"Zum ersten zum zweiten zum Dritten … verkauft."
23.000 Euro für ein Ölgemälde aus dem 17. Jahrhundert – für den Inhaber des Kunstauktionshauses Lempertz, Henrik Hanstein, sind solche Verkäufe Peanuts. Er beobachtet seit einiger Zeit, dass der Kunstmarkt in ganz anderen preislichen Höhen stattfindet. Die aktuellste Entwicklung in den vergangenen Monaten verwundert ihn aber doch:
"Im letzten Jahr fand ich, in der zeitgenössischen Kunst, dass es einige Entwicklungen gegeben hat, insbesondere auf dem High-End-Auktionsmarkt, wo man wirklich sagt, das ist meschugge. Die Bilder verdoppeln sich jährlich um 50 Prozent. Es ist ja nur ein kleiner Bereich, aber wie die Preise da angeschossen sind, das verblüfft mich schon etwas. Als ob die Menschen nicht vor fünf Jahren schon erkannt haben, wie gut die Kunst schon war."
Die Kunst scheint sich in den Spitzensegmenten von den Preisen des Liebhabermarktes zu lösen. Der weltweite Kunstmarkt machte letzte Jahr 63 Milliarden Dollar Umsatz. Das Umsatzvolumen hat sich damit in den vergangenen zwölf Jahren verdreifacht. Auch Verkäufe im dreistelligen Millionenbereich sind keine Seltenheit mehr. Null-Zinsen, steigende Immobilienpreise, unstete Aktienmärkte. Hanstein weiß, warum es immer mehr Investoren in den hoch bewerteten Nischenmarkt der Kunst zieht.
Der Profit zieht die Kapitalanleger an
"Alle sind doch verzweifelt, von den Versicherungen bis zu den Sparkassen. Wir erzielen keine Rendite mehr, wir haben keine Zinsen. Und da ist ja die Investition in der Kunst ja zumindest insofern – bei den alten Meistern kriegen Sie Ihren Einsatz in der Regel immer mindestens wieder und bei der zeitgenössischen, modernen Kunst können Sie eventuell viel Glück haben und noch einen Profit machen."
Der Profit zieht die Kapitalanleger an. Nicht ohne Grund boomt zur Zeit gerade der Markt für moderne und zeitgenössische Kunst. Das geht aus dem aktuell erschienen TEFAF-Bericht hervor – der wichtigsten Untersuchung zur Entwicklung der Kunstbranche, erstellt von dem Beratungsunternehmen "arts economics". Dem Bericht zufolge polarisiert sich der Markt derzeit. Immer mehr Geld fließt in immer weniger einzelne Kunstwerke. Das teuerste ein Prozent generiert über die Hälfte des weltweiten Umsatzes. Deutlich wird das an Rekordpreisen, wie bei der Versteigerung des Ölbildes "Les Femmes d'Alger" im letzten Jahr bei einer New Yorker Auktion. Das Kunstwerk von Pablo Picasso erzielte knapp 180 Millionen Dollar. Nicht nur für Kunstliebhaber sind das schwindelerregende Preise.
Zum Vergleich: Dem Kölner Kunstmuseum Ludwig steht für den Ankauf von Kunst pro Jahr eine Million Euro zur Verfügung. Pablo Picasso, Andy Warhol, Roy Lichtenstein. Das Museum beherbergt gerade die Kunst, die sich preislich so rasant entwickelt. Yilmaz Dziewior, der Direktor des Museums, freut sich, dass sich viele Kunstwerke mit einer hohen Preissteigerung bereits in seiner Sammlung befinden.
"Das Museum Ludwig besitzt nach Barcelona und Paris die drittgrößter Picasso-Sammlung der Welt. Das sind irrationale Zahlen, die dann für Picasso oder solche Positionen geboten werden. Das Museum Ludwig ist in der glücklichen Lage, dass wir gerade diese als Spitzenkünstler angesehene Künstler in unserer Sammlung schon haben. Also die Sorgen haben wir nicht."
Die steigenden Preise könnten auf eine Spekulationsblase hindeuten
Ganz ohne Auswirkungen bleibt die überhitzte Marktsituation für das Museum dann aber doch nicht:
"Man muss sagen, dass auch das Museum die Einflüsse des Kunstmarktes zu spüren bekommt, nicht nur wenn wir Werke erwerben wollen, sondern auch wenn wir Arbeiten ausleihen. Der Versicherungswert und damit auch die Versicherungspolice steigt natürlich, wenn dieser Künstler auf dem Markt teurer geworden ist."
Auktionäre und Galleristen können sich über die hohen Preise freuen – sie werfen auch höhere Provisionen ab. Museen aber werden zunehmend abgehängt auf einem Markt, auf dem Angebot und Nachfrage im Ungleichgewicht sind. Yilmaz Dziewior verunsichert das aber noch nicht. Er vertraut auf eine baldige Normalisierung des Marktes:
"Meine Hoffnung ist, dass es sich irgendwann von selbst bereinigt, diese Kunstmarktsituation, und dass die Preise hoffentlich wieder etwas realer werden."
Wirtschaftswissenschaftler der Universität Luxemburg haben Kunstauktionen der letzten 36 Jahre einer statistischen Auswertung unterzogen. Ihr Ergebnis: Der Markt ist überhitzt, die steigenden Preise könnten auf eine Spekulationsblase hindeuten. Wie schon in der weltweiten Immobilienkrise könnte diese Blase platzen. Dann würden die Preise rasant abstürzen. Und das würde dann auch die Spekulanten wieder aus dem Markt vertreiben.