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Asbeck: Pakistan und Afghanistan brauchen politischen Dialog

Richard Asbeck, Leiter der Hanns-Seidel-Stiftung in Islamabad, hält es für wichtig, den Dialog zwischen Afghanistan und Pakistan neu zu initiieren. Bislang machten sich die beiden Länder gegenseitig für die Spannungen verantwortlich. Deutlich sei, dass weder die Bevölkerung noch die pakistanische Regierung den Einsatz von NATO-Truppen in Afghanistan unterstütze.

Moderation: Christiane Kaess |
    Kaess: Außenminister Steinmeier war nach dem Anschlag auf die deutschen Soldaten am vergangenen Samstag zunächst nach Afghanistan gereist. Heute trifft er in Pakistan ein, wo er mit seinem pakistanischen Amtskollegen Kasuri sprechen will. Der Außenminister will sich um eine bessere Zusammenarbeit zwischen den beiden ungeliebten Nachbarn Pakistan und Afghanistan bemühen. Das Verhältnis zu Pakistan ist nicht unbelastet. Im Grenzgebiet zu Afghanistan soll El-Kaida Terroristen rekrutieren. Unklar ist dabei die Rolle von Präsident Musharraf, der offiziell als Verbündeter des Westens gilt. Er seinerseits steht im Land selbst unter massivem Druck, seitdem er den obersten Richter aus dem Amt entlassen hat. Seit Wochen finden deshalb in Pakistan gewaltsame Demonstrationen statt. - Am Telefon in Islamabad ist der Leiter der Hanns-Seidel-Stiftung Richard Asbeck. Guten Tag!

    Asbeck: Guten Tag Frau Kaess!

    Kaess: Herr Asbeck, in den Paschtunen-Gebieten an der Grenze zu Afghanistan bilden Islamisten für den Dschihad aus, so heißt es. Ist Pakistan der ideale Rückzugsort für Angriffe gegen die NATO in Afghanistan?

    Asbeck: Das Gebiet an der Grenze ist ungefähr 1.400 Kilometer lang, ist sehr bergig, sehr unzugänglich und es ist schon in den 80er, 90er Jahren ein Rückzugsgebiet gewesen für Kämpfer aus Afghanistan. Insofern ist dort auch sehr viel Aktivität zu verspüren. Und wenn Sie Dick Cheney, dem Vizepräsident Amerikas, Glauben schenken wollen, dann haben die Vereinigten Staaten mehr Terroristen von El-Kaida dort gefangen genommen als irgendwo anders auf der Welt.

    Kaess: Muss man damit rechnen, dass von diesen Trainingslagern aus Attentate geplant werden, die im Westen stattfinden könnten?

    Asbeck: Dies ist eine Sache; da müssten Sie mit anderen Gesprächspartnern sprechen, die Einblicke haben. Es gibt Trainingslager. Selbst Präsident Musharraf hat letztes Jahr gesagt, dass er sich vorstellen kann, dass ehemalige Mitarbeiter seines Geheimdienstes dort noch aktiv sind, in Afghanistan aktiv sind. Aber sonst wird das natürlich von allen Seiten bestritten.

    Kaess: Unterstützt die Bevölkerung in diesen Gebieten die Extremisten?

    Asbeck: Da muss ich hinweisen auf eine Änderung der jetzigen Situation. Seit ungefähr zwei Jahrzehnten gibt es dort in den Grenzgebieten usbekische Islamisten. Die sind teilweise durch Verfolgung in Usbekistan, aber teilweise auch durch den Einmarsch der internationalen Truppen in Afghanistan in die Stammesgebiete gekommen. Und die werden gerade von der lokalen Bevölkerung erheblich bekämpft, weil sie sich eben nicht an das Gastrecht der alten Stämme dort halten.

    Kaess: Aber diese Extremisten, von denen Sie sprechen, kämpfen gegen NATO-Truppen in Afghanistan? Das ist so richtig?

    Asbeck: Das habe ich nicht gesagt. Ich denke eher, dass die Extremisten enge Verbindungen herüber haben. Das ist aber auch schon seit Jahrhunderten der Fall, dass die dortigen Personen Kontakte über die Grenze hinüber haben. Wenn Sie allerdings von einem Rückzugsgebiet sprechen, dann ist es immer so, dass die Kämpfer die Grenze überschreiten können, und das findet teilweise wohl wahrscheinlich unbeobachtet statt.

    Kaess: Will die pakistanische Regierung dagegen nichts tun, oder kann sie nicht?

    Asbeck: Die pakistanische Regierung hat von 2004 bis 2006 erheblich an der Seite der Vereinigten Staaten in den Stammesgebieten gekämpft. Sie haben nach eigener Aussage 700 eigene Soldaten dort verloren. Deswegen gab es ein U-Turn, ein Ende im vergangenen Jahr. Da hat die Regierung Musharraf mit den Stämmen, aber wahrscheinlich auch mit den dortigen Extremisten, die dort ansässig sind, ein Waffenstillstandsabkommen geschlossen. Das ist wahrscheinlich doch ein erfolgreicher Weg, als wenn man sich alleine nur auf die militärische Gewalt verlässt.

    Kaess: Nun bekommt die pakistanische Armee Milliarden US-Dollar für den Kampf gegen Islamisten. Es gibt Gerüchte, die Armee und der pakistanische Geheimdienst unterstütze die Taliban. Können Sie das bestätigen?

    Asbeck: Die Hilfe der Vereinigten Staaten ist natürlich nicht nur für das Militär. Gerade jetzt vor einigen Wochen haben die Vereinigten Staaten sehr viel Geld locker gemacht und frei gemacht für den Wiederaufbau von Fatah, den Stammesgebieten an der afghanischen Grenze. Aber sonst geben ja beide Seiten sehr zu, dass sie Partner sind im Kampf gegen den Terror. In diesem Jahr waren einige Flugzeugangriffe auf oder über pakistanischem Gebiet gegen religiöse Madrassa, Religionsschulen und da haben Augenzeugenberichte gesagt, dass diese Angriffe eben von Drohnen der US-Airforce aus geschossen wurden.

    Kaess: Nun gilt Pakistan mit dem Präsidenten Musharraf als Verbündeter der USA. Dass der Protest nach der Absetzung des obersten Richters so eskaliert, ist das ein Zeichen dafür, dass das System von Musharraf verfällt oder dass er nicht mehr so fest im Sattel sitzt?

    Asbeck: Im Allgemeinen denken viele Kommentatoren, dass Musharraf einen sehr großen Fehler begangen hat, indem er einfach seine Kompetenz überschritten hat und entgegen der Verfassung den obersten Richter Pakistans abgesetzt hat. Das ist ein Kompetenzmissbrauch, der ihm im Augenblick nicht verziehen wird. Es ist aber gleichzeitig - und da komme ich auf Ihre Frage zurück - ein Zeichen dafür, wie Politik im Augenblick gemacht wird: mit harter Hand und unter Einsatz von extremer Amtsgewalt.

    Kaess: Richtet sich dieser Protest im Land auch gegen die NATO-Operation in Afghanistan?

    Asbeck: Na ja, hier in der Bevölkerung gibt es wenig Verständnis für den Einsatz der NATO in Afghanistan. Das muss man schon mal sagen. Da denkt die Regierung nicht anders als die Bevölkerung.

    Kaess: Wie äußert sich das in der Bevölkerung?

    Asbeck: Sie haben hier, wenn Sie mit vielen Leuten sprechen, sei es aus der akademischen Liga oder sei es aus der Regierung oder von Think-Tanks, dann doch ein direkt geäußertes Missfallen gegen einen NATO-Einsatz in Afghanistan. Das wird meistens unter die Kategorie Neoimperalismus eingeordnet.

    Kaess: Musharraf hat des Öfteren behauptet, dass die Atommacht Pakistans in die Hände von Islamisten fallen könnte, wenn er von radikalen islamistischen Parteien im Land gestürzt werde. Sind das berechtigte Bedenken, oder steht dahinter reiner Machterhalt?

    Asbeck: Ich denke das ist sehr stark doch eine Schlagzeile für die Öffentlichkeit. Ich kann mir kaum vorstellen, dass das Militär, was hier nicht nur im militärischen, sondern auch im zivilen, im akademischen und im privaten Sektor die Zügel in der Hand hält, es erlauben würde, dass islamistische Parteien in die Nähe vom roten Knopf kämen, wo denn die nuklearen Arsenale mit in Gang gesetzt werden können.

    Kaess: Was wäre denn ein mögliches Szenario, wenn Musharraf nicht mehr im Amt wäre?

    Asbeck: Im Augenblick haben wir Wahljahr hier im Jahre 2007. Es stehen Wahlen an, die laut Verfassung bis Ende November durchgeführt werden sollen. Nur der jetzige Präsident ist wiederum gegen die Verfassung, gleichzeitig Armeechef und Präsident der islamischen Republik Pakistan. Dagegen richtet sich eben auch der Protest der Anwälte. Es ist also die Frage, ob nun Wahlen abgehalten werden und dann wie. Wenn sie abgehalten werden, wird es eine große Protestbewegung hier geben, wenn Musharraf auf seiner Uniform beharrt. Wenn es dann keine Wahlen gibt - das ist die andere Option -, dann wird Musharraf eben nur durch die Ausrufung eines Ausnahmezustandes seine Macht aufrecht erhalten, weil er dann einfach de facto auch entgegen der Verfassung weiter regiert.

    Kaess: Jetzt bemüht sich der deutsche G8-Vorsitz um den Ausgleich im etwas schwierigen Verhältnis zwischen Afghanistan und Pakistan, für eine Zusammenarbeit beim Kampf gegen den Terrorismus. Ist das eine realistische Initiative?

    Asbeck: Der Dialog zwischen den beiden Ländern muss schon initiiert werden. Wir haben zwar Versuche gesehen, dass der türkische Präsident Erdogan versuchte, die beiden Präsidenten Pakistans und Afghanistans an einen Tisch zu bringen. Allerdings sind die beiden nicht bereit, in einen dauerhaften, administrativ fundierten Dialog einzusteigen. Ich denke aber auch gleichzeitig, man darf Pakistan nicht die alleinige Schuld für die Aufstandbewegung in Afghanistan zuschieben. Das macht die afghanische Regierung sehr viel und sehr häufig. Allerdings gibt es auch hausgemachte Probleme in Afghanistan, die zu dieser Aufstandsbewegung der Taliban führen. Ein Dialog ist aber dennoch richtig und wir versuchen auch von der Hanns-Seidel-Stiftung ihn zu initiieren. Leider hat die pakistanische Regierung uns nicht erlaubt, eine Gruppe von afghanischen Parlamentariern, die sich hier mit pakistanischen Parlamentariern zusammenführen wollten, ins Land zu lassen. Insofern scheitert das eben auch an einer sehr restriktiven Politik Pakistans.

    Kaess: Ist dieser Dialog entscheidend für die Situation in Afghanistan?

    Asbeck: Na ja, er findet ja sonst nicht statt. Sonst haben sie auf der offiziellen Ebene immer dieses, wie es hier genannt wird, blame game. Jeder macht den Nachbarn verantwortlich dafür, dass der Krieg sich weiter verschärft und dass die Bomben geschmissen werden. Wenn sie eine Alternative zu diesem blame game suchen, dann müssen sie einen tatsächlichen politischen Dialog initiieren.

    Kaess: Der Leiter der Hanns-Seidel-Stiftung in Islamabad Richard Asbeck. Vielen Dank!