Georg Ehring: Rund ein Drittel der Tier- und Pflanzenarten in Deutschland ist entweder in ihrem Bestand gefährdet oder bereits ausgestorben beziehungsweise verschollen. Das geht aus den Daten zur Natur hervor, die das Bundesumweltministerium gestern zusammen mit dem Bundesamt für Naturschutz herausgegeben hat. Trotz einzelner Erfolge beim Artenschutz, etwa von Fischottern, Wölfen oder Bibern, zeigen wichtige Indikatoren für den Zustand der Natur in Deutschland nach unten. Was dagegen zu tun ist, darüber möchte ich jetzt mit Olaf Tschimpke sprechen. Er ist Präsident des Naturschutzbundes Nabu. Guten Tag, Herr Tschimpke.
Olaf Tschimpke: Hallo! Schönen guten Tag!
Ehring: Herr Tschimpke, auf den ersten Blick sieht die Natur vielfältig aus wie eh und je. Hat sich die Lage in den vergangenen Jahren wirklich verschlechtert?
Tschimpke: Es gibt einige positive Signale. Das liegt im Wesentlichen daran, dass wir jetzt große Schutzgebietsnetze haben wie "Natura 2000", die ja durch die EU-Vogelschutzrichtlinie und die EU-Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie eingerichtet worden sind. Wir haben aber auch viele Regionen, wo es deutlich schlechter geworden ist. Es gibt ja keine Flächenstilllegung mehr, wir haben den Druck im Bereich der Landschaften insbesondere durch das Thema Vermeidung der Landschaft, also dass jetzt Mais für Biogasanlagen angebaut wird, und da haben sich viele Landschaften in Deutschland schon massiv verändert. Gleichzeitig haben wir noch den Verlust an Grünlandflächen in Deutschland. Wie Sie wissen, werden ja Kühe heute nicht mehr auf der Weide gehalten, sondern in Ställen, und das Grünland geht an vielen Stellen doch massiv verloren und alle Arten, die darauf angewiesen sind, die bodenbrütenden Vogelarten zum Beispiel, haben herbe Verluste und geraten immer mehr auf die Rote Liste.
Ehring: Das heißt, die Landwirtschaft ist für Sie der Hauptfaktor bei der Verschlechterung der Natur? Verstehe ich das richtig?
Tschimpke: Es gibt zwei wesentliche Faktoren. Einmal ist das Thema Verkehr und Zerschneidung und der Flächenverbrauch ein wichtiger Faktor, und der zweite wichtige und zentrale Faktor ist die Landnutzung, und hier spielt die Landwirtschaft eine ganz entscheidende Rolle.
Ehring: Sehen Sie für diesen Bereich einen Lösungsansatz? Was müsste getan werden?
Tschimpke: Wir stehen ja kurz davor, dass die EU eine neue Agrarreform verabschiedet, und hier müssten doch dringende Veränderungen vorgenommen werden. Insbesondere müssen wir zu einem Biotopverbund kommen. Es muss überall in Deutschland auch Flächen geben, die naturnah, naturverträglich sind und die nicht intensiv bewirtschaftet werden, wo man also auf Pflanzenschutzmittel und intensive Düngung verzichtet. Gerade die Sonderstandorte sind ja durch den Klimawandel insbesondere auch ganz besonders gefährdet. Sonderstandorte sind Moore, Grünland, aber auch naturnahe Wälder.
Ehring: Bundesumweltminister Peter Altmaier hat gestern den Ausbau erneuerbarer Energien in den Mittelpunkt gestellt: Windräder im Wald, neue Stromnetze. Wirtschaftsminister Philipp Rösler will dafür ja sogar das Naturschutzrecht vorübergehend außer Kraft setzen. Wie kann denn der Naturschutz beim Ausbau der erneuerbaren Energien beachtet werden?
Tschimpke: Das ist keine einfache Frage. Es geht im Wesentlichen darum, dass man sich vernünftig auf regional planerische Konzepte einlässt und keinen Wildwuchs zulässt. Da gehören die Vogelflutrouten dazu, die man beachten muss, es gehören die Wanderrouten der Fledermäuse dazu, die man beachten muss, und eine ordentliche vernünftige Regionalplanung kann es dann auch ermöglichen, dass man zum Beispiel die zwei Prozent Landesfläche, die man für die Windenergie vorgesehen hat, auch erzielen kann. Dabei gilt es aber, erst einmal die Ansprüche, die der Naturschutz hat, also die Tier- und Pflanzenarten haben, auch zu akzeptieren als Anspruch, und da sehe ich doch große Schwierigkeiten. Sie sehen ja, was Minister Rösler dort immer äußert, der will immer zu allererst Naturschutzstandards opfern, um dann den Ausbau der Erneuerbaren voranzutreiben. Das halte ich für völlig falsch, sondern das muss vernünftig austariert werden.
Ehring: Zurückhaltung bei der Windenergie im Wald, ist das möglicherweise auch ein Versuch, die Energiewende ein bisschen zu bremsen?
Tschimpke: Das sehe ich so nicht. Im Wald kommt es ja sehr darauf an, um was für einen Wald es sich handelt, ob es sich um Fichten-Monokulturen handelt, oder ob es sich um naturnahe Wälder handelt. Darauf muss man da achten: Ist tatsächlich dort biologische Vielfalt, sind dort viele Tier- und Pflanzenarten angesiedelt in diesem Wald, oder sind sie das nicht? Und wenn man das beachtet, so wird sich immer noch auch ein Potenzial an Waldflächen ergeben, wo man auch Windenergie zulassen kann. Aber für Schutzgebiete gilt das natürlich weitestgehend nicht. Sie sind ja Schutzgebiete, weil sie ein besonderes Inventar auch an Tier- und Pflanzenarten haben.
Ehring: Olaf Tschimpke, der Präsident des Naturschutzbundes, war das über den Zustand der Natur in Deutschland. Herzlichen Dank für dieses Gespräch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Olaf Tschimpke: Hallo! Schönen guten Tag!
Ehring: Herr Tschimpke, auf den ersten Blick sieht die Natur vielfältig aus wie eh und je. Hat sich die Lage in den vergangenen Jahren wirklich verschlechtert?
Tschimpke: Es gibt einige positive Signale. Das liegt im Wesentlichen daran, dass wir jetzt große Schutzgebietsnetze haben wie "Natura 2000", die ja durch die EU-Vogelschutzrichtlinie und die EU-Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie eingerichtet worden sind. Wir haben aber auch viele Regionen, wo es deutlich schlechter geworden ist. Es gibt ja keine Flächenstilllegung mehr, wir haben den Druck im Bereich der Landschaften insbesondere durch das Thema Vermeidung der Landschaft, also dass jetzt Mais für Biogasanlagen angebaut wird, und da haben sich viele Landschaften in Deutschland schon massiv verändert. Gleichzeitig haben wir noch den Verlust an Grünlandflächen in Deutschland. Wie Sie wissen, werden ja Kühe heute nicht mehr auf der Weide gehalten, sondern in Ställen, und das Grünland geht an vielen Stellen doch massiv verloren und alle Arten, die darauf angewiesen sind, die bodenbrütenden Vogelarten zum Beispiel, haben herbe Verluste und geraten immer mehr auf die Rote Liste.
Ehring: Das heißt, die Landwirtschaft ist für Sie der Hauptfaktor bei der Verschlechterung der Natur? Verstehe ich das richtig?
Tschimpke: Es gibt zwei wesentliche Faktoren. Einmal ist das Thema Verkehr und Zerschneidung und der Flächenverbrauch ein wichtiger Faktor, und der zweite wichtige und zentrale Faktor ist die Landnutzung, und hier spielt die Landwirtschaft eine ganz entscheidende Rolle.
Ehring: Sehen Sie für diesen Bereich einen Lösungsansatz? Was müsste getan werden?
Tschimpke: Wir stehen ja kurz davor, dass die EU eine neue Agrarreform verabschiedet, und hier müssten doch dringende Veränderungen vorgenommen werden. Insbesondere müssen wir zu einem Biotopverbund kommen. Es muss überall in Deutschland auch Flächen geben, die naturnah, naturverträglich sind und die nicht intensiv bewirtschaftet werden, wo man also auf Pflanzenschutzmittel und intensive Düngung verzichtet. Gerade die Sonderstandorte sind ja durch den Klimawandel insbesondere auch ganz besonders gefährdet. Sonderstandorte sind Moore, Grünland, aber auch naturnahe Wälder.
Ehring: Bundesumweltminister Peter Altmaier hat gestern den Ausbau erneuerbarer Energien in den Mittelpunkt gestellt: Windräder im Wald, neue Stromnetze. Wirtschaftsminister Philipp Rösler will dafür ja sogar das Naturschutzrecht vorübergehend außer Kraft setzen. Wie kann denn der Naturschutz beim Ausbau der erneuerbaren Energien beachtet werden?
Tschimpke: Das ist keine einfache Frage. Es geht im Wesentlichen darum, dass man sich vernünftig auf regional planerische Konzepte einlässt und keinen Wildwuchs zulässt. Da gehören die Vogelflutrouten dazu, die man beachten muss, es gehören die Wanderrouten der Fledermäuse dazu, die man beachten muss, und eine ordentliche vernünftige Regionalplanung kann es dann auch ermöglichen, dass man zum Beispiel die zwei Prozent Landesfläche, die man für die Windenergie vorgesehen hat, auch erzielen kann. Dabei gilt es aber, erst einmal die Ansprüche, die der Naturschutz hat, also die Tier- und Pflanzenarten haben, auch zu akzeptieren als Anspruch, und da sehe ich doch große Schwierigkeiten. Sie sehen ja, was Minister Rösler dort immer äußert, der will immer zu allererst Naturschutzstandards opfern, um dann den Ausbau der Erneuerbaren voranzutreiben. Das halte ich für völlig falsch, sondern das muss vernünftig austariert werden.
Ehring: Zurückhaltung bei der Windenergie im Wald, ist das möglicherweise auch ein Versuch, die Energiewende ein bisschen zu bremsen?
Tschimpke: Das sehe ich so nicht. Im Wald kommt es ja sehr darauf an, um was für einen Wald es sich handelt, ob es sich um Fichten-Monokulturen handelt, oder ob es sich um naturnahe Wälder handelt. Darauf muss man da achten: Ist tatsächlich dort biologische Vielfalt, sind dort viele Tier- und Pflanzenarten angesiedelt in diesem Wald, oder sind sie das nicht? Und wenn man das beachtet, so wird sich immer noch auch ein Potenzial an Waldflächen ergeben, wo man auch Windenergie zulassen kann. Aber für Schutzgebiete gilt das natürlich weitestgehend nicht. Sie sind ja Schutzgebiete, weil sie ein besonderes Inventar auch an Tier- und Pflanzenarten haben.
Ehring: Olaf Tschimpke, der Präsident des Naturschutzbundes, war das über den Zustand der Natur in Deutschland. Herzlichen Dank für dieses Gespräch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.