Demo vor dem Anker-Zentrum Manching bei Ingolstadt. 30, meist nigerianische Asylbewerber, protestieren gegen ihre Unterbringung. Zu Recht, findet Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat. Denn das Anker-Zentrum sei mit seinen 1500 Plätzen viel zu groß.
"Wenn ich so große Lager einrichte, mit der Kapazität von 1000, 2000, in Bamberg von 3400 Menschen – und so viele Menschen auf engem Raum unterbringe, dann führt das ganz klar zu Konflikten. Es wird immer wieder krachen. Das weiß auch die Polizei. Die sagen das auch regelmäßig. Es kommt zu Schlägereien und Gewaltausbrüchen."
Seit heute gibt es in Bayern offiziell sieben Ankerzentren. In jedem bayerischen Regierungsbezirk eines. Ministerpräsident Markus Söder erhofft sich von den Einrichtungen schnellere Asylverfahren: "Dieses lange Warten auf Entscheidungen ist doch sowohl für die Betroffenen als auch für die Bevölkerung die eigentliche Herausforderung. Ordentliches, zügiges Verfahren und schnelle Entscheidung – das ist dann alles in einer Hand!"
Denn in die bayerischen Ankerzentren sind verschiedene Behörden integriert, die für eine Asylentscheidung maßgeblich sind, sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann:
"In diesen Anker-Einrichtungen können dann die Landes-Ausländerbehörde, das BAMF, die Sozialverwaltung, die gesundheitliche Überprüfung, auch die Antragstellungen zum Verwaltungsgericht stattfinden. Bis hin zur Bundesagentur für Arbeit, die diejenigen, die anerkannt werden, sehr schnell in den Arbeitsmarkt integrieren. Wo also alles in einer Einrichtung beisammen ist."
Anwohner zeigen sich skeptisch
Die bayrische Staatsregierung verspricht sich von den Ankerzentren auch mehr Rückführungen abgelehnter Asylbewerber. Das allerdings bezweifelt Peter Schall, der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in Bayern. Schall glaubt, dass sich viele abgelehnte Asylbewerber auch weiterhin der Abschiebung entziehen. Ankerzentrum hin oder her.
"Vom Konzept her sind die Leute dort untergebracht. Das heißt, sie [die Polizei] hat keinerlei Grundlage, dass sie die Person, die darin Quartier nimmt, jetzt festhalten, und der darf nicht raus. Die bewegen sich untertags ganz normal, schauen, dass sie in die Stadt kommen. Sich mit anderen treffen können."
Viele Anwohner der Ankerzentren sind skeptisch, etwa in Zirndorf bei Nürnberg. Der dortige SPD-Bürgermeister Thomas Zwingel hofft, dass die Staatsregierung dafür sorgt, dass möglichst viele unterschiedliche Asylbewerber in das Ankerzentrum kommen.
"Wichtig ist mir die Durchmischung von Ausreisepflichtigen mit solchen, die hier eine Perspektive haben. Wichtig ist mir auch, dass die Kapazität gleichbleibt. Ich beziehe mich auf den tatsächlichen Stand in Zirndorf, mit 500 Plätzen, dass das gleichbleibt."
In Zirndorf steht eher ein kleines Ankerzentrum. Das Ankerzentrum Bamberg dagegen hat rund 3000 Plätze. Allerdings ist es nicht voll belegt, beteuert Bayerns Innenminister Herrmann.
"Nach dem derzeitigen Stand der Dinge und dem derzeitigen Zugang von neuen Flüchtlingen in den letzten Monaten gehe ich nicht davon aus, dass wir an einem der neuen Standorte die Unterbringungszahlen vergrößern müssen. Das wird in dem bisherigen Umfang weiterlaufen."
Bayerns Innenminister Herrmann beteuert zwar, es gebe keine reinen Ablehnungszentren. Allerdings sind in manchen Zentren bestimmte Nationalitäten besonders stark vertreten. In Manching z.B. wohnen besonders viele Nigerianer, deren Chancen auf Anerkennung gering sind. Peter Schall von der Gewerkschaft der Polizei sagt:
"Das sind die Leute, wo man sagt, das sind typischerweise die Wirtschaftsflüchtlinge, besonders aus Schwarzafrika. Die stellen halt einen Asylantrag, weil sie sich erhoffen, dass sie vielleicht doch anerkannt werden."
Bisher hat nur Sachsen Interesse an Ankerzentren
Die Opposition in Bayern lehnt die Ankerzentren ab. Die Grünen bezeichnen sie als unmenschlich. Die Freien Wähler sprechen von Etikettenschwindel – denn die neuen Ankerzentren seien nichts anderes als die bisherigen Erstaufnahme-Einrichtungen. Bayern ist bisher das einzige Bundesland, das Ankerzentren umsetzt.
"Die SPD muss sich dort, wo sie auf Landesebene regiert, fragen lassen, was das dann nun zu bedeuten hat, wenn man in Berlin etwas in den Koalitionsvertrag schreibt. Ich bin gespannt, wie das auch andernorts vorangebracht wird.
Bisher hat nur Sachsen Interesse an der Einrichtung von Ankerzentren gezeigt. Andere Bundesländer, etwa Thüringen, schließen sie aus. Das hat politische, aber auch finanzielle Gründe: die Einrichtung von Ankerzentren ist meistens teurer als die dezentrale Unterbringung. Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat hält sie für nutzlos.
"Diese Ankerzentren beschleunigen nichts, überhaupt gar nichts. Das einzige, was sie machen, ist, die Dauer, die man Flüchtlinge in solchen großen Lagern unterbringen kann, so maximal wie möglich auszudehnen. Jeder muss bis zur Entscheidung des Bundesamtes da drin bleiben. Und wer abgelehnt wird, muss durch das gesamte Klageverfahren da drin bleiben. Und wer vor Gericht verliert, bleibt weiter da drin. Mit Arbeitsverboten, mit Residenzpflicht, mit Kantinenversorgung. Ohne Deutschkurse. Ohne nix."
Dass abgelehnte Asylbewerber in den Ankerzentren frustriert werden – ist ein Nebeneffekt, den die bayerische Staatsregierung zwar nicht offiziell herbeiwünscht. Aber über den sie auch nicht unglücklich zu sein scheint. Man erhoffe sich, so Bayerns Innenminister Herrmann, dass die Zahl der freiwilligen Rückkehrer steigt. Die Demo vor dem Ankerzentrum Manching zeigt: das Kalkül könnte aufgehen.