Archiv

Asylbewerber
Duisburg streitet über Flüchtlingsunterbringung

Seit Ausbruch der Kriege in Syrien und Irak schießen die Flüchtlingszahlen in die Höhe. Weil Bund, Länder und Kommunen nicht rechtzeitig vorgesorgt haben, landen die Menschen immer öfter in Turnhallen, Containern oder Kasernen. Duisburg will Flüchtlinge nun in einem ehemaligen Krankenhaus unterbringen. Doch die Rechtsextremen machen mobil.

Von Barbara Schmidt-Mattern |
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Flüchtlingszelte auf dem stillgelegten Ascheplatz der Sportfreunde Walsum 09 in Duisburg. (Deutschlandradio - Barbara Schmidt-Mattern)
    "Kein Asyl in Neumühl!"
    Ein friedlicher Informationsabend für die Nachbarschaft sollte es werden, stattdessen eskaliert die Stimmung am frühen Abend in Duisburg-Neumühl. Angestachelt durch Pro NRW und NPD wettern wütende Bürger gegen die Aufnahme neuer Flüchtlinge in ihrem Stadtteil.
    "Volksverräter...Ihr seid Volksverräter!"
    "Es war ne Mischung aus Wut, Verärgerung, dem Bedürfnis, zu reden und, ja, bin ich ehrlich – Angst."
    Angst, weil er selbst bedroht wurde: Frank Noroschat vom örtlichen Flüchtlingsrat steht ein paar Tage später vor der Duisburger Pauluskirche und hat immer noch ein mulmiges Gefühl angesichts der Bürgerwut. All das nur, weil das stillgelegte St. Barbara Hospital in Neumühl demnächst Flüchtlinge beherbergen soll:
    "Es ist in Gruppierungen davon gesprochen worden, dass das St. Barbara abgefackelt werden soll, es ist davon gesprochen worden, den Flüchtlingen ein feuriges Willkommen zu liefern. Zum einzelnen sind Töne gekommen: Ins Gas, ins Gas, ins Gas! Wenn man versucht hat, sachlich zu argumentieren, wurde man entweder überschrien oder bedroht."
    Das hat die Stadtverwaltung nicht erwartet: Erst wollte sie auf einem Unkraut übersäten Sportplatz eine Zeltstadt für syrische und irakische Flüchtlinge errichten und geriet bundesweit unter Beschuss. Jetzt, da sie stattdessen St. Barbara vorschlägt, kommt wieder Protest, nur diesmal aus der eigenen Stadt. Oberbürgermeister Sören Link versucht dennoch, St. Barbara zu rechtfertigen:
    "Der Druck auf die Stadt, neue Asylbewerberunterkünfte zu finden, wird erheblich reduziert. Bis zu 300 Menschen können dort im Barbara-Hospital vernünftig untergebracht werden, und zum anderen übernimmt das Land die Kosten für die Unterbringung, und das entlastet uns finanziell erheblich."
    "Was soll'n dieser Kack hier? Mit unseren Steuergeldern! Dafür gehen wir arbeiten!"
    Beim Informationsabend wird der OB niedergebrüllt. Als der Flüchtlingsrat nur wenige Tage später zu einem eigenen Info-Abend einlädt, schickt die Stadt keinen Vertreter. Aber Wilhelm Ludwar ist gekommen, ein Anwohner, der um den Ruf seines Viertels fürchtet:
    "Ich bin ein Bürger aus Neumühl, und ich habe die Sachen, die da passiert sind, mitbekommen, hab meinen Hintern leider nicht hochgekriegt, um da selber mal hinzugehen. Und bin natürlich empört und schäme mich für meinen Stadtteil."
    Zumal Neumühl seit jeher ein Einwanderungsviertel ist:
    "Da wohnen Koslowskis und so weiter. Und die sind damals alle hierhin gekommen, die Väter und Großväter. Heute würden wir sie Wirtschaftsflüchtlinge nennen."
    Die ehemalige Bergarbeitersiedlung kämpft mit all den Lasten, die im Ruhrgebiet so verbreitet sind: Armut, Arbeitslosigkeit, und Integrationsprobleme. Seit den Kommunalwahlen im Mai sitzen im Duisburger Stadtrat vier Abgeordnete von Pro NRW und NPD. Frank Noroschat vom Flüchtlingsrat sieht im Moment nur noch ein Gegenmittel:
    "Es kann nur dann gut gehen, wenn wir jetzt alle es schaffen, die anderen Bürger dieser Stadt zu mobilisieren. Das kann aber auch nur geschehen in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung, für die Flüchtlinge und für die Bürger, damit die besser miteinander kommunizieren, sich kennenlernen..."
    Flüchtlingsansturm stellt Kommunen vor große Probleme
    Nicht nur Duisburg wirkt überfordert. In ganz Nordrhein-Westfalen sind die Flüchtlings-Einrichtungen überfüllt. Die Menschen kommen aus Afghanistan, Afrika und vom Balkan, und in letzter Zeit verstärkt aus dem Nahen Osten. Frank Noroschat klingt jetzt resigniert:
    "Sicherlich ist es zum einen so, dass die Kommunen nicht auf diese weltpolitische Lage vorbereitet waren. Zum anderen muss man feststellen, dass offenbar zu wenig in den letzten Jahren in den Stadtteilen an Bildungsarbeit, an ziviler Arbeit gelaufen ist, um von vornherein rechtsradikalen Gruppierungen, die nicht erst seit gestern dort operieren, den Boden zu entziehen."
    Kritik kommt auch vom Flüchtlingsrat NRW: Der Dachverband wirft den Landes- und Bezirksregierungen vor, sie hätten den vorhersehbaren Anstieg der Flüchtlingszahlen verschlafen. Innenminister Ralf Jäger widerspricht: Man habe die Zahl der Aufnahmeplätze seit 2011 verdreifacht. Die Unterkünfte zu besuchen und mit Flüchtlingen zu sprechen, ist in Duisburg schwierig. Die Stadt lehnt entsprechende Anfragen ab.
    Wolf Dieter Just vom Flüchtlingsrat wird ungeduldig. Drinnen im Gemeindesaal von St. Paulus sind die Stuhlreihen längst besetzt. Angespannt und still sitzt in einer Ecke Schabnam Schariad Panahi.
    "Ja, ich möchte den Rechten nicht das Podium überlassen, deshalb ich hier. Wir sind genauso mit daran schuld, dass die hierher flüchten. Die flüchten nicht, weil es ihnen guttut, nach Deutschland zu kommen, ihre Wurzeln zu verlassen. Sie machen das, weil sie in Not sind..."
    Vor zwölf Jahren kam die gebürtige Iranerin selbst als Flüchtling nach Deutschland. Sie habe auch keine schöne Ankunft hier erlebt, fügt die 34-Jährige noch schnell hinzu, und dann klopft Wolf Dieter Just vorne aufs Pult und beginnt mit der schwierigsten Frage des Abends:
    "Soll man den Neonazis einen Erfolg schenken, in dem man auf St. Barbara als Erstaufnahmeeinrichtung verzichtet, oder soll man diese Nutzung gegen die Rechtsradikalen durchsetzen und riskieren, dass Flüchtlinge dort mit Steinen empfangen werden"
    Eine Antwort finden sie an diesem Abend in Duisburg nicht, dafür aber viele neue Verabredungen: Freie Initiativen, Flüchtlingsrat und Kirchen wollen in Zukunft stärker zusammenarbeiten, um den Flüchtlingen zu helfen. Wolf Dieter Just endet mit einem selbstkritischen Blick auf Duisburg:
    "Allein am vergangenen Wochenende sind 160.000 Flüchtlinge von Syrien in die Türkei geflohen. Und wir machen hier Katastrophenstimmung in Duisburg. Angesichts all dessen sind unsere Sorgen und Streitigkeiten lächerlich. Und im Grunde auch sehr beschämend."