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Artenschutz
"Die Bedrohung zieht sich quer durch die Tierwelt"

In Deutschland ist die Zahl der Vogelarten und Insekten in den letzten drei Jahrzehnten dramatisch gesunken. Ein Trend, der sich auch weltweit fortsetzt. Einer der Gründe ist unser Konsum von Luxusgütern, berichtet Daniela Freyer, Wildtier-Expertin bei der Organisation Pro Wildlife.

Daniela Freyer im Gespräch mit Britta Fecke |
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Für viele Wildtiere wird der Lebensraum auf unserem Planeten knapp (picture alliance / ZB | Matthias Toedt)
Britta Fecke: Frau Freyer, wir sprechen am Tag des Artenschutzes 2021. Welche Tierarten sind denn besonders bedroht?
Daniela Freyer: Wir erleben derzeit das größte Massenartensterben seit dem Ende der Dinosaurier-Zeit. Wissenschaftler befürchten, dass rund eine Million Arten in den nächsten Jahrzehnten verschwinden könnten. Die Bedrohung zieht sich quer durch die Tierwelt, von den großen bekannten Landsäugetieren wie Tigern, Löwen, Nashörnern und Elefanten über Marinearten wie von den Haien bis zu den Seepferdchen und den Seegurken bis hin zu den kleineren und unbekannteren Arten wie Reptilien und Amphibien, wirklich quer durch die Tierwelt.
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"Verantwortlich ist oft der Konsum von Luxusgütern"

Fecke: Bei den großen Säugetierarten, die Sie genannt haben, da denke ich vor allem an die Bedrohung durch Jagd. Bei den kleineren maritimen ist es wahrscheinlich was anderes. Was sind die Gründe für den Rückgang der Arten?
Freyer: Neben der Zerstörung der Lebensräume, die wirklich alle Bereiche umfasst, auch an Land und zu Wasser, ist die zweitgrößte Ursache, die Wissenschaftler ausfindig gemacht haben, die direkte Ausbeutung von Tieren und Pflanzen, die ihr Überleben bedroht, tatsächlich für den menschlichen Konsum – sei es für Delikatessen wie zum Beispiel Frösche, die noch immer für Froschschenkel-Verzehr auch hier in der EU gefangen werden, bis hin zur Haltung der Tiere in Aquarien und Terrarien, bis zur Einfuhr von Luxusprodukten, zum Beispiel Felle von Tieren, aber auch Jagdtrophäen von bedrohten Arten wie Elefanten und Nashörnern, die auch immer noch hier importiert werden dürfen. Letztendlich ist für vieles verantwortlich wirklich der menschliche Konsum von Luxusgütern.

Das Washingtoner Artenschutz-Übereinkommen

Fecke: Die Bestimmungen, was die Einfuhr anbelangt, zum Beispiel von Elfenbein, die haben sich doch verschärft.
Freyer: Ja. Man muss sagen, der Tag des Artenschutzes wird auch begangen, anlässlich der Gründung des Washingtoner Artenschutz-Übereinkommens. Das ist das einzige weltweite Abkommen, das den Handel mit bedrohten Tierarten reguliert. Allerdings gibt es da leider immer Lücken. Zum Beispiel ist trotz des strengen Schutzes der Elefanten die Einfuhr von Jagdtrophäen von Elefanten weiterhin erlaubt, oder auch der Handel mit sogenanntem antiken Elfenbein, das schon vor Jahrzehnten eingeführt wurde. Das bietet leider immer noch Schlupflöcher, um auch frisches gewildertes Elfenbein einzuschleusen. Obwohl der Handel international seit 30 Jahren verboten ist, ist er in manchen Ländern leider auch in der EU zum Teil immer noch erlaubt, und das ist etwas, wo sich Pro Wildlife auch stark dafür einsetzt, diesen Handel zu verbieten.

Der Schutz der Lebensräume

Fecke: Neben den Bestimmungen, die besser kontrolliert werden müssten, wie steht es denn um den Schutz der Lebensräume? Was hilft es, wenn ich in irgendeinem Reservat große Elefanten-Bestände habe, aber eigentlich gar keinen Platz mehr für diese Tiere?
Freyer: Ja, dieser Schutz muss natürlich Hand in Hand gehen, wie leider auch die Zerstörung und Ausbeutung derzeit Hand in Hand geht. Es werden ja immer abgelegenere Lebensräume erschlossen, zum großen Teil auch wieder, um Ressourcen abzubauen, sei es in Minen oder auch Holz zur menschlichen Nutzung zu gewinnen. Es wird immer mehr die Infrastruktur ausgebaut. Der Schutz der Lebensräume ist natürlich genauso wichtig und muss tatsächlich mit solchen Handels- und Jagdverboten Hand in Hand gehen.

Tiger-Bestände leicht erhöht

Fecke: Besonders in diesen Zeiten brauchen wir auch positive Nachrichten. Gibt es denn bestimmte Arten oder Bestände, die tatsächlich sich erholen konnten, weil sie geschützt wurden?
Freyer: Das gibt es auch immer wieder. Zum Beispiel die Tiger-Bestände haben sich leicht erhöht, allerdings auf relativ niedrigem Niveau. Es gibt etwas mehr als 3000 Tiger noch weltweit. Das ist schon eine gewisse Zunahme, aber leider weiterhin kein Grund zur Entwarnung.
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