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Asselborn will Roma-Streit zwischen EU und Paris klären

Der Streit um den Umgang Frankreichs mit der Volksgruppe der Roma belaste den heute in Brüssel beginnenden EU-Gipfel atmosphärisch, sagt der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn. Die systematische Ausweisung von Roma entspreche weder dem europäischen noch dem französischen Gedankengut.

Jean Asselborn im Gespräch mit Gerwald Herter |
    Gerwald Herter: Neben den Staats- und Regierungschefs aus 27 EU-Staaten werden heute auch die Außenminister am EU-Gipfel in Brüssel teilnehmen, denn es soll um die strategischen Beziehungen der Europäischen Union zu international bedeutenden Ländern gehen wie China oder Russland. Jean Asselborn wird also mit am Tisch sitzen, der luxemburgische Außenminister und nicht zu vergessen Minister für Einwanderungsfragen. Mit ihm bin ich nun verbunden. Guten Morgen, Herr Asselborn.

    Jean Asselborn: Guten Morgen, Herr Herter.

    Herter: Der französische Präsident, Nicolas Sarkozy hat vorgeschlagen, dass Luxemburg doch Roma aufnehmen könne. Was halten Sie von diesem Vorschlag?

    Asselborn: Ja, das ist eine Verbindung, die hergestellt wird zwischen der Nationalität eines Kommissars, einer Kommissarin, und einem Land, einer Regierung. Das ist falsch, das ist ein Irrtum. Sie wissen, dass die Kommissare zwar eine Nationalität haben, das ist ja selbstverständlich, aber dass sie nicht ihr Land vertreten, wo sie herkommen, sondern ihre Arbeit machen aufgrund ihrer Kompetenzen. Madame Reding ist Luxemburgerin, aber macht das, was sie glaubt, richtig zu sein, eben aufgrund ihrer Kompetenzen.

    Ich sage Ihnen ganz klar, dass ich sie auch verstehe, die Kommission auch verstehe, ich unterstütze sie auch, dass man analysiert, ob es eine Diskriminierung gibt gegen eine ethnische Gruppe, ob die vorliegt. Wenn die Kommission zur Schlussfolgerung kommt, dass es die gibt, dann sind die gerichtlichen Instanzen da, um zu entscheiden.

    Und ich finde auch, Herr Herter, wir müssen hier nicht einfach so darüber weggehen. Die Frage soll man stellen, ob ja oder nein. Diese spektakulären Aktionen, um systematisch Roma auszuweisen, ob die dem europäischen Gedankengut entspricht oder nicht, und die entsprechen auch nicht dem französischen Gedankengut, denn Sie wissen, dass die Regierung in Frankreich in dieser Woche ein Rundschreiben, wo die Roma stigmatisiert werden, sehr, sehr schnell geändert hat. Also das Bild, was gezeigt wird, passt, glaube ich, zum großen Teil überhaupt nicht zu Frankreich, und wenn es nicht zu Frankreich passt, passt es auch nicht zur Europäischen Union.

    Herter: Herr Asselborn, hat Frankreich die Europäische Kommission hinters Licht geführt?

    Asselborn: Also ich bin ja nicht da, um Frankreich, die Regierung, denen Lektionen zu geben. Ich finde nur, was wichtiger ist für mich, das ist, dass die Mentalität wächst, dass Sicherheitsfragen hoch über allen anderen Aspekten stehen, im Sinne, dass der Rechtsstaat sich zu biegen hat, zu fügen hat, um eben solche Positionen zu deklinieren, dass das gefährlich ist und dass auch in der Welt absolut schnell ein Bild entstehen kann, dass wir in Europa zwar Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Werte und so weiter, dass wir die predigen, aber manchmal bei uns sie verzerren. Hier glaube ich, dass Frankreich wirklich soll ein wenig in sich hineingehen und versuchen, was hier entstanden ist.

    Herter: Aber hat die Kommissarin hier überreagiert? Sie hat sich teilweise korrigiert für ihre Äußerungen.

    Asselborn: Ja. Ich glaube, dass das ja auch jetzt aus der Welt ist. Sie weiß, dass man diesen Vergleich nicht machen kann mit dem Zweiten Weltkrieg, mit den Nazis, auch nicht mit dem, was ja danach noch geschehen ist in Jugoslawien. Da, glaube ich, hat sie im Eifer der Aktion sich ein wenig gehen lassen. Aber auch Präsident Sarkozy, wenn er sagt, die Luxemburger sollen die Roma aufnehmen, da macht er einen Link, der auch vielleicht im Feuer der Aktion entstanden ist. Man soll versuchen, wieder wirklich rationell an die Sache heranzugehen und dann auch Lösungen zu finden, die eigentlich dem Geist, dem europäischen Geist näher sind als das, was jetzt abläuft.

    Herter: Heute beim Gipfel werden Sie darüber sprechen mit der französischen Delegation. Wird das Thema sein?

    Asselborn: Ich habe Sie jetzt ganz schlecht verstanden.

    Herter: Beim Gipfel, Herr Asselborn, heute in Brüssel, wo Sie bereits sind, werden Sie da mit der französischen Delegation darüber sprechen? Wird das ein Thema sein?

    Asselborn: Ja. Ich habe schon gestern - - Der französische Außenminister Bernard Kouchner hat mich angerufen und hat mir auch angeboten, dass wir beide auf unserem Niveau alles tun, vielleicht auch nach außen, um wirklich wieder Ruhe in dieses Spiel zu bekommen. Man soll die Prozeduren, die wir haben in der Europäischen Union, spielen lassen. Das ist ja ganz einfach. Die Kommission hat jetzt eine Entscheidung zu treffen, ob eine Distortion vorliegt, und dann ist es, wenn die Gerichte in der Europäischen Union befasst werden, an denen, zu entscheiden.

    Herter: Also eine Vertragsverletzung?

    Asselborn: Wenn die vorliegt, dann ist es an den gerichtlichen Instanzen der Europäischen Union, das festzustellen.

    Herter: Wird das heute eine große Rolle beim Gipfel spielen?

    Asselborn: Es wird atmosphärisch bestimmt eine Rolle spielen, da bin ich davon überzeugt. Aber wenigstens wir in Luxemburg, unsere Regierung wird alles tun, damit wir wieder auf gepflegteres Umgehen miteinander kommen.

    Herter: Schade eigentlich, denn man will ja die Einigkeit betonen, um auch in Weltregionen wie beispielsweise dem Nahen Osten, im Friedensprozess im Nahen Osten ein Gewicht zu haben und das positiv zu beeinflussen.

    Asselborn: Ja, ganz richtig, Herr Herter. Ich wünsche mir auch heute über diesen Streit, den wir jetzt angeschnitten haben, dass die Europäische Union heute eindringlichst und sehr laut sagt, dass wir wirklich darauf setzen und darauf zählen, dass das Moratorium zum Siedlungsstopp nach dem 26. September verlängert wird. Es sind jetzt 500.000 Siedler, israelische Siedler im Westjordanland, 200.000 davon sind in Ostjerusalem, es sind 13.000 Genehmigungen für neue Wohnungen geplant auf einem Territorium, das nicht den Israelis gehört, 2000 Fundamente sind schon ausgehoben.

    Abbas verliert, glaube ich, jede Glaubwürdigkeit in diesen Gesprächen, kann nicht weitermachen. Wir müssen wirklich darauf setzen, dass vielleicht Netanjahu den Schritt machen muss, seine Koalition zu ändern, aber das ist immer noch besser als das Scheitern. Hier geht es wirklich um den ersten Punkt, und im Moment erst, wo über Grenzen geredet werden kann zwischen den zwei Delegationen, wissen wir, dass sie im Stande sind, einen Durchbruch zu erzielen. Bis jetzt ist das leider nicht der Fall und hier muss die Europäische Union ganz laut ihre Position sagen. Ich hoffe, dass die Amerikaner das auch machen. Das kann den Israelis helfen einzusehen, dass hier der Knackpunkt ist und dass man den wirklich lösen muss.

    Herter: Jean Asselborn war das, der Außenminister Luxemburgs. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Asselborn.

    Asselborn: Bitte, Herr Herter.