Die Idee klingt gut: man nutzt den pflanzlichen Abfall der Artemisinin-Produktion und macht daraus chemisch noch einmal genauso viel Wirkstoff. Dazu wird ein Beifuß-Extrakt mit Sauerstoff und einem Farbstoff versetzt. Diese Mischung pumpen die Forscher durch einen langen, dünnen Plastikschlauch, der um eine starke Lampe gewickelt ist. Der Farbstoff nimmt die Lichtenergie auf und stößt dann die Bildung von Artemisinin an. Im Labor am Potsdamer Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung funktioniert das ganz wunderbar. Aber noch immer gibt es keine industrielle Produktionsstätte, so Direktor Peter Seeberger.
"Wir arbeiten seit sieben Jahren an dem Prozess und bisher war‘s alles viel zu kompliziert."
Chlorophyll wirkt wie ein Fotokatalysator
Vereinfachen sollten das Verfahren Forscher vom Max-Planck-Institut für die Dynamik komplexer technischer Systeme in Magdeburg. Zuerst versuchten sie, die einzelnen Schritte zu optimieren, doch dann hatte die Chemiedoktorandin Susann Triemer plötzlich eine Idee.
"Wir haben eine Reaktion, die erst aktiviert werden muss. Bisher wurde dazu immer ein Fotokatalysator hinzugegeben. Der Trick ist eigentlich, dass wir von herkömmlichen Methoden zurückgegangen sind zur Natur. Und dort sozusagen das Chlorophyll, was eh schon da ist, was auch schon in der Pflanze genutzt wird, einfach auch im Labor nutzen, um für uns die Reaktion durchzuführen. Also ein sehr, sehr grünen sehr, sehr nachhaltigen Reagenz nutzen, der eh schon da war."
In der Pflanze fängt das Chlorophyll Lichtenergie ein und stellt sie für die Herstellung von Zucker bereit. Eine Aufgabe, die sich durchaus mit der des Farbstoff-Katalysators vergleichen lässt. Statt also die Ausgangskomponenten aufwendig zu reinigen und dann einen giftigen und teuren Farbstoff zuzugeben, ließ Susann Triemer einfach einen Rohextrakt aus der Pflanze durch den Schlauch fließen, komplett mit Chlorophyll und allem möglichen anderen. Zu ihrer Überraschung kam am Ende eine beachtliche Ausbeute an Artemisinin heraus.
"Das heißt, wir können es uns jetzt sparen, die Pflanze aufzureinigen, wir können uns sparen, den teuren und giftigen Farbstoff zuzusetzen, den wir nachher wieder raus ziehen müssen, wir können einfach das Extrakt nehmen und umsetzen. Effizienter, billiger und schneller. Und deswegen sind wir so begeistert."
Schon länger versucht Peter Seeberger, die verbesserte Nutzung des Beifußes auch in größerem Maßstab umzusetzen. Ursprünglich wollte er seinen Schlauchreaktor günstig an Bauern in der Dritten Welt abgeben.
"Ich bin da anfangs sehr naiv rangegangen, wir waren eben technologiegetrieben."
Denn um das gewonnene Artemisinin auch als Medikament zu verkaufen, muss es unter sehr kontrollierten Bedingungen hergestellt werden. Das können nur Firmen leisten, doch die hätten den Vorteil der neuen Methode wohl nur genutzt, um die eigenen Gewinne zu steigern und nicht um das Medikament billiger abzugeben. Deshalb hat Peter Seeberger zusammen mit der Max-Planck-Gesellschaft das Start-up-Unternehmen ArtemiFlow gegründet, das den kompletten Produktionsprozess in einer Hand halten soll.
Neue Artemisinin-Produktion in den USA
Im ländlichen US-Bundesstaat Kentucky wird jetzt eine Artemisinin-Produktion aufgebaut. Den gebeutelten Tabakfarmern dort wird der Beifuß-Anbau eine neue Chance bieten. Organisiert wird das Projekt von Kerry Gilmore vom Potsdamer Max-Planck-Institut.
"Wir haben ein Team da, das den Beifuß Anbau für die Region optimieren soll. Von der Produktionsanlage bis zur Formulierung des eigentlichen Medikaments wird die ganze Wertschöpfungskette in Kentucky im industriellen Maßstab aufgebaut. Die Herstellung sollte noch in diesem Jahr beginnen."
"Das Ziel ist, dass wir innerhalb von drei Jahren 50 Tonnen pro Jahr produzieren, das ist ungefähr 20 bis 25 Prozent des Weltmarktes."
Es gibt schon konkrete Verhandlungen mit verschiedenen Hilfsorganisationen, die das Artemisinin aus der grünen Produktion abnehmen und dann preisgünstig an die Patienten weitergeben wollen. So hofft das Team um Peter Seeberger nicht nur, Leben vor der Malaria zu retten, sondern in Zukunft vielleicht auch Krebs- oder Diabetespatienten zu helfen. Denn auch gegen diese Krankheiten zeigt Artemisinin Wirkung.