik aus Berlin, den hätten die Länder nicht mitgemacht.
    "Wir wollen das Ergebnis dieser Kommission"
    Münchenberg: Herr Laschet, wir müssen ganz kurz noch auf ein anderes Thema eingehen. Sie werden heute eine Regierungserklärung zum Kohleausstieg im Landtag abgeben. Steht denn die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hinter dem Kompromissvorschlag der Kohlekommission?
    Laschet: Das stand zu keiner Sekunde in Frage, weil wir ihn ja mit verhandelt haben. Ich selbst habe damals in der Verhandlung zur Großen Koalition die Energiearbeitsgruppe ja geleitet, zusammen mit Stephan Weil aus Niedersachsen, dem Ministerpräsidenten. Wir wollten die Kommission, weil es besser ist, einen gesellschaftlichen Konsens zu erzielen, als nur mit politischer Mehrheit ein solch großes Projekt wie die Energiewende zu gestalten. Jetzt liegt der Bericht auf dem Tisch.
    Münchenberg: Ich darf da kurz reingehen? Ihr Wirtschaftsminister Pinkwart sagt ja, er will jetzt weniger Braunkohle-Kapazität vom Netz nehmen.
    Laschet: Nein, nein! Entschuldigung! Erstens: Da irren Sie. Sie fallen jetzt herein auf die Behauptungen mancher, die mit verhandelt haben und die das jetzt in Frage stellen auf Seiten der Umweltverbände. Der Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen entscheidet das gar nicht. Der Bericht liegt auf dem Tisch. Die Bundespolitik ist für Energiepolitik zuständig. Hier ist es nämlich anders als bei der Bildung. Das Unternehmen wird jetzt mit dem Bund verhandeln über die Frage, welche Kraftwerke werden vom Netz genommen. Das ist der Punkt und das, was da rauskommt, werden wir eins zu eins umsetzen. Wir stehen zu diesem Kompromiss. Wir wollen das Ergebnis dieser Kommission. Aber die Zuständigkeit für die Energiepolitik für ganz Deutschland liegt nun mal nicht im Land Nordrhein-Westfalen, sondern liegt beim Bundeswirtschaftsminister. Das ist in den Regeln der Bundesregierung so verankert. Dort finden jetzt die Gespräche statt und wir unterstützen das.
    Münchenberg: Aber noch mal konkret: Die Kommission hatte ja vorgeschlagen, diese drei Gigawatt Braunkohle-Kapazität vom Netz zu nehmen bis 2022. Herr Pinkwart sagte, 2,4 Gigawatt seien jetzt nur geplant. Sie stehen weiter hinter den drei Gigawatt?
    Laschet: Nein, Herr Pinkwart sagte das nicht! Herr Pinkwart hat einen Bericht über Kraftwerke in Nordrhein-Westfalen abgegeben. Wieviel Gigawatt wo in Deutschland, ob im Osten oder im Westen oder in der Lausitz oder wo auch immer, vom Netz genommen werden, das verhandeln die Unternehmer mit dem Bund. Wenn es drei Gigawatt sind, dann sind es drei Gigawatt, und wenn es vier sind, sind es vier, und wenn es andere Zahlen sind, sind es andere Zahlen. Egal was in Berlin mit den Unternehmen verhandelt wird, wir werden das umsetzen. Wir werden die Energiewende gestalten. Wir werden die rechtlichen Rahmenbedingungen danach, nachdem der Bund entschieden hat, in den Ländern ebenfalls umsetzen. Das ist die klare Haltung, weil wir wollen, dass das Ergebnis der Kommission ein Erfolg wird.
    Münchenberg: Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Herr Laschet, besten Dank für Ihre Zeit.
    Laschet: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.