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Arzneimittelforschung
Wirkverstärker gegen Tuberkulose

Tuberkelbazillen sind höchst effektiv bei der Abwehr von schädlichen Substanzen. Viele Erregerstämme sind inzwischen gleich gegen mehrere Antibiotika resistent. Aber Pharmazeuten haben ein Mittel gefunden, mit dem sich die Schlagkraft eines gängigen Tuberkulose-Medikaments wieder verstärken ließe.

Von Joachim Budde |
    Computer-Illustration von Tuberkulose-Bakterien
    Tuberkulose-Bakterien pumpen für sie schädliche Substanzen wie Antibiotika aktiv aus dem Zellinneren heraus (imago/Science Photo Library)
    Tuberkulose ist immer knifflig zu therapieren, denn der Erreger der Krankheit, das Mycobacterium tuberculosis, verfügt über eine dicke säurebeständige Hülle. Medikamente gelangen nur schlecht hindurch. Vor kurzem haben Forscher neben dieser Schutzhülle einen weiteren Mechanismus entdeckt, mit dem sich die Bakterien gegen Arzneien zur Wehr setzen, sagt Professor Andreas Hilgeroth von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
    "Das Bakterium verfügt auch über eine Eigenschaft, die man bei anderen Bakterien schon länger kennt: über Proteine, die in der Lage sind, Wirkstoffe aus den Bakterien nach außen zu schleusen."
    Arznei-Abwehrpumpen in Bakterien und Krebszellen
    Diese sogenannten P-Glykoproteine funktionieren wie Abwasserpumpen. Solche Transport-Proteine kennen Pharmazeuten von anderen Bakterien – zum Beispiel vom Krankenhauskeim Staphylococcus aureus –, aber auch von menschlichen Zellen: In Tumoren etwa schleusen Krebszellen mit ihrer Hilfe Chemotherapeutika nach draußen. Durch solche Mechanismen entstehen Resistenzen gegen Medikamente. Andreas Hilgeroth arbeitet mit sogenannten Hydropyridinen, die genau diese Transport-Proteine in Krebszellen hemmen können.
    "Dann haben wir uns gefragt: Wäre es theoretisch möglich, dass auch Transportproteine beim Mycobacterium tuberculosis davon beeinflusst werden könnten?"
    Denn wenn das so wäre, könnten die Hydropyridine dazu beitragen, dass gängige Tuberkulose-Medikamente besser wirken. Aktuell stehen vier Wirkstoffe zur Verfügung, um den Erreger zu bekämpfen. Sie heißen Pyrazinamid, Rifampicin, Ethambutol und Isoniazid. Darüber hinaus existieren lediglich Mittel, die als Reserveantibiotika dienen sollen.
    Booster für die Effizienz der Behandlung
    Mit drei der vier Standardmedikamente in Kombination mit Hydropyrizin haben die Hallenser Pharmazeuten Mäusezellen behandelt, die sie zuvor mit Tuberkulose infiziert hatten. Hilgeroth:
    "Wir stellten dann fest, dass unsere Wirkstoffe in der Lage sind, speziell das Isoniazid in seiner Wirkaktivität deutlich zu verstärken. Und die entsprechende Genanalyse bestätigte tatsächlich, dass es ein bestimmtes Transportprotein ist, auf das unsere Wirkstoffe wirken, zu dem sie eine Affinität haben, das sie hemmen. Sodass das Isoniazid eben in der Zelle, in dem Bakterium verbleibt und dadurch die Toxizität verstärkt wird."
    Hydropyridine wirken also wie ein Booster für die Effizienz der Behandlung. Für Andreas Hilgeroth ist das ein großer Erfolg:

    "Das bedeutet nicht nur eine Überwindung des Resistenzmechanismus unmittelbar, sondern aufgrund dieser Wirkverstärkung ist wiederum auch eine mögliche Resistenzbildung gegen das Antituberkulotikum reduziert."
    Entwicklung neuer Wirkstoffe ist eingeschlafen
    Ob sich die Laborbefunde mit Mäusezellen in klinischen Studien am Menschen bestätigen lassen, bleibt abzuwarten. Wünschenswert wäre es jedenfalls. Zumal die Entwicklung ganz neuer Wirkstoffe gegen die inzwischen tödlichste Infektionskrankheit der Welt praktisch eingeschlafen ist, sagt der Wissenschaftler:
    "Die Industrie hat erklärt, dass sie ihre Antibiotikaforschung im Prinzip einstellen wird – jetzt auch noch wieder eine große Pharmafirma jüngst –, sodass neue Antibiotika auf dieser klassischen industriellen Schiene nicht unbedingt zu erwarten sind. Wenn es Innovationen gibt, orientieren die sich an den etablierten Antibiotika und finden keine neue Ansätze."
    Die Pharmaunternehmen bringen zwar immer wieder neue Medikamente auf den Markt, aber die zielen stets auf dieselben Schwachstellen der Bakterien: Sie nutzen dieselben Schlösser, um in die Tuberkel-Bakterien einzudringen. Verändern die Bakterien diese Schlösser, passen die Pharmaunternehmen lediglich die Schlüssel an, statt nach gänzlich neuen Angriffspunkten zu suchen. Ob diese kostensparende Strategie langfristig trägt, ist allerdings zweifelhaft.