Was braucht es, um eine Gravitationswelle aufzuschnappen – eine extrem winzige Delle in der Raumzeit, die sich lichtschnell im All ausbreitet? Riesige und zugleich hochempfindliche Messapparaturen, antwortet Moritz Mehmet, Physiker am Albert-Einstein-Institut in Hannover.
"Die Gravitationswellen-Detektoren, die momentan laufen weltweit, basieren auf Laser-Interferometern. Große Geräte mit Armlängen von drei bis vier Kilometern. Interferenzmuster werden ausgelesen und können so kleinste Längenänderungen bestimmen."
In luftleer gepumpten Röhren laufen Laserstrahlen zwischen Spiegeln hin und her, die kilometerweit voneinander entfernt sind. Trifft eine Gravitationswelle aus den Tiefen des Alls auf den Detektor, staucht und dehnt sie den Abstand zwischen den Spiegeln ein wenig – was sich als Hell-Dunkel-Muster im Laserlicht verrät. Allerdings sind die Signale so schwach, dass sie selbst von der leisesten Störung überlagert werden. Um diese Störungen so gut wie möglich auszuschalten, mussten sich die Fachleute gewaltig anstrengen.
Die Laser-Lineale reagieren sensibel auf winzige Störungen
"Eine Hauptschwierigkeit besteht darin, das Messgerät von Einflüssen aus der Umgebung so gut es geht zu isolieren", sagt Mehmets Kollege Henning Vahlbruch: "Das ist ein experimentell unglaublich hoher Aufwand, den man treiben muss, um das zu bewerkstelligen. Denn man kann sich leicht vorstellen, dass die Spiegel der Bewegung folgen von den Objekten, an denen sie festgemacht sind. Damit würden Sie der Erdbewegung folgen."
Komplizierte Halterungen verhindern, dass die Spiegel ins Zittern geraten, wenn draußen eine Lkw vorbeirauscht. Auch die Messelektronik arbeitet mittlerweile so präzise, dass sie kaum noch Störungen produziert. Eine Störquelle aber ließ sich bislang nicht ausschalten: Das sogenannte Quantenrauschen - eine fundamentale Rauschquelle, die sich nicht verhindern lässt. Denn dieses Quantenrauschen ist immer da, sagt Gruppenleiter Harald Lück – ein allgegenwärtiges Grummeln von Raum und Zeit, hervorgerufen durch sogenannte Vakuumfluktuationen.
"Also wenn ich das Licht ganz ausmache sozusagen, sind in der Dunkelheit trotzdem noch Fluktuationen vorhanden. Und diese Fluktuationen stören unsere Messungen. Die gelangen auf unseren Lichtsensor und verursachen dort ein klitzekleines Signal."
Quantenfluktuationen limitieren die Präzision der Messgeräte
Um dieses Quantenrauschen zu bekämpfen, setzten die Physiker auf eine Strategie, die durchaus skurril anmutet. Harald Lück: "Wir ersetzen die natürlichen Vakuum-Fluktuationen durch von uns künstlich reduzierte."
Konkret speisen die Fachleute speziell präpariertes Laserlicht in den Detektor, Quetschlicht genannt. Bildlich gesprochen knüpft sich dieses Quetschlicht das Vakuum vor und bringt es dazu, schwächer zu fluktuieren, also weniger zu flimmern.
"Das sind Geräte von ungefähr einem Meter Grundfläche. Auf dieser Grundfläche, eine optische Platte, haben wir etliche Optiken befestigt, lenken verschiedenste Laserstrahlen über diese Platte hinweg und erzeugen gequetschtes Licht."
'Squeezed light' bringt Abhilfe - gequetschtes Licht
Erprobt wurde das Konzept zunächst bei Geo 600, einem kleineren Detektor nahe Hannover. Vor einiger Zeit dann bauten Lück und seine Leute den Trick mit dem Quetschlicht auch bei Virgo in Italien ein, einem der drei großen Gravitationswellen-Detektoren auf der Welt. Seit April 2019 läuft die Anlage. Das Ergebnis: "Das Quetschlicht hat besonders die Empfindlichkeit bei höheren Frequenzen verbessert. Die Rate, mit der der Detektor Signale detektieren kann, wurde um etwa 26 Prozent verbessert. Das heißt, wir können jetzt mit Hilfe der Quetschlichtquelle 26 Prozent mehr Signale in der gleichen Zeit sehen."
Auch die beiden Detektoren von LIGO in den USA sind inzwischen mit der Quetschlicht-Technik ausgestattet – mit ähnlichem Erfolg. Seit April 2019 haben alle drei Detektoren rund 40 neue Gravitationswellen-Kandidaten aufgespürt. Ohne das Quetschlicht wäre es wohl nur gut 30 gewesen.
Reduziertes Quantenrauschen führt zu neuen Entdeckungen
Ein erstes handfestes Resultat haben die Fachleute am Montag auf der Tagung der Amerikanischen Astronomischen Gesellschaft auf Hawaii vorgestellt. Demnach konnten die verbesserten Detektoren höchstwahrscheinlich eine Kollision zweier Neutronensterne aufschnappen, also zweier Sternleichen – erst die zweite Beobachtung diese Art. Ungewöhnlich ist: Beide Neutronensterne zusammen haben eine überraschend große Gesamtmasse, was die Fachwelt vor ein Rätsel stellt. Und Harald Lück rechnet fest damit, dass demnächst noch weitere aufregende Neuigkeiten kommen werden – nicht zuletzt aufgrund reduziertem Quantenrauschen dank Quetschlicht, entwickelt in Hannover.
"All diese spannenden Sachen werden jetzt analysiert. Und wir können erwarten, dass in den nächsten Monaten da sehr viele Paper rauskommen, sehr viel Information an die Öffentlichkeit weitergegeben wird."