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Arsen zum Frühstück

Biologie.- Vor einem halben Jahr sorgte ein Artikel im Fachmagazin "Science" für Aufregung, der sich mit Bakterien beschäftigte, welche sich womöglich von hochgiftigem Arsen ernähren. Nach einer Menge Kritik an dem Text hat die Zeitschrift das Thema nun erneut aufgegriffen.

Von Dagmar Röhrlich |
    Selten hat das Wissenschaftsmagazin "Science" auf eine Veröffentlichung so viel Gegenwind bekommen wie im Dezember vergangenen Jahres. Damals war eine Pressekonferenz versprochen worden, die "eine neue Sicht auf außerirdisches Leben" bringen sollte. Dort stellte Felisa Wolfe-Simon vom NASA Astrobiology Institute GFAJ-1 vor, einen Bakterienstamm aus dem kalifornischen Mono-Lake:

    "Alles Leben, das wir kennen, braucht Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel und Phosphor. Diese sechs Elemente setzt das Leben bei seinen zentralen Bausteinen ein, DNA, RNA, Eiweißen oder Fetten. Wir haben nun mit GFAJ-1 einen Organismus entdeckt, der in diesen wichtigen Biomolekülen Phosphor durch Arsen ersetzt, also ein Element durch ein anderes."

    Sollte GFAJ-1 das Stoffwechselgift Arsen anstelle von Phosphor als Lebensbaustein einsetzen, wäre das eine Sensation: Lehrbücher müssten umgeschrieben werden und für die Suche nach Leben im All öffneten sich neue Möglichkeiten. Allerdings verlangen außergewöhnliche Behauptungen auch außergewöhnliche Beweise, wie es der Astronomen Carl Sagan formuliert hat -und genau die fehlten. Deshalb entbrannte sofort eine heftige wissenschaftliche Debatte, in deren Verlauf von der Sensation nicht viel übrig blieb. Wissenschaftliche Mühlen mahlen langsam, und so wurde es zunächst ruhiger um GFAJ-1 - bis zum vergangenen Freitag.

    Am Nachmittag, außerhalb jeder normalen Zeit für solche Termine, veröffentlichte Science acht Einwände, die Wissenschaftler an die Zeitschrift geschickt hatten. Dazu kamen direkt auch die Antworten von Felisa Simon-Wolfe und ihrem Team. Die Kritik an ihrer Veröffentlichung war breit gefächert. Da ist Patricia Foster von der Indiana University in Bloomington:

    "Sie haben das Wachstum des Bakteriums in dem Nährmedium so interpretiert, dass es Arsen anstelle von Phosphor einsetzt. Das ist nicht die einzige Erklärung. So gibt es eine Veröffentlichung aus dem Jahr 1976, dass Arsen Bakterien dazu stimulieren kann, Phosphor besser aufzunehmen. Das Nährmedium war mit Phosphor verunreinigt, und der reicht aus, um die Bakterien wachsen zu lassen."

    Ein anderer Einwand betrifft den Nachweis, dass Arsen in das Erbgut des Bakteriums eingebaut worden sei. Rosemary Redfield von der University of British Columbia in Vancouver:

    "Sie erheben den Anspruch, dass Bakterien einen Teil des Phosphors in ihrer DNA durch Arsen ersetzen. Das haben sie meiner Meinung nach nicht bewiesen, denn sie haben einen Standard-Schritt bei der Reinigung von DNA unterlassen und deshalb Arsen-Kontaminationen aus dem Nährmedium gemessen."

    Steven Benner von der University of Florida in Gainesville hat ganz grundsätzliche Probleme mit der Chemie von GFAJ-1:

    "Die Literatur über die Eigenschaften von Arsen reicht bis 1870 zurück. Arsen ist giftig, weil es in Wasser schnell lösliche Verbindungen eingeht und biochemische Prozesse stört. Eine DNA mit Arsen müsste nach allem, was wir wissen, zerfallen, wenn sie zur Analyse pur in ein wasserhaltiges Gel gegeben wird. Aber sie bleibt stabil, also kann einfach kein Arsen eingebaut worden sein."

    Angesichts seines Einwands, den er an Science geschickt hatte, befriedigt Steven Benner die Antwort, die er von der Gruppe von Felisa Wolfe-Simon erhielt, nicht: Seine Einwände seien nicht relevant, da die Moleküle im Inneren einer lebendigen Zelle durch noch unbekannte Mechanismen stabilisiert werden könnten. Unzufrieden ist auch CNRS-Forscher Wolfgang Nitschke. Er schreibt in einer Mail:

    "Die Autoren schlagen vor, dass das Arsen in seiner oxidierten Form von den Zellen aufgenommen und anstelle von Phosphat in Biomoleküle eingebaut würde. Dann aber passiert es. Das oxidierte Arsen wird langsam reduziert und verändert dadurch völlig die Geometrie seiner Bindungen. Resultat: Die Biomoleküle explodieren quasi während dieser Umwandlung - was natürlich nicht passiert, sonst sähen die Autoren kein Wachstum."

    Entweder sei sein Argument falsch, aber es sei fundamentale Chemie - oder die Schlussfolgerung des Artikels. Vielleicht baue GFAJ-1 das Arsen ja gar nicht in seine Biomoleküle ein, sondern "entsorge" es in den auffällig geschwollenen Bläschen im Zellinneren. Jedenfalls hilft die Antwort auf seinen Einwand, dass man keine reduzierten Formen von Arsen gefunden habe, nicht weiter.

    Auch die anderen Kritiker sehen ihre Bedenken keineswegs ausgeräumt: Man umgehe direkte Antworten oder nehme Argumente nicht wahr, urteilten sie auf Anfrage des Deutschlandfunks. "Science" immerhin ist stolz darauf, dass die "Wissenschaft arbeitet, wie sie es sollte." Während die Gruppe um Felisa Wolfe-Simon hofft, alle Fragen zu den Arsenbakterien plausibel beantwortet zu haben, erklärt Kritikerin Rosemary Redfield von der University of British Columbia:

    "Es ist nicht schön, so etwas über einen Wissenschaftler zu sagen, aber das sind nicht die Antworten von Leuten, die die Wahrheit finden wollen, sondern sie antworten wie Rechtsanwälte: Sie wollen uns überzeugen, dass sie Recht haben, ohne sich um die Wahrheit zu kümmern."

    Sie hofft, dass nun unabhängige Wissenschaftler sich dieses Problems annehmen und mit GFAJ-1 arbeiten - um die Behauptung, dass auch Arsen ein Baustein des Lebens sein kann, zu bestätigen oder zu widerlegen. Und das hofft auch Science.