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Artgerechte Tierhaltung
Weniger Stress auf dem Weg zum Schlachthof

Immer mehr deutsche Klein-Rinderzüchter lassen ihre Tiere auf dem eigenen Hof schlachten - nicht zuletzt um ihnen den Stress des Transports zum Schlachthof zu ersparen. Zentral dabei: der Einsatz mobiler Schlachtanlagen.

Von Kai Rüsberg |
Ein Rind steckt in der Durchtriebfalle einer mobilen Schlachteinheit. Die neue, in Hessen entwickelte Methode erlaubt die Schlachtung von Rindern ohne Tiertransporte und damit ohne zusätzlichen Stress für die Tiere.
Rinder nicht nur stressfrei halten, sondern auch schlachten - das ist das Ziel der Kleinbetriebe, die mit mobilen Anlagen experimentieren (picture alliance / dpa / Uwe Zucchi)
Auf dem Hof Hinnebecke bei Wetter im südlichen Ruhrgebiet steht der Kuhstall gleich neben dem modernen Einfamilienhaus der Landwirte.
Iris Reschop muß erst noch mal durchzählen, wie viele Tiere sie zur Zeit hat:
Eins, zwei, drei ... wir haben 13 Rinder."
Sechs von ihnen stehen schon in der Nachbarschaft auf der Weide, die übrigen sieben im Stall. Sie bekommen noch Heu vom letzten Jahr, weil das frische Grün der Wiesen nach der Trockenheit noch nicht für alle ausreicht. Iris Reschop kauft ausschließlich weibliche Kälber im Hunsrück ein und zieht sie ein Jahr groß, bis sie schlachtreif sind.
"Das sind Kreuzungsrinder, in denen mal mehr mal weniger die französische Fleischrinderrasse Charolais steckt, weil die sollen ja keine Milch geben, sondern dass schöne große Fleischstücke drankommen, die sollen also schön bemuskelt sein. Kreuzung deshalb, weil reinrassige Tiere zu teuer sind."
Kunden bestellen vor jeder Schlachtung ihren Anteil
Geschlachtet wird in einem Landschlachthof im bergischen Land, der einige Kilometer entfernt liegt. Bei jeder Schlachtung sind es jeweils zwei Rinder, weil der Hänger und die Kühlung nicht mehr Platz bieten. Dafür hat sie sich einen festen Stamm von Kunden aufgebaut, die vorab bestellen und fest zusagen müssen. Zerlegt wird das Fleisch auf dem eigenen Hof von einem Metzger. Geliefert wird dann eine vorgeschnittene und zusammengestellte Mischung zum Einfrieren. Auswählen kann man: Ein Viertel, ein Achtel oder Sechszehntel vom Rind. Rosinenpicken, wie das Bestellen nur der edlen Fleischstücke, ist ausgeschlossen.
"Also, wir verkaufen ja auch nur komplette Pakete. Man kann bei uns nicht nur ein paar Rouladen kaufen, sondern es wird das ganze Tier verwertet."
Den Rindern den Stress des Transports ersparen
Hans-Jürgen Müller hat die artgerechte Haltung allein nicht ausgereicht. Er wollte nicht die Rinder von seinem Hof in der Wetterau in Hessen per Tiertransport erst zum Landschlachter fahren müssen:
"Für uns war die ganze Zeit in der Tierhaltung ganz wichtig, dass die Tiere stressfrei gehalten werden, dass sie einen möglichst tiergerechtes, also ihrer Art entsprechendes Leben führen können auf der Weide, sie gut behandelt werden. Und dieses Aufladen und der Transport zum Schlachthof - wir gesehen, dass das ein großer Stress für die Tiere war und das wollten wir vermeiden."
Auf dem Hof getötet, beim Schlachter ausgeblutet
Neben dem Tierschutz ging es der Erzeugergemeinschaft, der er sich angeschlossen hatte, auch um die Fleischqualität. Doch in Europa gibt es strenge Vorschriften, die ein Schlachten von Nutztieren praktisch ausschließlich in einem EU-zertifizierten Schlachtbetrieb zulassen. Hans-Jürgen Müller:
"Schlachtraum ausrüsten ist aufwendig, sie brauchen einen relativ großen Raum, der eine bestimmte Höhe haben muss, sie müssen einen Kühlraum haben brauchen Maschinen, also wir hätten wir hätten sicherlich 100.000 Euro investieren müssen."
So gründete er mit Kollegen das Projekt Extrawurst. In langen Verhandlungen mit dem Veterinäramt wurde ein Schlachtanhänger und ein Fixierstand entwickelt. Das Rind wird so im gewohnten Umfeld auf dem Hof mit Bolzenschuss betäubt, in den Hänger gezogen und zum Ausbluten und Ausnehmen in den Schlachtbetrieb gefahren. Hans-Jürgen Müller:
"Wir sind jetzt den Weg gegangen in unserem Projekt, dass wir diesen Schlachtprozess in zwei Teile zerlegt haben: In Betäuben und Entbluten, das eigentliche Töten des Tieres und der zweite Teil findet dann bei einem Metzger statt, der schon entsprechend ausgerüstet ist und dadurch haben wir dem Tier das Verladen und den Transporter erspart."
Immer mehr Projekte mit mobilen Schlachtanlagen
Doch ein Projekt wie Extrawurst kann sich nur in einer Nische halten – das Fleisch ist auch teurer als günstige Sonderangebote im Supermarkt.
Billigfleisch: Hackfleisch aus dem Supermarkt in einer Plastikverpackung steht in einem Kühlschrank zwiachen anderen Lebensmittelverpackungen.
Diskussion um zu billiges Fleisch
Zwei Politiker fordern, dass die Mehrwertsteuer auf Fleisch auf 19 Prozent erhöht wird. Dagegen gibt es Widerstand – und es steht auch zur Diskussion, ob das reicht, um den Konsum zu bremsen.
Zur Zeit experimentieren etwa zehn Projekte mit mobilen Schlachtanlagen in Deutschland, so der Verband der Betriebe mit handwerklicher Fleischverarbeitung. Er schätzt aber, dass es in Deutschland mehrere Tausend Landwirte gibt, die den Tieren den Stress beim Transport und vor allem beim Ausladen im Schlachthof ersparen wollen.