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Armutszuwanderung
Straubinger: CSU ist eine Diskussionspartei

Streitbar und diskussionsfreudig, so sieht der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Max Straubinger, seine Partei. So bleibe die CSU bei ihrer Haltung zur sogenannten Armutsmigration. Unter Umständen müsse es Gesetzesänderungen geben, um eine Einwanderung in Sozialsysteme zu verhindern, sagte er im DLF.

    Max Straubinger, CSU-Abgeordneter im Bundestag
    Max Straubinger, CSU-Abgeordneter im Bundestag (picture alliance / dpa / Andreas Gebert)
    Christiane Kaess: Mit Streit ist die Große Koalition in Berlin ins neue Jahr gestartet, und daran ist der kleinste Koalitionspartner, die CSU, nicht unschuldig. Die Diskussion um Armutszuwanderung löste sie aus mit dem provokanten Satz "Wer betrügt, der fliegt". Die Pkw-Maut, die Ausnahmen beim Mindestlohn – in der Zeit der traditionellen Winterklausur der CSU-Bundestagsabgeordneten in Wildbad Kreuth haben die lauten Töne Tradition. Dabei hat die Partei gerade selbst alle Hände voll zu tun mit internen Querelen. Nach dem Vorstoß der bayerischen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner zur Finanzierung der Energiewende ist sie mit CSU-Chef Seehofer aneinandergeraten und hat ihren Vorschlag schließlich zurückgezogen.
    Und zugeschaltet aus Wildbad Kreuth ist jetzt Max Straubinger, der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Guten Morgen!
    Max Straubinger: Guten Morgen!
    Kaess: Herr Straubinger, wie viele provokante Vorstöße auf der Bundesebene kann sich denn die CSU noch leisten, wenn es in der eigenen Partei heftig kracht?
    Straubinger: Ich kann nicht erkennen, dass es in der eigenen Partei kracht. Hier gibt es immer lebhafte Diskussionen und vor allen Dingen sachbezogene Diskussionen, und das ist das Wichtigste, das ist auch das Signal aus Wildbad Kreuth.
    "Ein ganz normaler demokratischer Diskussionsprozess"
    Kaess: Man könnte es auch anders beschreiben: Horst Seehofer und Ilse Aigner greifen sich gegenseitig beim Thema Energiewende an und Aigner wird schlussendlich mundtot gemacht.
    Straubinger: Das sehe ich nicht so, sondern die Ilse Aigner hat einen Vorschlag unterbreitet, dieser Vorschlag wurde breit diskutiert im Kabinett. Das hat ja gestern der Ministerpräsident auch dargelegt vor der Presse, und dann kam man zu dem Ergebnis, diesen Vorschlag nicht mehr zu verfolgen. Das ist ein ganz normaler demokratischer Diskussionsprozess, und darum gibt es auch nichts zu mäkeln und auch nicht hineinzuintuieren, ob es einen Sieger oder eine Verliererin gibt.
    Kaess: Und Horst Seehofer hat deshalb extra seine Rede verschoben, die er ja schon gestern in Wildbad Kreuth halten sollte, um Aigner dann im Kabinett in München in die Schranken zu verweisen.
    Straubinger: Nein, es geht nicht hier um etwas in die Schranken zu weisen, sondern es geht darum, sachgerechte Lösungen bei der Energiewende zu finden. Das ist die größte Herausforderung, und da habe ich volles Verständnis, wenn man mehr Zeit einplant als üblich für eine Kabinettssitzung eingeplant ist.
    Kaess: Aber die Botschaft von Horst Seehofer ist schon klar: Neben ihm darf sich niemand profilieren, und schon gar nicht ohne Absprache mit ihm.
    Straubinger: Nein, das sehe ich nicht so, sondern der Seehofer ist ja bekannt dafür, dass auch hier entsprechende Diskussionen stattfinden. Es könnte vielleicht also sicherlich manchmal auch in einer Vorabsprache manches erleichtert werden, aber insgesamt ist die CSU als Volkspartei eine Diskussionspartei, und das ist ja das Entscheidende, und die besten –
    Kaess: Das nehmen natürlich nicht alle so wahr. Herr Straubinger, Gerda Hasselfeldt, die Landesgruppenvorsitzende, die hat gestern Vormittag noch Position für Ilse Aigner ergriffen. Ich zitiere sie mal, sie hat gesagt: "Wenn in einer Demokratie nicht mehr erlaubt ist, dass man auch Vorschläge einbringt als Wirtschaftsministerin, die für Energie in Bayern zuständig ist, dann wisse sie nicht, was Politik noch in einer Demokratie soll." Für wie viel Unmut hat denn Seehofers Verhalten gestern in Wildbad Kreuth gesorgt, hinter den Kulissen?
    Straubinger: Überhaupt keinen Unmut hat es gegeben, denn wir haben uns überhaupt nicht befasst, das war aber auch kein Anteil an der Diskussion in diesem Bezug, denn wir haben heute auf der Tagesordnung, die Energiewende zu besprechen.
    Kaess: Das ist kein Grund zur Diskussion, wenn Gerda Hasselfeldt am Vormittag noch so ein konkretes Statement gibt?
    Straubinger: Nein, es hat keine Diskussion darüber gegeben. Wir haben uns ja gestern befasst insgesamt mit dem Lagebericht der Vorsitzenden. Und darüber hinaus dann mit den Berichten von Markus Ferber, unserem Europagruppenvorsitzenden –
    Kaess: Und dennoch ist die CSU eine diskussionsfreudige Partei?
    Straubinger: Ja, natürlich. Aber wir diskutieren dann, wenn die Sache auch aufgerufen ist, und die Energiewende steht heute auf der Tagesordnung. Und deshalb war das gestern kein Thema.
    Kaess: Und heute wird der Vorschlag von Ilse Aigner durchaus noch mal diskutiert?
    Straubinger: Das wird sicherlich sein im Zusammenhang mit unserem Papier, wobei sich aber unser Papier mehr mit der Versorgungssicherheit befasst. Das ist ja die große Herausforderung. Je mehr wir volatilen Stromproduktionsanteil bekommen, rückt die Versorgungssicherheit immer stärker in das Blickfeld. Und dies zu kombinieren, das wird die zukünftige Herausforderung sein bei der Gestaltung der Energiewende.
    Kaess: Die Verbraucher interessieren aber die Preise. Hätte man also den Vorschlag von Aigner nicht zumindest prüfen können, anstatt ihn gleich im Keim zu ersticken?
    Straubinger: Ich bin überzeugt, der Bundeswirtschaftsminister und der auch für die Energiewende zuständig ist, der wird auch entsprechende Vorschläge unterbreiten, die werden wir dann diskutieren. Aber es gibt ja auch andere Möglichkeiten, ich sag gerade also auch die Liste zu überprüfen, wer freigestellt ist von der Ökostromumlage. Das ist sicher auch lohnenswert, daran zu gehen.
    Armutszuwanderung bleibt Thema
    Kaess: Sie haben es selber schon gesagt, Herr Straubinger, gestern ist die Beschlussvorlage für die Kommunen verabschiedet worden mit dem provokanten Satz "Wer betrügt, der fliegt", der für viel Diskussion gesorgt hat in den letzten Tagen. Die CSU betont ja selbst immer, das sei alles so im Koalitionsvertrag eh schon vereinbart. Warum braucht es dann eigentlich diesen provokanten Satz?
    Straubinger: Ach, ich glaube, dass sich mehr die Journalisten darüber aufgeregt haben, als wie sich die Bevölkerung aufregt darüber. Ich glaube, wir wollen hier dieses Thema auch zu einer Lösung führen. Und die Klagen von Kommunen, vom Münchener Oberbürgermeister, der einen Brief an die Münchener Bundestagsabgeordneten geschrieben hat, von Duisburg, von Dortmund und von anderen großen Städten, die klagen ja nicht deshalb, dass sie lauter Arbeits- – oder Zugänge in den Arbeitsmarkt haben, sondern dass sie einen gewaltigen Aufwuchs an Sozialleistungen zu schultern haben aufgrund der Zuwanderung. Also, das zeigt sehr deutlich, es gibt ein Problem, und zwar eine Einwanderung in unsere Sozialsysteme, und deshalb sind wir auch gefordert, entsprechende Lösungen dann herbeizuführen.
    Kaess: Aber, Herr Straubinger, diese Lösungen haben Sie ja den betroffenen Kommunen bisher gar nicht angeboten, sondern ganz im Gegenteil. In den Koalitionsverhandlungen hat die CSU einen Soforthilfefonds für die Betroffenen Kommunen abgelehnt.
    Straubinger: Es geht ja nicht darum, sofort dann Geld bereitzustellen, sondern es geht –
    Kaess: Das ist aber das, was die Kommunen wollen.
    Straubinger: Das ist richtig. Die Kommunen wollen immer Geld, das ist ganz natürlich. Sondern es geht darum, dass wir hier überbordende Sozialleistungen, die von ausländischen Bürgern hier abgerufen werden –
    Kaess: Was ja bisher noch gar nicht so ist. Da sprechen ja die Fakten dagegen.
    Straubinger: Nein, das stimmt so nicht. Sondern Sie haben einen höheren Anteil an den Sozialleistungsbezügen als die normale deutsche Bevölkerung, und das spricht ja dafür. Und deshalb muss es hier Lösungen geben. Wir sind diese Diskussion auch darin, dass es einen Erfolg gibt, nämlich dass sich jetzt eine Staatssekretärsrunde mit den Auswüchsen in einzelnen Bereichen befasst.
    Kaess: Und reicht Ihnen das oder wollen Sie mehr?
    Straubinger: Wir wollen natürlich Lösungen. Also nicht nur, dass jemand zusammen sitzt und dann Deckel zu und so, ja, kann man nichts machen. Das kann es nicht sein.
    Kaess: Aber von den Lösungen hört man ja nichts weiter von Ihnen.
    Straubinger: Doch. Also, wir sind schon bereit dazu, hier Lösungen herbeizuführen.
    Kaess: Welche denn?
    Straubinger: Ja, Einschränkungen dann zu geben. Es kann nicht sein, dass jemand einfach nur nach Deutschland einreist.
    Kaess: Also Gesetzesänderungen. Weil, die müssen ja irgendwie konkret umgesetzt werden können.
    Straubinger: Unter Umständen Gesetzesänderungen, und vor allen Dingen also auch mal darzulegen, wir haben ja vor allen Dingen durch Gerichte unterschiedlichste Auslegungen. Es gab ein Landessozialgericht in Nordrhein-Westfalen, die gesagt haben, also hier kann man ab dem ersten Tag der Einreise sofort Sozialleistungen beziehen. Das ist auf der einen Seite von unseren Gesetzen nicht gedeckt, gleichzeitig wird es aber begründet mit europäischem Recht. Und noch dazu gibt es eben auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes, das besagt, dass jeder, der einreist und sagt, ich möchte in Deutschland arbeiten, dass dem sofort jede soziale Hilfe sozusagen zuteil werden muss. Ich bin überzeugt, damit würde unsere Gesellschaft und auch der deutsche Steuerzahler überfordert werden, wenn dies tatsächlich so dann anzuwenden ist.
    Kaess: Herr Straubinger, wird der bayerische Löwe denn nach Wildbad Kreuth wieder zum schnurrenden Kätzchen, oder soll das mit den lauten Tönen so weiter gehen? Denn Horst Seehofer hat eine neue Debattenkultur, an die man sich gewöhnen müsse, angekündigt. Was meint er denn damit?
    Straubinger: Also ich glaube nicht, dass wir auf der einen Seite schnurrendes Kätzchen sind und auf der anderen Seite der brüllende Löwe, sondern wir sind für sachbezogene Diskussionen und dann auch Lösungen, und ich glaube, dass die Debatte, die wir hier befeuert haben, aber vielleicht sogar wesentlich stärker durch die Medien befeuert wurden. Es wurde über das ganz Papier, das Kommunalpapier hatte einen Umfang von drei Seiten mit vielen Vorschlägen für die Kommunen, mit Entlastungen, die für die Kommunen vorgesehen sind, darüber wurde nicht berichtet, sondern nur über diesen einen Teil.
    Kaess: Sagt Max Straubinger. Er ist parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Danke für das Gespräch heute Morgen, Herr Straubinger!
    Straubinger: Bitte schön, gern geschehen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.