Homosexuelle haben in Europa ein Recht auf Asyl, wenn ihnen in ihrer Heimat die Verhaftung droht. So viel steht fest. Die Klärung der Frage allerdings, ob ein Antragsteller tatsächlich schwul und damit im Herkunftsland Verfolgung ausgesetzt ist, kann für die prüfenden Behörden im Einzelfall zur Gratwanderung werden.
Zu starker Eingriff ins Privatleben
Psychologische Tests jedenfalls, um die sexuelle Orientierung festzustellen, untersagt der Europäische Gerichtshof eindeutig. Mit deren Durchführung würde zu sehr in das Privatleben eines Asylbewerbers eingegriffen, so die Begründung. Der Justiziar des Lesben- und Schwulen-Verbands in Deutschland (LSVD), Manfred Bruns, begrüßte das Urteil im Telefoninterview mit dem ARD-Studio Brüssel. Es stehe voll im Einklang mit der deutschen Praxis:
"Die deutschen Gerichte holen seit mehreren Jahren keine solchen Gutachten mehr ein. Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht. Weil sie zu der Erkenntnis gelangt sind, dass die Gutachter nur das beurteilen können, was ihnen die Bewerber erzählen."
Nur Gutachten zur Situation Homosexueller im Heimatland erlaubt
Im konkreten Fall ging es um einen Mann aus Nigeria, der in Ungarn Asyl beantragt hatte. Ein Psychologe stufte den Nigerianer als nicht glaubwürdig ein. Wogegen der wiederum gerichtlich vorging. Was dann letztlich die Frage aufwarf, ob psychologische Gutachten zur Feststellung der sexuellen Orientierung überhaupt zulässig sind. Nein, sagen die Richter in Luxemburg: Persönliche Anhörungen des Betroffenen seien zwar durchaus erlaubt, aber eben nicht irgendeine Art von Test, der Einblick in intime Lebensbereiche des Bewerbers gibt.
Urteil von 2014: Ja zu Befragungen, Nein zu Tests
Leidglich Gutachten, die das Privatleben des Betroffenen achten, hält der Europäische Gerichtshof für zulässig. Als Beispiel führen die Juristen die Prüfung der Lage Homosexueller im Herkunftsland an.
Intime Videos als Beweis nicht zulässig
Bereits im Dezember 2014 hatte das Gericht die rechtlichen Grenzen für Asylgrund-Prüfungen abgesteckt: Befragen dürfen die Behörden durchaus, so das Urteil damals. Tests oder Homosexualitäts-Beweise erklärte es aber schon damals für Tabu.
"Es dürfen keine Tests verlangt werden, zum Beispiel diese sogenannten Phallogramme, da werden den Menschen irgendwelche pornographischen Bilder vorgespielt. Es darf auch nicht verlangt werden, dass der Bewerber irgendwelche intimen Fotos vorlegt", erläutert Manfred Bruns vom Lesben- und Schwulenverband.
Ein Antragsteller hatte damals ein Video eingereicht als Beleg für seine sexuelle Orientierung. Das dürften prüfende Behörden nicht akzeptieren, erklärte der EuGH, weil es zur Nachahmung anrege. Das heutige Urteil steht also im Einklang mit der Rechtsprechung von vor etwas mehr als drei Jahren, präzisiert sie aber noch etwas. EuGH-Urteile gelten grundsätzlich als Richtschnur für Entscheidungen der nationalen Gerichte.