Die Erfahrung mit Transitzonen an Flughäfen habe gezeigt, dass man nicht innerhalb weniger Stunden oder Tage entscheiden könne, ob ein Asylantrag abzulehnen sei. Die Behördenmitarbeiter müssten dafür mehr als nur das Herkunftsland der betroffenen Person kennen. Eine Befragung müsse zudem in einer stressfreien Atmosphäre stattfinden, und die Mitarbeiter sollten entsprechend geschult sein, sagte Burkhardt.
Er lehnt es ab, dass, wie in einem Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums vorgesehen, auch Polizisten die Befragungen künftig durchführen sollen. Schnelle Abschiebungen könnten sich als fatale Fehlentscheidung herausstellen. "Wir können in Deutschland nicht einfach die Menschenrechte außer Kraft setzen", sagte der Geschäftsführer von Pro Asyl.
Als Beispiel führte Burkardt Fälle aus den 1990er-Jahren an. Da seien an Flughäfen schnelle Asyl-Entscheidungen gefallen, die bis heute rechtswidrig seien: "So ein Eilverfahren führt zu einer extremen Gefährdung von Menschenleben", so Burkhardt.
Das vollständige Interview:
Peter Kapern: "Die Einrichtung von Transitzonen wird die Flüchtlingskrise nicht lösen." Das sagt Kanzlerin Angela Merkel. Und dennoch fügt sie hinzu: Trotzdem könne das Verfahren genutzt werden. Warum das? Um Horst Seehofer entgegenzukommen, der seit Wochen drastische Maßnahmen gegen die anhaltend hohe Zahl von Flüchtlingen verlangt, die nach Deutschland kommen? Seehofer jedenfalls geht davon aus, dass das, was an Flughäfen funktioniert, auch an den Außengrenzen Deutschlands funktionieren wird. - Am Telefon ist Günter Burkhardt, Geschäftsführer der Flüchtlings-Hilfsorganisation Pro Asyl. Guten Morgen, Herr Burkhardt.
Günter Burkhardt: Guten Morgen!
Kapern: Die CSU sagt, die Transitzonen an Flughäfen sind eine Erfolgsgeschichte. Das sieht Pro Asyl - das überrascht nur wenige unserer Hörer jetzt - völlig anders. Warum?
Burkhardt: Das Ziel eines Asylverfahrens ist es herauszufinden: Gibt es da jemand, der Schutz braucht, der verfolgt ist? Das gelingt nicht in Eilverfahren an den Flughäfen. Wenn ich mir den Frankfurter Flughafen anschaue, dann sind in diesem Jahr knapp 1.500 Menschen angekommen in diesem Flughafenverfahren. 41 wurden zurückgewiesen. Das heißt, die Beamten haben dann doch sehr genau geprüft und feststellen müssen, in einem Transit-Gefängnis kann ich nicht innerhalb von wenigen Tagen entscheiden, ist dieser Mensch als offensichtlich unbegründet abzulehnen.
Kapern: Um noch mal kurz bei den Zahlen zu bleiben. Von diesen rund 1.500 Menschen sind rund 1.450 dann nach Deutschland eingereist - da muss ich noch mal nachfragen -, um dann ein reguläres Asylverfahren zu durchlaufen, oder weil ihr Asylantrag so klipp und klar war, dass er schon genehmigt war nach wenigen Tagen?
Burkhardt: Nein! Es geht ja darum, dass an den Flughäfen die offensichtlich unbegründeten Fälle, die es angeblich sein sollen, quasi zurückgewiesen werden. Das war in den vergangenen Jahren allerdings anders. Pro Asyl hat Fälle dokumentiert von Eritreern, gefoltert, malträtiert, und die sind nach der Abschiebung dort in Elendsgefängnissen gelandet. Es gibt am Frankfurter Flughafen auch Anwälte, die glücklicherweise vor Gericht in manchen Fällen eine Chance haben. Das heißt, hier lebt eine Zivilgesellschaft mit Gericht, mit Anwälten in einem Verfahren, was rechtsstaatlich äußerst fragwürdig ist. Aber es gibt auch Skrupel bei dem Bundesamt, dieses Verfahren in der ganzen Härte, die theoretisch möglich wäre, durchzuziehen.
Kapern: Warum funktionieren, wenn ich das mal so sagen darf, technisch betrachtet Eilverfahren an den Flughäfen nicht?
Burkhardt: Sie funktionieren technisch gesehen insofern, dass man die Menschen inhaftieren kann. An Landgrenzen wäre das anders. Aber Sie müssen entscheiden, ist so offensichtlich, dass jemand hier abzulehnen, zurückzuweisen ist. Das geht eben nicht innerhalb von wenigen Stunden, wie man sich das so salopp vorstellt.
"Wir können nicht die Menschenrechte außer Kraft setzen"
Kapern: Ich habe in der Vorbereitung auf dieses Interview gelesen, dass anders als bei regulären Asylverfahren die Anhörung an den Flughäfen von Polizeibeamten von der Bundespolizei durchgeführt wird. Macht das eigentlich einen Unterschied?
Burkhardt: Die Anhörung wird vom Bundesamt durchgeführt. Die muss auch vom Bundesamt durchgeführt werden, weil man muss ja wissen, was man fragt. Das können nicht Polizisten. In dem Gesetzentwurf des Innenministeriums zielt man darauf, dass Polizisten die Anhörung durchführen. Es ist bei einer Anhörung auch herauszufiltern, wo kommt der Mensch her. Ich kann zum Beispiel an den Landgrenzen nicht einen Syrer einfach nach Österreich zurückschicken, sondern er muss in den zuständigen EU-Staat, also Ungarn möglicherweise. Und dann muss ich wissen, was geschieht ihm denn dort. Ich muss wissen, wie ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wie die der deutschen Gerichte. Viele Abschiebungen etwa nach Ungarn, wie früher in Griechenland, werden gestoppt, weil die Zustände dort menschenrechtswidrig sind, und wir können hier in Deutschland nicht einfach die Menschenrechte außer Kraft setzen.
Kapern: Aber noch mal nachgefragt. Ich sagte ja gerade, und Sie haben mich da ja korrigiert, in den geplanten Transitzonen an den Außengrenzen Deutschlands, so wie sie von der Union jetzt verlangt werden, dort würden die Anhörungen von Bundespolizisten dem Gesetzentwurf zufolge gemacht werden. Können die diese Unterscheidungen nicht treffen, die Sie da anmahnen?
Burkhardt: Nein, weil dazu müssen sie geschult sein. Sie brauchen eine Atmosphäre, die stressfrei ist, wo ein Mensch erklärt, warum ist er geflohen. Das ist ein reguläres Asylverfahren. Und wie will man denn in einem Schnellverfahren das herausfiltern? Nur nach der Herkunft und dann Pi mal Daumen entscheiden? Das waren ja die Erfahrungen der 1990er-Jahre in Frankfurt am Flughafen, als solche Entscheidungen auch getroffen wurden und wir dann erleben mussten, dass es zu eklatanten Fehlentscheidungen kam, wo Menschenleben akut gefährdet sind. Ein Flüchtling aus Indien, dem drohte die Todesstrafe, der ist zurückgeschickt worden, der ist heute noch rechtswidrig dort inhaftiert, obwohl später Gerichte feststellten, hier an dem Fall ist was dran. Also: Dieses Eilverfahren führt zu einer extremen Gefährdung von Menschenleben.
Es hat mit rechtsstaatlichem Verfahren wenig zu tun
Kapern: Selbst dann, wenn man, wie Sie das eben getan haben, attestieren muss, dass die allermeisten Flüchtlinge, die in einem solchen Eilverfahren landen, dann doch ins Land gelassen werden.
Burkhardt: Ja in den 1990er-Jahren, 2000er-Jahren wurden von circa vier- bis fünftausend rund zehn Prozent quasi versucht, zurückzuweisen. Das heißt, das Verfahren ist ungeeignet, um Menschen fernzuhalten, wenn man nach Recht und Gesetz und nach Menschenrechten agieren will. Wenn ich aber eine Grauzone schaffen will, in der man nach politischem Willen Menschen zurückschicken kann, dann muss man so ein Verfahren wollen. Nur das hat mit einem rechtsstaatlichen Verfahren wenig zu tun.
Kapern: Denken Sie, dass das das Motiv der beteiligten Unions-Politiker ist, eine Grauzone, eine rechtliche Grauzone zu schaffen?
Burkhardt: Das ist nicht das Motiv, aber es wäre die Folge. Das Motiv heißt, wir möchten die Signale in Deutschland auf Rot stellen, es sollen keine Flüchtlinge mehr kommen. Das kommunizieren wir der Bevölkerung. Und in dem Zusammenhang wird ja auch morgen voraussichtlich im Bundestag auf Betreiben der CSU ein knallhartes Gesetz verabschiedet, was auf Abschreckung und Ausgrenzung setzt.
Kapern: ... sagt Günter Burkhardt, der Geschäftsführer der Flüchtlings-Hilfsorganisation Pro Asyl. Herr Burkhardt, danke, dass Sie Zeit hatten heute Früh für uns und unsere Hörer. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag nach Frankfurt.
Burkhardt: Danke schön!
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