"Aber los, sehen Sie, wie genervt die langsam weiter gehen, die denken: Was will der von uns? Wir wollen hier fressen, wollen nicht laufen."
Kühe haben ihren eigenen Willen, das erfährt der Brandenburger Milchbauer Arnold Blum Tag für Tag, wenn er seine Herde zum Melken in den Stall und wieder zurücktreibt. Zwei Stunden verbringen er oder seine Frau damit, eine Mühe, die die meisten Milchviehhalter heute scheuen. Die Blums haben mehr Arbeit, aber sie sparen auch Geld: für Kraftfutter, Tierarzt und Antibiotika. Denn Weidetiere sind deutlich gesünder, erklärt Martina Blum:
"Weil wir die Tiere nicht auspowern, um eine hohe Milchleistung zu haben. Das Tier kriegt eine kleine Kraftfutterration, um sie rein zu locken in den Stall, dann kriegen sie ausreichend Grünfutter und damit sind die Tiere zufrieden."
Zufriedene Tiere, das wünschen sich auch viele Verbraucher in Deutschland, die für Weidemilch rund 20 Cent mehr auf den Tresen legen als für die normale Vollmilch. Das lohne sich auch noch für die eigene Gesundheit, werben die Anbieter, schließlich enthält Weidemilch beispielsweise nachweislich mehr Omega3-Fettsäuren.
Label "Pro Weideland"
Doch wofür steht der Begriff "Weidemilch"? Vertrauenswürdige Regeln mit klaren Standards liefert seit Ende April das Label "Pro Weideland – deutsche Weidecharta", das eine grasende schwarz-gefleckte Kuh im grünen Kreis zeigt. Mindestens 120 Tage im Jahr müssen die Tiere mindestens sechs Stunden auf der Weide sein, sie brauchen ganzjährige Bewegungsfreiheit, auch im Stall, außerdem gentechnikfreies Futter.
Milch mit der Aufschrift "Weidemilch" steht schon länger in vielen Supermärkten im Regal – häufig in durchsichtigen PET-Flaschen und meistens ohne ein entsprechendes Label. Auch hier verspricht der Anbieter, die Tiere seien mindestens 120 Tage im Jahr sechs Stunden auf der Weide – was durch eine unabhängige Kontrollorganisation überprüft werde. Ein guter Anfang, findet Thomas Schröder vom Deutschen Tierschutzbund.
"Für alle, die an der Milchkuh beteiligt sind, muss das Ziel sein, dass die Kuh auf die Weide kann. Deswegen ist ein Projekt wie 'Weidemilch' grundsätzlich zu begrüßen, weil es die Zielrichtung vorgibt."
Wie beim Label "Pro Weideland – deutsche Weidecharta", das vom niedersächsischen Landwirtschaftsministerium gefördert wurde. Weil sie sich zertifizieren und kontrollieren lassen, erhalten die Landwirte dann fünf Cent mehr pro Liter. Die Milch ist bisher vor allem in Norddeutschland erhältlich, zum Beispiel beim Discounter Lidl.
"Es ist politisch der richtige Weg, die Landwirte zu fördern, die die Tiere auf die Weide lassen",
sagt der Tierschützer Thomas Schröder,
"Aber wir müssen dabei auch diskutieren, wie wir in den Haltungssystemen Veränderungen durchführen. Denn wenn die Tiere 120 Tage auf der Weide sind, sind sie 230 Tage im Stall. Also braucht es auch bei der Stallgestaltung Lösungen, die das Tier in guten Umständen halten lässt."
Forderung nach mehr artgerechter Stallgestaltung
Zum Beispiel mit der richtigen Bodenbeschaffenheit, die die Klauen schont und Stroh in den Liegeboxen. Schon länger fordern Tierschützer, die Milchviehhaltung in Deutschland gesetzlich zu regeln und insbesondere die Anbindehaltung zu verbieten. Im Moment könne das jeder Landwirt weitgehend so gestalten, wie er es für richtig hält, kritisiert Thomas Schröder. Außerdem:
"Die zweite scharfe Grundkritik ist, dass wir ein System in der Milchkuhhaltung erleben, das ständig auf mehr Milchmenge ausgerichtet wurde, auf immer intensivere Tierhaltung und zu wenig dabei das Tierwohl im Blick behalten wurde.
Die Milchkuh von heute lebt durchschnittlich 4,9 Jahre nur noch, dann ist sie kaputt, weil die Gelenke über die Jahre das hohe Milchgewicht nicht mehr tragen können. Die Milchmenge ist um die 10.000 Liter pro Jahr, eine frühere Kuh unter natürlichen Verhältnissen hat vielleicht davon ein Viertel an Milch gegeben."
Label "Für mehr Tierschutz"
Hochleistungskühe leiden daher häufig unter Euterentzündungen und Fruchtbarkeitsstörungen, die wichtigsten Gründe für die frühe Schlachtung. Unhaltbare Zustände, findet der Deutsche Tierschutzbund. Sein Label "Für mehr Tierschutz" betreibt der Verein schon länger für Schweine-, Hühnerfleisch und Eier. Seit diesem Jahr werden auch Milchprodukte mit dem hellblauen Abzeichen mit den zwei Sternen zertifiziert. Ist nur einer der Sterne gelb, handelt es sich um die sogenannte Einstiegsstufe, in der Premiumstufe sind beide Sterne gelb.
Die Standards des Tierschutzbund-Labels gehen in einzelnen Bereichen über die des niedersächsischen Weidemilch-Siegels hinaus. Zum Beispiel ist - wie bei Biomilch - viel Platz im Stall Vorschrift, und für die Enthornung müssen die Tiere betäubt werden. Der verpflichtende Weidegang hingegen kommt aber erst in der Premiumstufe – also gekennzeichnet durch zwei Sterne - dazu.
"Wir haben jetzt im Januar die Verträge unterzeichnet mit der Molkerei Bechtel, die für Lidl Milch produziert, das trifft dann Bayern. Dort wird jetzt ab Sommer 'Das gute Stück Bayern', eine Eigenmarke von Lidl, mit der Premiumstufe des Tierschutzlabels aufgewertet und ins Sortiment geholt für den Verbraucher."
Mehr Tierschutz auch bald bei Aldi
Außerdem verhandelt der Tierschutzbund schon länger mit Aldi Nord und Aldi Süd. Konkret werden 100 Betriebe für die Zertifizierung gesucht, ab Sommer sollen die ersten Milchpackungen mit einem oder zwei gelben Sternen in vielen Regionen bundesweit im Handel erhältlich sein.