Novam stellam in aevo suo genitam deprehendit. Er hat einen neuen Stern entdeckt, der zu seinen Lebzeiten entstanden ist. So schreibt der römische Gelehrte Plinius der Ältere im ersten Jahrhundert nach Christus über den Griechen Hipparch. Der hatte 200 Jahre zuvor scheinbar einen neuen Stern erblickt. Hipparch - ein guter Beobachter des nächtlichen Himmels - hatte damals einen der ersten Kataloge der Sterne und ihrer Koordinaten zusammengestellt - und ganz nebenbei das Fachgebiet der Astrometrie begründet.
"Astrometrie ist der älteste Bereich der Astronomie." Stefan Jordan am Astronomischen Rechen-Institut in Heidelberg ist selbst Fachmann auf diesem Gebiet: "Da geht es darum: Wo stehen die Sterne am Himmel und wie bewegen sie sich. Das scheint eine ganz alte und klassische Aufgabe zu sein. Die Astrometrie ist aber wichtig für alle Bereiche der Astronomie, weil nur dadurch klar ist, wie weit Sterne entfernt sind, wie sie sich in unserer Milchstraße bewegen und Ähnliches."
Hipparch hatte die ersten 1000 Sterne noch mit bloßem Auge beobachtet. In seiner Tradition vermaß der ESA-Satellit Hipparcos vor zwei Jahrzehnten über 125.000 Sterne. Und nun geht es weiter: Eine Milliarde Sterne soll demnächst der europäische Satellit Gaia vermessen - und deren kaum erkennbare Bewegungen verfolgen. Denn die sogenannten Fixsterne erscheinen bei exakter Beobachtung gar nicht fix - sondern wandeln langsam auf ihren Umlaufbahnen um das Zentrum der Milchstraße. Insgesamt ein Prozent unserer Galaxie soll Gaia vermessen. Die Vorbereitungen der Mission waren langwierig, erzählt David Milligan: "Für die Ingenieure war das anspruchsvoll. Das Teleskop hat eine Brennweite von 30 Metern, musste aber in eine Rakete passen, die maximal zwei Meter breit ist. Das heißt, das Licht muss über mehrere Spiegel hin und hergeschickt werden."
Milligan ist im europäischen Weltraum-Kontrollzentrum in Darmstadt für die Steuerung von Gaia zuständig. In dem Satelliten verbergen sich zwei Teleskope, die den Himmel gleichzeitig in verschiedene Richtungen abscannen. Durch den leicht veränderten Blickwinkel während des Umlaufs um die Sonne und die spezielle Anordnung der Teleskope ergibt sich nach einer fünfjährigen Beobachtung: wo sich ein Stern befindet, wohin er sich wie schnell bewegt und wie weit er von uns entfernt ist. Diese Daten werden kontinuierlich gemessen, für Hunderte Sterne pro Sekunde - und müssen dann irgendwie zum Boden gelangen.
"Eine Milliarde Sterne erzeugen viele, sehr viele Daten", sagt Milligan. Gewöhnliche Funkantennen im All sind schwenkbar, was aber Gaias Präzision gestört hätte. Der Satellit verfügt daher über eine eigens entwickelte, unbewegliche Antenne. Sie soll über die Missionsdauer ein Petabyte an Daten übertragen, also eine Million Gigabyte. Daten, die dann auf der Erde verarbeitet werden müssen. Über drei weitere Jahre werden diverse Rechencluster damit beschäftigt sein. Danach dürften im Gaia-Katalog aber nicht nur viele altbekannte Sterne auftauchen, sondern auch das, was schon Plinius der Ältere als "neue Sterne" bezeichnet hatte: bisher unbekannte Himmelskörper. Stefan Jordan: "Dazu gehören zum Beispiel Quasare. Es gehören neue Galaxien dazu. Es gehören auch Himmelskörper in unserem Sonnensystem dazu: Kleinplaneten, Asteroiden. Man geht davon aus, dass Gaia mehrere Hunderttausend neue Kleinplaneten entdecken wird."
Zuletzt dürfte Gaias Messung auch ausreichen, die Schlingerbewegung von Sternen durch sie umkreisende Planeten zu erfassen - und könnte somit auch viele neue Exoplaneten nachweisen.