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ArtWiki statt Wikipedia

Die Online-Enzyklopädie Wikipedia ist auf dem Gebiet der zeitgenössischen Kunst nicht besonders gut aufgestellt. Bessere Recherchemöglichkeiten soll das neue Portal ArtWiki bieten. Im Gegensatz zum großen Bruder Wikipedia wird es ausschließlich von den Künstlern selbst bestückt.

Von Oliver Kranz |
    ArtWiki macht Suchanfragen möglich, die man im normalen Internet kaum beantwortet bekommt. Man kann auf der neuen Plattform nämlich nicht nur nach Herkunft und Wohnort suchen, sondern auch nach Arbeitsweisen, Alter, Geschlecht und sogar politischen Haltungen der Künstler.

    "Das Problem bei den Sachen, die auf Google stehen, ist oft, dass sie nicht klassifiziert sind und dadurch nur über statistische Abfragen zu finden sind"," sagt der Berliner Medienaktivist Pit Schultz, der zu den Gestaltern von ArtWiki gehört. Das neue Lexikon basiert auf Schlagworten, die jeder Künstler selbst festlegen kann. Wer beispielsweise auf den Menüpunkt "Künstler" und dann auf "politische Ausrichtung" klickt, bekommt mehr als 100 Kategorien angeboten:
    ""Links, rechts, unpolitisch, feministisch, anarchistisch, humanistisch, grün, demokratisch, liberal, kapitalistisch, anti-kapitalistisch, anti-kommunistisch, pluralistisch."
    Da die Künstler die Kategorien selbst bestimmen dürfen, ist die Liste lang und teilweise auch unverständlich. Was unter Schlagworten wie "global", "subversiv" oder "links mit Ecken und Kanten" gemeint ist, wissen nur die, die sie eingegeben haben.

    "Das Prinzip nennt sich 'folksonomy'. Also eine Bibliothek, die von den Nutzern selber gestaltet wird. Das ist im Vergleich zu Systemen, wo der Bibliothekar die Begriffe alle definiert, ein bisschen chaotischer, aber eben auch demokratischer."
    ArtWiki überträgt die Prinzipien von Wikipedia auf die Kunstwelt. Es wird mit offener Software gearbeitet, die Daten können kopiert und in andere Publikationen eingebaut werden. Im Gegensatz zu Wikipedia darf aber nicht jeder die Einträge editieren. So weit geht die Demokratie dann doch nicht. Die Künstler sollen die Kontrolle darüber behalten, was man über sie lesen kann. Auf keinen Fall – so Pit Schultz – sollen Künstler nach ihrem Marktwert geordnet werden:
    "Es gibt auch Plattformen, die dieses Ranking vorantreiben. Das ist etwas, was wir keinen Fall tun. Es geht eher darum, wer wo wie ausgestellt hat. Das wird das Reputationssystem ausmachen."
    ArtWiki ist antikommerziell, es soll der Kommunikation dienen. Künstler können neben biografischen Informationen auch Fotos ihrer Werke hochgeladen. Außerdem werden sie gebeten, ein politisches und ein künstlerisches Statement abzugeben:
    "Das war die Idee von Arthur Żmijewski, dass er eben gesagt hat, dass der Künstler auch ein politisches Wesen ist und dass normalerweise immer nur das künstlerische Statement in die Biografie reinkommt. Kunst und Politik sind nicht identisch - trotzdem gehört es zusammen."
    Arthur Żmijewski ist Kurator der Berlin Biennale und hat ArtWiki mitinitiiert. Künstler, die sich bei der Biennale bewerben, können sich in der Künstlerdatenbank eintragen. Politische Statements haben bisher aber nur wenige abgegeben. Die meisten äußern sich zurückhaltend:

    "Lieber Künstler, versuche nicht, politisch zu sein. Sei einfach", steht auf der ArtWiki-Seite von Matthias Fritsch.

    "Ich betrachte alles, was ich mache als anti-politisch"," schreibt der italienische Bildhauer Alberto Scodro. Und auch das ist auf ArtWiki möglich. Die Plattform will zwar ein Bewusstsein für die politische Wirkung von Kunst schaffen, aber nicht zur eindeutigen Positionierung zwingen. Gut 2000 Künstler haben sich bisher eingetragen. Das ist mit Blick auf die Mitgliederzahl anderer Plattformen nicht überragend, aber das Projekt steckt auch noch in den Kinderschuhen. Um sicherzustellen, dass sich wirklich nur Künstler aufgenommen werden, prüfen die Kuratoren der Berlin Biennale jeden einzelnen Antrag.
    Schultz: ""Es ist eine schwierige Frage, wie definiert man: Wer ist Künstler, wer nicht? Es gibt Vereine, die das so definieren, dass man eine Ausbildung haben muss. Wir definieren das so, dass man zumindest ein paar Ausstellungen gehabt haben muss. Man muss seine Kunst schon mal gezeigt haben, und zwar außerhalb des Netzes, damit man sie im Netz dann auch zeigen kann."
    Eine restriktive Regel, die aber sicherstellen soll, dass die Plattform nicht mit kunstfremden Einträgen überschwemmt wird. Irgendwann soll ArtWiki mal ans Mutterschiff Wikipedia andocken - das weltweit größte Internetlexikon ist auf dem Gebiet der zeitgenössischen Kunst nämlich nicht besonders stark. Doch das ist noch Zukunftsmusik. Vorerst ist ArtWiki noch in der Aufbauphase.
    ArtWiki – ein neues Internetlexikon für zeitgenössische Kunst, das am 27.4. online geht – mehr unter: ArtWiki.org