Ausgangspunkt für Giulio Paolini war die Arte povera, damals, Anfang der sechziger Jahre in Turin. Da stellte er mit Künstlern aus, die sich für die Poesie und Energie einfachsten Materials interessierten, Gummi, Holz, Sand, Steine. Berühmt wurde aus dieser Bewegung dann vor allem Piero Manzonis "Merda d’Artista", die in Dosen abgepackte angebliche Künstlerscheiße.
Der heute 65-jährige Paolini ist dann allerdings einen ganz anderen Weg gegangen, den der konzeptuellen Kunst. Wenn Paolini heute in Winterthur eine "Esposizione Universale" veranstaltet, dann ist das ein speziell für diese kühlen weißen Räume konzipiertes Gesamtkunstwerk. Alle Objekte sind aufeinander bezogen. Im Zentrum steht eine Plexiglas-Skulptur, die Paolini 1992 für den Grand Palais in Paris gebaut und schon einmal für eine Schau in Italien umkomponiert hatte, durchsichtige Sockel und Kuben, auf denen wieder durchsichtige Kuben ausgestellt sind. In Winterthur steht nur noch das vielfach beleuchtete Gerüst, die einzelnen Lamellen der Kuben liegen am Boden. Das offene Werk demontiert sich selbst und schreibt sich fort, und Paolinis Konzept der "Weltausstellung", also einer Gesamtschau des Möglichen, will das Sehen an sich problematisieren - und die Ontologie des Kunstwerks.
"Meine Aufmerksamkeit ist mehr auf die Frage gerichtet: Warum existiert das Kunstwerk überhaupt? Warum ist es notwendig? Und warum haben wir Spaß daran? Die Botschaften eines Kunstwerks interessieren mich sehr viel weniger. Ich stell mir eher die Frage: warum macht man das? Warum guckt man das an? Und wie? Es geht mir also mehr um das Zeichen als um das Bezeichnete."
Anders gesagt: Das Kunstwerk ist für Paolini etwas Hermetisches, Quasi-Religiöses, Omnipräsentes, das seine Legitimität aus sich selbst bezieht, seine pure Existenz ist Daseinsberechtigung genug. Die wird von Paolini aber auch aus der Kunstgeschichte abgeleitet: in Winterthur zeichnet er, zentralperspektivisch, einen riesigen Renaissance-Raum an die Wand, in dem dann verschiedene Referenzen hängen: "Las Meninas" von Velasquez als verfremdetes Zitat, also der Betrachter selbst, der im Bild erscheint und sich darin spiegelt; dann ein Werk von Albers, eines von Margritte, eines von Giacometti, eines von de Chirico, verschiedene Wahrnehmungsarten der Welt. In einem anderen Raum streut eine Botticelli-Venus Blätter an die Wand.
Mit der Wahrnehmung beschäftigen sich auch Paolinis immer wiederkehrende Requisiten: die Lupe, der leere Rahmen, der Plexiglas-Vorhang, hinter dem Gegenstände der Zauberei und des Zufalls sichtbar sind, ein Zylinder, ein Kartenspiel, eine Roulettescheibe. Oben läuft durch alle Räume ein Fries, der Elemente der zentralen Installation aufnimmt; und Paolini arrangiert entlang dieses Wegweisers einen Parcours, der seine Entwicklung von den 60iger Jahren bis heute reflektiert: "Mimesis", die Verdoppelung eines Kopfes; komplizierte Spiegelungen; eine skulpturale Buchstabensuppe; ein Glossario, ein Wörterbuch, in dem von einem in geometrische Flächen aufgeteilten grauen "Urbild" sich alle anderen Bilder ableiten: die Hand, die zeichnet, das Buch, die Farben.
In einer raumgreifenden Installation wird ein Stuhl in ein stählernes Koordinatennetz eingespannt, und von diesem Standpunkt aus wird mit roten Bindfäden das menschliche Gesichtsfeld simuliert. Vor einem Sessel türmt sich, waagerecht von der Wand auf den Betrachter zuspritzend, eine Flut leerer weißer Leinwände, die leeren Bilder, die auf den Betrachter einstürmen. In Büchern liegen Steine als Lesezeichen. Ein papiergefülltes Aquarium dient als Ideenspeicher. Schließlich der Ausgangspunkt von all dem, das Atelier, lo studio dell’ artista, "the Big Bang": in einer Plexiglasvitrine liegen, im Modell, Staffelei und Weltkugel, drumherum, wie Sterne verteilt, Papierknäuel. Die Explosion, das Aufplatzen plötzlicher Eingebungen.
Dieser luftige Kosmos ist jetzt zwei Monate in Winterthur zu sehen. Dann wird er abgebaut - und anderswo, in anderer Form, wiedererstehen. Das Kunstwerk ist immer schon da.
Der heute 65-jährige Paolini ist dann allerdings einen ganz anderen Weg gegangen, den der konzeptuellen Kunst. Wenn Paolini heute in Winterthur eine "Esposizione Universale" veranstaltet, dann ist das ein speziell für diese kühlen weißen Räume konzipiertes Gesamtkunstwerk. Alle Objekte sind aufeinander bezogen. Im Zentrum steht eine Plexiglas-Skulptur, die Paolini 1992 für den Grand Palais in Paris gebaut und schon einmal für eine Schau in Italien umkomponiert hatte, durchsichtige Sockel und Kuben, auf denen wieder durchsichtige Kuben ausgestellt sind. In Winterthur steht nur noch das vielfach beleuchtete Gerüst, die einzelnen Lamellen der Kuben liegen am Boden. Das offene Werk demontiert sich selbst und schreibt sich fort, und Paolinis Konzept der "Weltausstellung", also einer Gesamtschau des Möglichen, will das Sehen an sich problematisieren - und die Ontologie des Kunstwerks.
"Meine Aufmerksamkeit ist mehr auf die Frage gerichtet: Warum existiert das Kunstwerk überhaupt? Warum ist es notwendig? Und warum haben wir Spaß daran? Die Botschaften eines Kunstwerks interessieren mich sehr viel weniger. Ich stell mir eher die Frage: warum macht man das? Warum guckt man das an? Und wie? Es geht mir also mehr um das Zeichen als um das Bezeichnete."
Anders gesagt: Das Kunstwerk ist für Paolini etwas Hermetisches, Quasi-Religiöses, Omnipräsentes, das seine Legitimität aus sich selbst bezieht, seine pure Existenz ist Daseinsberechtigung genug. Die wird von Paolini aber auch aus der Kunstgeschichte abgeleitet: in Winterthur zeichnet er, zentralperspektivisch, einen riesigen Renaissance-Raum an die Wand, in dem dann verschiedene Referenzen hängen: "Las Meninas" von Velasquez als verfremdetes Zitat, also der Betrachter selbst, der im Bild erscheint und sich darin spiegelt; dann ein Werk von Albers, eines von Margritte, eines von Giacometti, eines von de Chirico, verschiedene Wahrnehmungsarten der Welt. In einem anderen Raum streut eine Botticelli-Venus Blätter an die Wand.
Mit der Wahrnehmung beschäftigen sich auch Paolinis immer wiederkehrende Requisiten: die Lupe, der leere Rahmen, der Plexiglas-Vorhang, hinter dem Gegenstände der Zauberei und des Zufalls sichtbar sind, ein Zylinder, ein Kartenspiel, eine Roulettescheibe. Oben läuft durch alle Räume ein Fries, der Elemente der zentralen Installation aufnimmt; und Paolini arrangiert entlang dieses Wegweisers einen Parcours, der seine Entwicklung von den 60iger Jahren bis heute reflektiert: "Mimesis", die Verdoppelung eines Kopfes; komplizierte Spiegelungen; eine skulpturale Buchstabensuppe; ein Glossario, ein Wörterbuch, in dem von einem in geometrische Flächen aufgeteilten grauen "Urbild" sich alle anderen Bilder ableiten: die Hand, die zeichnet, das Buch, die Farben.
In einer raumgreifenden Installation wird ein Stuhl in ein stählernes Koordinatennetz eingespannt, und von diesem Standpunkt aus wird mit roten Bindfäden das menschliche Gesichtsfeld simuliert. Vor einem Sessel türmt sich, waagerecht von der Wand auf den Betrachter zuspritzend, eine Flut leerer weißer Leinwände, die leeren Bilder, die auf den Betrachter einstürmen. In Büchern liegen Steine als Lesezeichen. Ein papiergefülltes Aquarium dient als Ideenspeicher. Schließlich der Ausgangspunkt von all dem, das Atelier, lo studio dell’ artista, "the Big Bang": in einer Plexiglasvitrine liegen, im Modell, Staffelei und Weltkugel, drumherum, wie Sterne verteilt, Papierknäuel. Die Explosion, das Aufplatzen plötzlicher Eingebungen.
Dieser luftige Kosmos ist jetzt zwei Monate in Winterthur zu sehen. Dann wird er abgebaut - und anderswo, in anderer Form, wiedererstehen. Das Kunstwerk ist immer schon da.