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Asylgrund Religion
Immer weniger christliche Konvertiten werden anerkannt

Der Asylantrag von Flüchtlingen, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind und deshalb fliehen musssten, wird immer seltener anerkannt. Die Quote sei deutlich gesunken, sagen Pastoren. Offenbar wird im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Glaubwürdigkeit vieler Konversionen bezweifelt.

Von Marie Wildermann |
    Der Pastor Gottfried Martens segnet am 08.02.2015 in der Evangelisch-Lutherischen Dreieinigkeitskirche in Berlin-Steglitz Meliza vor ihrer Taufe. Mehrere hundert Iraner und Afghanen haben sich dort in der vergangenen Jahren taufen lassen, um in das Christentum überzutreten.
    Taufe eines muslimischen Mädchens in der Evangelisch-Lutherischen Dreieinigkeitskirche in Berlin-Steglitz. (picture alliance / dpa / Lukas Schulze)
    Seitdem sie in Deutschland lebt, seit 2013, sei sie Mitglied einer christlichen Gemeinde, sagt Sharareh. Jeden Sonntag gehe die 40-Jährige in den Gottesdienst. Den christlichen Glauben habe sie in Teheran kennengelernt, in einem protestantischen Untergrund-Hauskreis, so die ehemalige Muslimin. Als der Leiter der Gruppe verhaftet wurden, habe sie Hals über Kopf das Land verlassen müssen. Über Umwege kam sie nach Deutschland, beantragte Asyl als religiös Verfolgte. Doch ihr Asyl-Antrag wurde abgelehnt.
    "Ich weiß nicht, warum ich dieses Ergebnis bekommen habe. Ich bin schockiert, für mich ist es eine Katastrophe, ich kann nicht zurück in mein Land, ich bin verzweifelt."
    So wie Sharareh ergeht es derzeit vielen iranischen Flüchtlingen, die zum Christentum konvertiert sind. Auch, wenn sie aktive Kirchenmitglieder sind und ihre Pastoren ihnen das bescheinigen.
    "Ich verfasse für diejenigen, natürlich nur bei denen ich selber ganz überzeugt bin, ausführliche pfarramtliche Bescheinigungen, in denen ich eben genau das schildere, was ein Anhörer natürlich in dieser Situation selber gar nicht wahrnehmen kann", sagt Pastor Gottfried Martens, Leiter der größten Konvertiten-Gemeinde in Deutschland. Die Gemeinde in Berlin-Steglitz versteht sich als Missionsgemeinde, zu der über 1.000 Flüchtlinge aus dem Iran und Afghanistan gezählt werden. Doch die Beurteilungen, die Martens für seine Konvertiten schreibt, scheinen beim Bundesamt keine Rolle zu spielen.
    Aussagen der Pastoren nicht berücksichtigt
    "Was ich mir wünschen würde, ist, dass man zumindest versucht, irgendetwas wie Plausibilität herzustellen, wenn in einer Entscheidung meiner pfarramtlichen Bescheinigung diametral widersprochen wird", sagt Martens.
    Die Anträge von Asylbewerbern in seiner Gemeinde, so Martens, würden zurzeit alle abgelehnt, egal wie stark sie sich für seinen neuen christlichen Glauben engagierten. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge betont dagegen:
    "Das Entscheidende ist ja das Gesamtbild, das wir jetzt durch die Befragung von dem Antragsteller haben. Dass wir den Eindruck haben, dass der Glaubenswechsel zu einer Veränderung seiner Person geführt hat, dass er durch den neuen Glauben auch irgendwo geprägt ist."
    Pastor Gottfried Martens in Berlin: Mehrere hundert Iraner und Afghanen haben sich von ihm in den vergangenen Jahren taufen lassen.
    Pastor Gottfried Martens in Berlin: Mehrere hundert Iraner und Afghanen haben sich von ihm in den vergangenen Jahren taufen lassen. (dpa / Lukas Schulze)
    Sagt Ursula Gräfin Praschma, Direktorin für Internationale Aufgaben im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Das ist der Kern der Problematik: Die Beurteilung, ob und wie der neue Glaube den Konvertiten prägt. Von der Antwort auf diese Frage hängt ab, ob Asyl gewährt wird oder nicht. Das zeigt auch der Ablehnungsbescheid, den Sharareh, die Konvertitin aus Teheran, bekommen hat. Das Bundesamt hält ausführlich fest, sie sei in Teheran Mitglied einer Untergrund-Hauskirche gewesen, habe überstürzt fliehen müssen, wie gefährlich die Lage für Konvertiten im Iran sei, dass Sharareh in Deutschland ein neues Leben aufzubauen versuche, dass sie in ihrer Kirchengemeinde aktiv sei und der christliche Glaube ihr Stabilität gebe. Und doch kommt das Bundesamt in seinem 19-seitigen Bescheid zu dem Schluss, ihre Konversion sei nicht glaubhaft.
    "Der Eindruck einer identitätsprägenden Hinwendung zum Christentum konnte nicht gewonnen werden. Eine enge persönliche Gottesbindung mit dem dauerhaften ernsthaften Bedürfnis, ein zentral christlich geprägtes Leben weiterhin zu führen, ist bei ihr nicht überzeugend erkennbar."
    Etwa 20 Prozent Schein-Konvertiten
    Sharareh ist verzweifelt. Niemals hätte sie das für möglich gehalten: dass man ausgerechnet hier, in Europa, ihren Glaubenswechsel anzweifelt. Hätte sie wegen ihrer Konversion nicht fliehen müssen, würde sie noch heute im Iran leben.
    "Es ging mir gut in Iran. Ich hatte einen Job, eine Wohnung, ein Auto. Meine Familie ist gut situiert."
    Das, was Sharareh derzeit erlebt, erleben viele Iraner. Von Karlsruhe bis Flensburg ähneln sich die Formulierungen in den Ablehnungsbescheiden. Auf der Webseite des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge kann man einige Verwaltungsgerichtsurteile nachlesen. Egal, wie engagiert jemand in der Gemeinde ist, fast immer heißt es, eine - Zitat - "tiefe, persönliche Gottesbindung" bestehe nicht. Dieses Urteil über die religiöse Einstellung des Asylbewerbers fällt das Bundesamt in der Regel nach einem Gespräch. Die Meinung derjenigen, die die Konvertiten mehrere Monate lang begleiten - etwa im Taufunterricht, blieben unberücksichtigt, so der Vorwurf der Kirchenmänner und -frauen, die allerdings einräumen, dass es unter den Konvertiten etwa 20 Prozent Schein-Konvertiten gibt. Aber selbst Seelsorger hätten Schwierigkeiten, Schein-Konvertiten zu identifizieren. Das Bundesamt, so Ursula Gräfin Praschma, prüfe in erster Linie:
    "Ob dem Antragsteller etwas passiert, wenn er in sein Heimatland zurückkehren müsste", so Praschma. "Und die zweite Prognose ist, wie würde der Heimatstaat dann daraufhin reagieren. Und wenn ich jetzt prüfen möchte, wie wird sich der Antragsteller verhalten, dann muss ich ja für meine Prognose irgendeinen Anhaltspunkt haben. Und dieser Anhaltspunkt ist, in welcher Art und Weise engagiert sich der Gläubige hier in Deutschland für seinen neuen Glauben."
    Glauben soll im Heimatland heimlich gelebt werden
    Denn ein überzeugter Christ, dem aufgrund seines Glaubens in seinem Heimatland ziemlich sicher Verfolgung drohe, dürfe nicht abgeschoben werden. Allen anderen sei zuzumuten, dass sie nach Rückkehr in das Heimatland ihren Glauben heimlich lebten. Allerdings müssten Gottesdienste gemeinsam mit anderen Gläubigen möglich sein. Genau das sei ihr im Iran nicht möglich gewesen, sagt Sharareh.
    "Wir sind uns über das Risiko im Iran absolut bewusst, und wir agieren hier nicht leichtsinnig", sagt Praschma. "Wenn also bei uns jemand glaubhaft machen kann, dass er ein richtig gutes Engagement für seinen Glauben hier auch an den Tag legt, dann gehen wir nicht davon aus, dass wir ihn zurückschicken können."
    Sharareh hat gegen den Ablehnungsbescheid vor dem Verwaltungsgericht geklagt. Wenn das Gericht die Asylablehnung bestätigt, muss sie in den Iran zurück.
    "Ich habe viel Angst. Wenn ich zurück muss nach Iran, sofort ich werde im Flughafen verhaftet."