Als Baku 2012 den European Song Contest austrug, organisierte Rasul Jafarov "Sing for Democracy", eine Plattform, auf der Aktivisten in Baku auf die Lage der Menschenrechte in ihrem Land aufmerksam machten. Damals schon ahnte Jafarov, dass die Repressionen nach dem Gesangswettbewerb weiter zunehmen würden. Anfang 2014 bestätigte er diese Befürchtungen in einem Videointerview:
"Die Zahl der politisch Gefangenen steigt immer weiter. Ich denke, die Regierung sollte die politisch Gefangenen sofort und bedingungslos frei lassen. Zum Beispiel zum Newroz-Fest im März oder im Mai, wenn Aserbaidschan den Vorsitz im Europarat übernimmt."
Zivilgesellschaft komplett lahmgelegt
Doch das geschah nicht. Bei der diesjährigen Sommersitzung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates in Straßburg präsentierte Jafarov daher eine Liste der politischen Gefangenen in Aserbaidschan. Darauf standen fast hundert Namen. Darunter der Oppositionspolitiker Ilgar Mammadow - er hatte letztes Jahr für das Präsidentenamt kandidieren wollen und wurde verhaftet; oder der unabhängige Wahlbeobachter Anar Mammadli - er hatte Manipulationen bei der Wahl 2013 öffentlich gemacht. Bald nach seinem Auftritt in Straßburg wurde dann auch Rasul Jafarov selbst verhaftet. Außerdem seine Mitstreiter Leyla Yunus vom "Institut für Frieden und Demokratie", ihr Mann Arif Yunus und der Anwalt Intiqam Aliyew. Er hat diverse Klagen gegen Aserbaidschan vor dem Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg geführt. Nun sitzen auch die im Gefängnis, die sich für andere einsetzten. Die Anklagen gegen sie reichen von Steuerhinterziehung über illegale Geschäftstätigkeit bis hin zu Spionage.
Die Journalistin Khadija Izmailova ist eine der wenigen in Aserbaidschan, die noch offen Kritik an der Regierung üben. Sie arbeitet für Radio Liberty. Izmailova sagt, die Zivilgesellschaft Aserbaidschans sei komplett lahmgelegt.
"Die Leute schreiben jetzt an meine Redaktion, wenn sie zum Beispiel juristischen Rat brauchen. Weil es keine NGOs mehr gibt, an die sie sich wenden könnten. Nicht mal, wenn es um Frauenthemen oder soziale Probleme geht. Sogar ich stehe ohne Anwalt dar, denn auch mein Anwalt ist jetzt im Gefängnis."
Izmailova darf nicht mehr ausreisen. Auch gegen sie läuft ein Verfahren. Dass die Regierung den Druck auf Andersdenkende in diesem Jahr noch einmal verschärft hat, erklärt die Journalistin so:
"Ich denke, die Regierung Aserbaidschans hat Schlüsse aus dem Euro-Maidan in der Ukraine gezogen. Niemand soll mehr Proteste gegen die Regierung organisieren können."
Westliche Staaten üben erstmals Kritik
Die Regierung Aserbaidschans weist die Vorwürfe zurück. Es gäbe keine politischen Gefangenen. Als westliche Medien im Sommer über die Verhaftung des Ehepaares Leyla und Arif Yunus berichteten, veröffentlichte das Außenministerium eine Erklärung. Darin hieß es, die beiden stellten sich über das Gesetz und ihre Mitbürger, indem sie eine Sonderbehandlung wünschten. Aserbaidschan arbeite seit 20 Jahren an dem Auf- und Ausbau demokratischer Einrichtungen und an der Bildung eines unabhängigen Justizsystems - so die Mitteilung des Außenministeriums.
Das EU-Parlament hielt dagegen. Im September hat es die Regierung Aserbaidschans in einer Resolution klipp und klar aufgefordert, alle politischen Gefangenen frei zu lassen. Im selben Monat nannte auch US-Präsident Obama Aserbaidschan als eines der Länder, das die Arbeit von NGOs behindere. Das ist neu. Westliche Staatsführer hatten sich in den letzten Jahren mit öffentlicher Kritik an Aserbaidschans Führung zurückgehalten. Möglicherweise wegen der Energievorräte des Landes. Aserbaidschan liefert Öl und Gas an Russland vorbei in den Westen. Die Journalistin Khadija Izmailova hofft nun, dass auch Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Baku deutliche Worte findet.
"Das ist wichtig für uns. Es ist wichtig, den Menschen in Aserbaidschan zu erklären, dass der Westen noch zu seinen eigenen Werten steht."
Denn andernfalls, so befürchtet der britische Südkaukasus-Experte Tom de Waal, könnten sich Teile der aserbaidschanischen Opposition vom Westen abwenden und sich militanten Extremisten anschließen.