Arthur Honegger - Pacific 231 u.a.
...mit Ludwig Rink am Mikrofon. Herzlich willkommen zu einer kleinen Rundschau durch Neuerscheinungen mit sinfonischer Musik unseres Jahrhunderts, die mit Weihnachten in keinem direkten Zusammenhang steht, die es aber vielleicht wert ist, an einem solchen Feiertag einmal in Ruhe entdeckt oder wiederentdeckt zu werden. Da ist zunächst Arthur Honegger, ein Franzose deutsch-schweizerischer Abstammung. Obwohl er 1920 von der französischen Musikkritik zur "Groupe des Six" gezählt wurde, unterschied sich sein Denken in mindestens zwei Punkten deutlich vom ästhetischen Manifest dieser Musikergruppe, das Jean Cocteau formuliert hatte: erstens machte sich Honegger die strikte Ablehnung der von deutschen und österreichischen Musikern geprägten Musiktradition des 19. Jahrhunderts nie zu eigen, zweitens wollte er nicht für Jahrmarkt oder Music-Hall, sondern, auch hier eher in der Tradition stehend, Kammermusik und Sinfonik "in ihrer ganzen Schwere und Strenge" schreiben. Eine neue CD der Firma Decca mit dem Tonhalle-Orchester Zürich unter der Leitung von David Zinman dokumentiert den Weg Honeggers zur Sinfonie: mit der Sinfonischen Dichtung "Sommerpastorale" von 1920, mit drei sinfonischen Einzelsätzen von 1923, 28 und 33 und schließlich mit der 2. Sinfonie, die erst 1941 fertig wurde. Mouvement symphonique Nr. 1 trägt den Titel "Pacific 231" und ist die musikalische Beschreibung einer Hochleistungslokomotive; das zweite Stück erschien unter der Überschrift "Rugby" und hat mit der englischen Sportart zu tun. Doch ähnlich schon wie seine Komponisten-Kollegen des 19. Jahrhunderts wehrte sich Honegger dagegen, dass diese Musik rein deskriptiv als Programm-Musik gehört wurde. Er pochte auf ihrem absoluten Wert und wies wiederholt darauf hin, dass es ihm bei "Pacific 231" um die Verwirklichung einer abstrakten mathematischen Idee ging und es sich bei genauerem Hinsehen um so etwas wie einen großen, variierten Choral handele, durchzogen von Kontrapunkten in der Art Johann Sebastian Bachs. Und zum nun ausschnittweise erklingenden "Rugby"-Satz sagt er wörtlich: "Nicht irgendeine Phase des Rugby-Matches will ich versuchen, sinfonisch wiederzugeben, und es wäre falsch, in meinem Stück Programm-Musik zu suchen. Ich möchte ganz einfach in meiner Sprache als Musiker Spiel und Gegenspiel, Rhythmus und Farbe eines Matches ausdrücken..." * Musikbeispiel: Arthur Honegger - aus: "Rugby" Mit solcher Musik, die die moderne Welt von Technik und Sport in die Kunst hinüberholte, traf Honegger den Nerv der Zeit - entsprechend erfolgreich waren seine Stücke "Pacific 231" und "Rugby". In der Machart jedoch, im formalen Aufbau und im Umgang mit dem Klang-Material steht diese Musik noch weitgehend auf dem Boden der Tradition, vergleichbar vielleicht einer Malerei, die zwar die klassische Themenpalette Landschaft, Akt und Stilleben mit modernen Themen anreichert, die Darstellung des Neuen aber noch weitgehend mit den alten Ausdrucksmöglichkeiten versucht.