Ich las also im Netz die Schlagzeile, die Beiden hätten in Zürich ein Stelldichein gehabt. AfD-Politikerin Alice Weidel und Stephen Bannon, Ex-Chefstratege im Weißen Haus und bis kürzlich Leiter der rechtspopulistischen Breitbart News.
Eigentlich nichts Weltbewegendes, dachte ich. Gleich und gleich gesellt sich gern zum Plausch. Doch die Maus in meiner Hand, ein News-Junkie, öffnete den Artikel.
Auf der Suche nach einer Definition
Tja! Und da stand, Weidel hätte sich für Bannons Erfahrungen mit "Alternativen Medien" interessiert - alternative Medien ohne Anführungszeichen. Ganz so, als wäre der Begriff bestens eingeführt. Aber warum kannte ich ihn dann nicht?
Eine erste Prüfung zeigte: Es gibt keinen deutschsprachigen Wikipedia-Artikel zu "Alternative Medien". Der englischsprachige erklärt naheliegender Weise, "Alternative Medien" seien nur im Gegensatz zu hegemonialen Medien zu verstehen, vulgo: zum "Mainstream".
Womit aber nicht gesagt ist, wes Geistes Kind sie sind. Doch das wollte ich wissen: Ob "Alternative Medien" etwa hauptsächlich "Alternative Fakten" verbreiten - um den entlarvenden Unfug-Begriff der Trump-Beraterin Kellyanne Conway zu benutzen.
"taz", "Telepolis", "Titanic" – verlinkt als "Alternative Medien"
Nun, hätte Alice Weidel in Zürich Stephen Bannon versetzt und im Netz recherchiert, wäre sie zu ihrer Verwunderung vielleicht auf den "Hinweis auf alternative Medien" gestoßen. Und der steht wo?
Auf einer Seite der Partei Die Linke. Aber nicht etwa, um vor rechtsdrehenden Medien zu warnen. Nein, Die Linke rät zum Konsum etwa der sozialistischen Tageszeitung "Jungle World", des Online-Magazins "Telepolis", des TV-Senders "Russia Today" und der kubanischen Nachrichten-Agentur "Prensa Latina".
Vergleichbar: die Seite "Bessere Welt Links". Sie verlinkt zu den "Alternativen Medien" "taz" und "Der Freitag", zum Hamburger Straßenmagazin "Hinz & Kunzt" und auch zur "Titanic".
Mehr rechts als links
Bevor nun Verwirrung entsteht: Überwiegend tauchte mein Suchbegriff dann aber doch rechts der Mitte auf. "Conservo", laut Selbstbeschreibung ein "konservativer und liberaler Blog", listet unter dem Titel "Alternative Medien zur Lückenpresse" die "Basler Zeitung" und das Magazin "Cicero" auf, den Ökonomen Hans-Werner Sinn als publizistischen Solisten, den Blog "Tichys Einblick" und - siehe da - "Telepolis", das ja auch die Partei Die Linke gut findet.
Was immer man von diesem Sammelsurium hält: Wegen rechtsradikaler Umtriebe muss der Verfassungsschutz hier sicher nicht ran.
"Alternative Medien" – Empfehlungen von rechts außen
Weiter nach rechts außen reichen einige Empfehlungen in dem "Blog für konservative Erneuerung". Neben Breitbart ist hier auch "Sezession" dabei, das Magazin des Rechtsintellektuellen Götz Kubitschek, einem Vordenker der extremistischen "Identitären Bewegung".
Gleichzeitig wird zur "Neuen Zürcher Zeitung" geraten - und wiederum zu "Cicero".
Bitte schön: Das alles passt nicht unter einen Hut. Also habe ich die Netz-Texte der selbsternannten Listen-Führer und Herolde alternativer Medien mit Rechtsdrehung näher studiert.
Plumpe Behauptungen
Diskutabel erscheinen mir jene, die ohne zentrale Verschwörungstheorie auskommen. Oft allerdings suggerieren die Autoren: Die "Mainstream-Medien" sind in toto ein gleichgeschalteter Block, der sich seine Weltanschauung von der Merkel-Regierung diktieren lässt. Nun, das ist intellektuell Kindergarten.
Als die Kanzlerin die Maßnahmen des Essener Tafel-Chefs Sartor pauschal als "nicht gut" geißelte - wo erschien die zugleich klügste und schärfste Kritik? In jener FAZ, die von den Herolden rechter alternativer Medien zu den "Systemmedien" gezählt wird.
Sparen wir uns tausend weitere Beispiele.
"Markiert den Feind und den Freund"
Der historische Vorläufer des Begriffs "Alternative Medien" war die "Gegenöffentlichkeit", ein linker Diskurs-Liebling der 1970er-Jahre, theoretisch wichtig, praktisch von minderer Relevanz.
In Zeiten digitaler Total-Vernetzung ist es umgekehrt. Theoretisch gibt die Unterscheidung zwischen Mainstream- und "Alternativen Medien" wenig her.
Doch für gewisse Leute ist sie praktisch, denn sie markiert den Feind und den Freund. Oder anders - sie spaltet. Und Spaltung liegt absolut im Trend, in den USA noch mehr als hier. Vermutlich hat sich Alice Weidel deshalb in Zürich an Stephen Bannon gewandt.