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Armutsprostitution
Mindestens sieben Freier pro Tag

Laut Schätzungen arbeiten zurzeit zwischen 200.000 bis 400.000 Prostituierte in Deutschland, viele davon sind nicht registriert. Bis heute wird darüber gestritten, ob der nun vorliegende Gesetzentwurf zum Schutz von Prosituierten tatsächlich den Frauen hilft oder ihnen eher schadet. Bei dem Entwurf hat sich die CDU mit ihrer Forderung nach einer Meldepflicht durchgesetzt.

Von Uschi Götz |
    Eine Prostituierte steht vor einem Bordell in Flensburg.
    Nach Angaben des Vereins Sisters e.V. zählen rund 90 Prozent aller Prostituierten in Deutschland zur Armutsprostitution. (pa/dpa/Christians)
    Laut Schätzungen arbeiten zurzeit zwischen 200.000 bis 400.000 Prostituierte in Deutschland, viele davon sind nicht registriert. Bis heute wird deshalb darüber gestritten, ob der nun vorliegende Gesetzentwurf zum Schutz von Prosituierten tatsächlich den Frauen hilft oder ihnen eher schadet. Bei dem Entwurf hat sich die CDU mit ihrer Forderung nach einer Meldepflicht durchgesetzt. Bis heute streiten sich betroffene Vereine und Verbände über nahezu jeden Punkt im vorgesehenen Gesetz.
    So halten die Sexarbeiterinnen beispielsweise nichts von der vorgesehenen Kondompflicht. Dabei haben beide Seiten gute Argumente, aber eben unvereinbare
    Früher Nachmittag. Eine Frau - etwa 25 Jahre alt, kurzer Rock, hohe schwarze Schuhe, tiefer Ausschnitt, steht vor einem Haus in der Stuttgarter Jakobsstraße. Sie wartet auf den nächsten Freier. Ein paar Meter weiter verhandelt ihre Kollegin in kniehohen Lackstiefeln mit einem älteren Herrn. Die Frauen sollen die Kundschaft in die nah gelegenen Bordelle locken.
    "I come from Romanina, since four years in the same house."
    Auch Andrea, eine gebürtige Rumänin, hat in dieser Gegend viele Jahre als Prostituierte gearbeitet. Heute trägt sie Jeans und Turnschuhe, ihr halblanges rötliches Haar glänzt. Mit 18 kam sie zunächst freiwillig aus Rumänien nach Deutschland, viereinhalb Jahre lang arbeitete sie in einem Bordell in Stuttgart.
    "When I was 18 years and six months, for the first time."
    Viel Hilfe für Prostituierte in Stuttgart
    Mittlerweile ist Andrea 23 Jahre alt und schwanger. Der Vater des Kindes ist ein Freier. Wer es sein könnte? Sie weiß es nicht. Jetzt versucht sie weg zu kommen von der Prostitution. Dabei wird sie unterstützt von dem gerade gegründeten Verein Sisters. Zunächst bekam sie eine Wohnung, sobald das Kind auf der Welt ist, hilft der Verein auch bei der Jobsuche.
    "Wenn da Bedarf ist, wir sind so ein paar Frauen, das wird dann abgeklärt, wer hat Zeit und dann macht man das."
    Sisters e.V ist in Köln, Berlin und vor allem am Gründungssitz in Stuttgart aktiv. In Stuttgart gibt es ein über Jahrzehnte gewachsenes Netz, das Prostituierten in vielen Lebenslagen hilft. Antje Sanders gehört zum Stammteam.
    Der Verein Sisters vermittelt ehrenamtliche Helferinnen, manchmal auch Helfer, die nach alternativen Arbeitsmöglichkeiten für Frauen suchen, die aufhören wollen. Prostituierte können nicht von heute auf morgen ihren Job aufgeben. Sie müssen erst einmal in das, wenn man so möchte, bürgerliche Leben, hineinwachsen. Ansprüche an den neuen Job dürfen die Frauen dabei am Anfang nicht haben:
    "Meistens weil die Sprachbarriere da ist halt dann als Putzhilfe, erst einmal als Einstieg und sie werden ja auch vom Jobcenter unterstützt sobald sie eine Arbeit haben und angemeldet sind."
    Aussteigen ist nicht leicht
    Wer aussteigt braucht Geld, eine Wohnung und einen neuen Lebensentwurf. Sisters e.V begleitet die Frauen, hilft ihnen dabei, finanzielle Unterstützung zu bekommen und besorgt meist auch eine Bleibe für den Übergang. Neben praktischen Hilfen für Prostituierte möchte Sisters e.V. auch aufklären: Seit vielen Jahren arbeitet Sabine Constabel für das Stuttgarter Gesundheitsamt in einer Anlaufstelle für Prostituierte. Mit Journalistinnen, einer Gewerkschafterin und früheren Prostituierten gehört sie zu den Gründungsmitgliedern von Sisters:
    "Wir müssen aufklären, was Prostitution ist. Wir müssen aufklären darüber, dass die Frauen, die sich hinstellen und die wir ab und zu in Talkshows sehen, die sagen, ich bin Sexarbeiterin, ich mache das freiwillig und gerne und mir geht es gut dabei, dass die nicht repräsentativ sind für diese Masse von Frauen, die in der Prostitution vernichtet werden."
    Auch Armutsprostitution genannt. Dazu zählen nach Angaben des Vereins rund 90 Prozent aller Prostituierten in Deutschland. Frauen, die am Tag mindestens sieben Freier brauchen, um finanziell durchzukommen. Fast alle haben einen Migrationshintergrund, die meisten stammen zurzeit vom Balkan, sehr viele junge Frauen aus Rumänien. Dieses Wissen sei wichtig, um sinnvolle Ausstiegsprogramme anzubieten, meint Sabine Constabel.
    Denn gerade erst hat ein Modellprojekt im Auftrag des Familienministeriums in Berlin ergeben: Nur 68 Frauen haben im Rahmen des Projekts "Unterstützung des Ausstiegs aus der Prostitution" in den vergangenen fünf Jahren einen sozialversicherungspflichtigen Job gefunden.
    "Da muss man schon hinschauen. Es ist bei weitem nicht so, dass Ausstiegsmodelle gescheitert sind. Es gibt nur welche, die besser funktionieren oder die eher angenommen werden und welche die nicht so gut angenommen werden."
    Auch in den Ländern regt sich Widerstand gegen das Gesetz
    Laut Schätzungen arbeiten zurzeit zwischen 200.000 bis 400.000 Prostituierte in Deutschland, viele davon sind nicht registriert. Bis heute wird deshalb darüber gestritten, ob der nun vorliegende Gesetzentwurf zum Schutz von Prosituierten tatsächlich den Frauen hilft oder ihnen eher schadet. Bei dem Entwurf hat sich die CDU mit ihrer Forderung nach einer Meldepflicht durchgesetzt. Der Berufsverband "sexuelle und erotische Dienstleistungen" sieht in der Meldepflicht ein Zwangsouting, Sisters e.V hält hingegen die Meldepflicht für einen richtigen Schritt:
    "Es ist nicht d i e Lösung des Problems, aber es ein Schritt, der vielen Frauen ein Stück weiterhilft; er beendet nicht die Ausbeutung."
    Bis heute streiten sich betroffene Vereine und Verbände über nahezu jeden Punkt im vorgesehenen Gesetz. So halten die Sexarbeiterinnen beispielsweise nichts von der vorgesehenen Kondompflicht. Dabei haben beide Seiten gute Argumente, aber eben unvereinbare. Nun regt sich auch in den Ländern Widerstand gegen das geplante Gesetz