Darren van Hoof: "Das ist ein Tui. Vor 20 Jahren haben wir hier Aufnahmen von Vogelstimmen gemacht und fanden in der ganzen Gegend ganze sechs Tui-Paare. Heute braucht man nur fünf Minuten unterwegs zu sein und man hört sie überall."
Erklärt Darren van Hoof, Ranger im Park "Zealandia", der auf dem Gebiet eines ehemaligen Wasserreservoirs von Wellington abgesteckt wurde. Der Tui ist mit seinem melodiösen Flöten, gefolgt von Klicklauten der Vogel hier, den man am besten wiedererkennt. Dazu kommt sein dunkelgrün schillerndes Gefieder und ein weißer Federbüschel an der Kehle, und dass er sein Futter in Augenhöhe der Menschen sucht.
"Der Tui liebt Flachsblumen und sein Schnabel ist speziell dafür ausgerichtet, in diese leuchtend orangefarbenen Blüten zu gelangen."
Retten, was noch zu retten ist
Der Tui umschwirrt die etwa zwei Meter hohen Flachspflanzen wellenartig und stürzt sich dann herab, um den Nektar aus den Blüten zu saugen. In "Zealandia" leben auch noch andere einheimische Vogelarten wie Kereru, Kaka, Hihi oder Takahe, klangvolle Namen, die ihnen die Maori gaben. Als Polynesier vor rund 800 Jahren aus den Weiten des Pazifik auf die Inselgruppe trafen und sich ansiedelten, waren sie die ersten hier, die ersten "Säugetiere" sogar, denn Neuseeland war viele Millionen Jahre lang isoliert von anderen größeren Landmassen, zu einer Welt der Vögel geworden. Mit der Ankunft von Menschen änderte sich das schlagartig. Seither sind viele Vögel ausgestorben. In "Zealandia" wird seit 20 Jahren versucht, zu retten, was noch übrigblieb, sagt Kathlyn Kelly. Die 58-Jährige arbeitet als Freiwillige in "Zealandia".
"'Zealandia' war das erste Schutzgebiet auf der Nordinsel Neuseelands und wohl eines der ersten in der Welt, die mit einem Zaun umgeben wurden, der räuberische Tiere fernhält. Unsere Fauna entwickelte sich ohne Säugetiere. Mit der Ankunft von Menschen, die Hunde, Katzen und vor allem Ratten mitbrachten, haben viele Vögel und heimische Reptilien nicht überlebt."
Schmale Wege und Brücken führen die Besucher zu zwei Stauseen, durch Moorgebiete, über Wiesen und in den Wald. Der Zaun, der "Zealandia" umgibt, ist fast zwei Meter hoch und so engmaschig, dass nicht mal ein kleiner Finger in die Zwischenräume passt. Aber die allerkleinsten Mäuse schaffen es noch gelegentlich ins Vogelparadies, sagt Kathlyn. Sie kontrolliert regelmäßig diesen acht Kilometer langen Zaun. Würde eine Hauskatze oder ein Fuchs ins Schutzgebiet gelangen, wäre das besonders für den Takahe lebensbedrohlich, denn er kann nicht fliegen.
"Wir sind glücklich, hier in "Zealandia" zwei dieser seltenen türkis-blauen Moorhühner zu haben. Puffin und Hito sind ein Takahe-Brutpaar, das bereits über 20 Jahre alt ist. Sie lebten auf einer isolierten Inselgruppe vor der Küste Neuseelands und wurde hierhergebracht, um in "Zealandia" sozusagen ihren Lebensabend zu verbringen. Sie haben einem jüngeren Brutpaar ihr Revier überlassen."
Schutz von seltenen Vögeln
Das Takehe-Renterpaar Puffin und Hito ist unzertrennlich. Mit ihrem kräftigen roten Schnabel picken sie Samen von Gräsern auf. Trotz ihrer scharfen Krallen sind sie wehrlos gegen eingeschleppte Räuber. Nur noch etwa 250 Takahe gibt es überhaupt. Die meisten leben auf entlegenen Inseln und sind streng geschützt. Takahes brüten auf dem Boden, genau wie ein anderer Vogel: der Kiwi. Neuseeländer identifizieren sich so sehr mit diesem seltsamen Geschöpf, dass sie sich selbst Kiwis nennen, bloß zu Gesicht bekommt man ihn selten. Es gibt drei Unterarten, die wie eine Birne geformt sind. Der braune Kiwi hat ein äußerst feines und dichtes Federkleid. Mit dem langen Schnabel sucht er nachts nach Samen und Beeren auf dem Waldboden. Versteckt in einem Erdloch verschlafen Kiwis den Tag. Wenn man als Tagesbesucher auf einen Knopf drückt, hört man das Kiwi-Paar in "Zealandia" zumindest von einem Tonband rufen.
"Der höhere Vogelruf kommt von einem männlichen Kiwi, der tiefere vom weiblichen Tier. Sie teilen sich ein Territorium und wollen hören, wo der andere gerade ist."
Neuseeland hat nicht nur viele heimische Vögel, sondern auch den Großteil seines Urwalds verloren. Bäume mit exotischen Maori-Namen wie Rata, der zu Weihnachten rot blüht, oder dem bis zu 60 Meter hohen Kahitakea-Baum, der blaue Früchte trägt, sind sehr selten. Im Park "Zealandia" wachsen hauptsächlich Fichten, die den Vögeln wenig Nahrung bieten.
Heimischer Wald soll nachwachsen
Deshalb werden die leuchtend grünen Kakariki-Vögel, die heimische Taube Kereru oder der Glockenvogel mit Zuckerlösungen, die sie selbst aus Flaschen saugen können, gefüttert. Bis heimischer Wald wieder nachwächst, können noch Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte vergehen, sagt Darren van Hoof.
"Ich schätze, es wird noch 500 Jahre dauern, bis wir diese 225 Hektar des Schutzgebietes wieder so hergestellt haben, wie zu der Zeit, ehe Menschen nach Neuseeland kamen. Es wird natürlich unmöglich sein, ausgestorbene Tiere zurückzubringen, wie den riesigen Moa-Laufvogel, oder die anderen 51 Vogelarten, die nicht mehr existieren."
Das Vogelgezwitscher im Informationszentrum von "Zealandia" ist ohrenbetäubend. Es kommt vom Band. Über eine Filmleinwand läuft ein Moa, drei Meter hoch, 270 Kilogramm schwer, mit gefährlichen Krallen, der flugunfähige Riesenlaufvogel, der zur Jagdbeute der Maoris wurde und verschwand. Allerdings kann das heutige "Zealandia" noch mit einem lebenden Fossil aufwarten, einer Echse aus der Zeit des Erdmittelalters vor 200 Millionen Jahren, Tuatara genannt. Alle ihre Verwandten starben mit den Dinosauriern vor 65 Millionen aus.
"Die einzige Spezies, die nach Meinung vieler einem Dinosaurier ähnelt, ist das Tuatara, das wir hier sehen. Diese Brückenechsen waren einst überall auf dem Superkontinent Gondwana zu finden. Gondwana zerfiel in Landmassen wir Indien, Australien oder die Antarktis, von denen jede in eine andere Richtung driftete. Auch Neuseeland gehörte einst zu Gondwana. Während das Tuatara auf allen anderen Landmassen ausstarb, blieb es wegen der isolierten Lage und der fehlenden räuberischen Säugetiere in Neuseeland erhalten."
Außerhalb des Parks lauern Feinde
Etwa 140 Tuatara gibt es noch auf der Welt. Die Echse ist etwa einen halben Meter lang und sieht mit ihrem Drachenkamm auf dem Rücken wirklich urzeitlich aus. Tuataras sind nachtaktiv. Sie leben in "Zealandia" geschützt in einem Waldstück. Wie auch der Neuseeland-Gecko, den die Maori Kakariki tauften. Klein, grün und kaum zwischen den Blättern zu erkennen, klebt er mit seinen winzigen Saugnäpfen an den Füßen an der Glasscheibe eines Terrariums. So abgeschirmt, kann man sie im Park halten, aber draußen lauern ihre Feinde. Deshalb möchte Ranger Darren van Hoof, dass sich alle Bewohner von Wellington von der Schutzidee anstecken lassen.
"Wir wollen eine Stadt ohne räuberische Säugetiere werden. Wir haben hier so seltene Vögel wie beispielsweise den Kaka-Papagei. Alle Vögel außer dem Kiwi und dem Takahe können über unseren Zaun fliegen und draußen gefressen werden. Deshalb soll ganz Wellington zu einem Stück "Zealandia" werden. Nicht im physischen Sinn, denn ein Zaun um die ganze Stadt wäre viel zu teuer, aber eine Stadt ohne schädliche Tiere und Pflanzen. Dann könnten wir sogar wieder Kiwis aussiedeln. Ganz in der Nähe, in Crofton Down haben wir einen Stadtteil, der keine räuberischen Säugetiere mehr hat, der erste in ganz Neuseeland."
Gemeinden engagieren sich für den Artenschutz
Die Gemeinde Crofton Down mit 300 Häusern liegt eingebettet in ein ruhiges Tal am Stadtrand von Wellington mit viel Grün. Die Bewohner haben es geschafft, mit Hilfe von Fallen Ratten und andere Schädlinge aus ihren Gärten zu vertreiben. Hunde und Katzen sollen zur Brutzeit der Vögel angeleint nach draußen gehen oder im Haus bleiben. Es tröpfelt von den Bäumen in einem kleinen Urwald, der deshalb erhalten blieb, weil er an einem Steilhang liegt. Vor kurzem hat sich ein Kaka-Papageienpaar aus dem Schutzgebiet "Zealandia" hier angesiedelt, zur Freude von Naturschützern wie Kelvin Hastie, der mit seiner Familie in Crofton Down lebt.
"Wir haben wirklich Glück hier. Auch die schädlichen Pflanzen haben wir fast ausgerottet und nun siedeln wir hier unsere heimischen wieder an. Das geschieht nun in vielen Gebieten Neuseelands. Die Stadtverwaltung von Wellington stellt uns die Setzlinge umsonst zur Verfügung und unsere Gemeindemitglieder pflanzen sie aus. Es ist eine Sache der Zusammenarbeit aller, damit unser heimischer Wald und unsere Vögel überleben."
Mittlerweile gibt es sieben Schutzgebiete in Stadtnähe, die sich wie "Zealandia" über ihre Grenzen bis in die Wohngebiete ausbreiten und so ein Stück Neuseeland schaffen, das ein bisschen wieder so wie früher aussieht, ehe eingewanderte Arten die Flora und Fauna der Inselgruppe veränderten.