Seit 1999 arbeitet die Europäische Union daran, einheitliche Schutz- und Aufnahmenormen zu vereinbaren. Asylsuchenden soll in der gesamten EU unter gleichen Bedingungen internationaler Schutz gewährt werden. Nach jahrelangem Streit wurde im Mai 2024 eine umstrittene Asylreform beschlossen.
Gemeinsames Europäisches Asylsystem (Geas)
In dem gemeinsamen Europäischen Asylsystem (Geas) wird die Verteilung der Schutzsuchenden auf die EU-Mitgliedstaaten mit einem sogenannten Solidaritätsmechanismus neu geregelt. Damit sollen jene Länder, in denen viele Geflüchtete ankommen, entlastet werden - also beispielsweise Italien, Griechenland oder Spanien. Geplant ist, dass pro Jahr mindestens 30.000 Geflüchtete aus diesen Ländern in andere EU-Staaten umverteilt werden. Wenn die Länder keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, müssen sie Unterstützung leisten zum Beispiel in Form von Geldzahlungen. Die Reform sieht außerdem schnelle Asylverfahren an den Außengrenzen der EU und einen deutlich härteren Umgang mit Menschen aus Ländern vor, die als relativ sicher gelten.
Sichere Herkunftsstaaten
Nach Artikel 16a des Grundgesetzes gelten Länder, in denen "weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet", als sichere Herkunftsstaaten. Aktuell gilt das für die Staaten der Europäischen Union, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Ghana, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro, Moldau, Senegal und Serbien. Die Annahme: Wer aus einem dieser Staaten stammt, dem droht in seiner Heimat kein ernsthafter Schaden. Der Asylantrag wird deshalb in der Regel als offensichtlich unbegründet abgelehnt.
Asylverfahren in Drittstaaten: Die Modelle Ruanda und Albanien gibt es schon
Die Union dringt seit langem auf eine Regelung, nach der Migranten entweder schon auf ihrem Weg nach Europa in Transitstaaten Asylverfahren durchlaufen oder nach Ankunft in Deutschland in Drittstaaten außerhalb der EU geschickt werden. Italien hat ein solches Modell mit Albanien für Bootsflüchtlinge vereinbart, die im Mittelmeer aufgegriffen werden. Großbritannien will Asylbewerber nach Ruanda bringen. Sie sollen dann auch dort bleiben, wenn ihnen bei der Prüfung ein Schutzstatus gewährt wird. Bundesinnenministerin Faeser (SPD) hatte auf Bitten der Bundesländer zu den rechtlichen und praktischen Voraussetzungen Stellungnahmen von Experten eingeholt. Nach dem Bund-Länder-Gipfel am Donnerstag sicherte Faeser eine "umfassende und ergebnisoffene" Prüfung der Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten zu.
Subsidiärer Schutz
Das deutsche Recht sieht verschiedene Arten von Schutz für Flüchtlinge vor. Am seltensten wird der umfassende Asylschutz nach Artikel 16 des Grundgesetzes gewährt. Häufiger bekommen Schutzsuchende die Rechtstellung als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) oder subsidiären Schutz. Während der Flüchtlingsstatus vergeben wird, wenn jemand wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe Verfolgung fürchten muss, kommt der untergeordnete subsidiäre Schutz bereits dann zum Tragen, wenn allgemein ein "ernsthafter Schaden" im Herkunftsland droht. Der klassische Fall dafür ist ein Krieg in der Heimat, aber auch drohende Todesstrafe oder Folter können Gründe sein.
Seit der Fluchtbewegung aus Syrien wird der subsidiäre Schutz deutlich häufiger vergeben. Endeten 2015 noch 0,6 Prozent der Asylentscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz, waren es 2016 bereits 22,1 Prozent. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres lag die Quote sogar bei 27,1 Prozent. Mit dem Flüchtlingsstatus nach GFK endeten im aktuellen Jahr nur noch 13 Prozent der Asylentscheidungen, 2015 waren es 48,5 Prozent. Anerkennungen nach Artikel 16 des Grundgesetzes machen nur rund ein Prozent der Entscheidungen aus.
Subsidiär Schutzberechtigte sind gegenüber nach Flüchtlingskonvention anerkannten Schutzsuchenden schlechter gestellt. Sie bekommen zunächst nur eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr statt für drei Jahre. Zudem haben sie keinen Anspruch darauf, dass ihre Familien auch nach Deutschland kommen können.
Begriff "Obergrenze"
Seit der Zunahme der Flüchtlingszahlen 2015 und 2016 wird immer wieder darüber diskutiert, wie viele Flüchtlinge deutsche Städte und Gemeinden aufnehmen können. Der damalige CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Seehofer forderte vehement eine "Obergrenze" von 200.000 Personen, die pro Jahr aufgenommen werden könnten. Sein Nachfolger Söder (CSU) erneuerte die Forderung im Landtagswahlkampf 2023. Zuletzt brachte die CDU mit ihrem Chef Merz und Sachsens Ministerpräsident Kretschmer eine solche "Obergrenze" wieder ins Spiel. Aus Sicht der UNO-Flüchtlingshilfe wird der Begriff "Obergrenze" instrumentalisiert, "um Ängste oder Vorurteile gegenüber Flüchtlingen zu schüren". Die Organisation kritisiert zudem: Damit werde der Eindruck erweckt, Migrationszahlen unabhängig von der tatsächlichen Situation der Flüchtenden begrenzen zu können.
Migrationsabkommen
Dem Bundesinnenministerium zufolge sollen Abkommen mit anderen Ländern dazu dienen, unerlaubte Einwanderung zu verringern und gleichzeitig legale Einwanderung zu ermöglichen. Im Dezember 2022 etwa wurde ein solches Migrationsabkommen mit Indien geschlossen. Das Gesamtkonzept umfasst den Ausbau wirtschaftlicher Zusammenarbeit, Technologie-Transfer, Visa-Erleichterungen, Qualifizierungsmaßnahmen für den deutschen Arbeitsmarkt, Jobbörsen und im Gegenzug die Zusammenarbeit bei der Rückkehr ausreisepflichtiger Menschen.
Geld- und Sachleistungen
Um zu verhindern, dass Asylbewerber Geld in ihre Heimat überweisen, sollen Geflüchtete Leistungen über eine sogenannte Bezahlkarte erhalten. Eine entsprechende Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes ist am 16. Mai 2024 in Kraft getreten. Es schreibt allgemein vor, dass Asylbewerber, deren Antrag noch geprüft wird, derzeit etwa als Alleinstehende maximal 460 Euro im Monat bekommen. Davon gibt es den größeren Teil für den notwendigen Bedarf: 256 Euro sind für Sachleistungen wie Unterkunft, Kleidung oder Ernährung und 204 Euro für den persönlichen Bedarf als "Taschengeld" vorgesehen. Bei der geplanten Bezahlkarte für Asylbewerber haben sich die Länder darauf geeinigt, die Auszahlung von Bargeld auf 50 Euro pro Monat zu begrenzen. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hessens Regierungschef Rhein (CDU), sprach von einem wichtigen Zeichen. Die Bezahlkarte solle ab dem Sommer an den Start gehen, wenn die Ausschreibung für den Dienstleister beendet sein wird.
Rückführung und Abschiebung
Mit Rückführung ist eine erzwungene Rückkehr in das Herkunftsland gemeint. Das geschieht laut Bundesinnenministerium, "wenn die pflichtgemäße Ausreise in der gesetzten Frist nicht freiwillig erfolgt ist". Die UNO-Flüchtlingshilfe erklärt, dass Rückführung und Abschiebung juristisch gesehen dasselbe bedeuten. Im Vergleich zur Abschiebung werde der Begriff Rückführung jedoch stärker mit Sicherheit und Gesetzeskonformität assoziiert, so die Organisation.
Nach der Gewalttat eines mutmaßlichen Islamisten aus Afghanistan in Mannheim war die Debatte über die Wiederaufnahme der 2021 ausgesetzten Abschiebungen in das Land neu entbrannt. Bundeskanzler Scholz sprach sich dafür aus, Straftäter aus Syrien und Afghanistan abzuschieben. "Schwerstkriminelle und terroristische Gefährder haben hier nichts verloren", sagte der SPD-Politiker im Bundestag. Zuspruch kommt von den Ländern. Es bleibt aber weiterhin offen, wie die Bundesregierung die Abschiebungen praktisch umsetzen will. Im Fall von Afghanistan geht das nur über Verhandlungen mit dem Taliban-Regime oder Vereinbarungen mit den Nachbarländern. Zudem gibt es in der Ampel-Koalition auch Widerstand gegen die Pläne, vor allem von den Grünen.
Zusätzliche Grenzkontrollen
Die Bundesländer begrüßen die im Oktober eingeführten zusätzlichen Kontrollen an der Grenze zu Tschechien, Polen und der Schweiz. In dem gemeinsamen Beschluss mit dem Bund heißt es, die Bundespolizei nutze die Binnengrenzkontrollen schon jetzt dazu, Flüchtlinge, die aus einem anderen EU-Mitgliedstaat einreisten, entsprechend den rechtlichen Möglichkeiten zurückzuweisen. Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs seien der Auffassung, dass die EU-Rückführungsrichtlinie bei einer Neufassung so formuliert werden sollte, dass Zurückweisungen weiter "in einer praktikablen Weise erfolgen können."
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Diese Nachricht wurde am 21.06.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.