"Für mich wird es, ich will nicht sagen ein Wettkampf wie jeder andere, aber auf jeden Fall kein Wettkampf sein, wie Olympia normalerweise ist", sagt Wasserspringer Patrick Hausding. Die Olympischen Spiele in Tokio werden seine vierten und letzten als aktiver Athlet werden.
"Wenn es nach mir ginge: Ich würde hinfahren, meine Wettkämpfe machen, und wenn ich fertig bin, dann fahre ich wieder nach Hause."
Abreise spätestens 48 Stunden nach dem eigenen Wettkampf, so sieht es auch das sogenannte Playbook des Internationalen Olympischen Komitees vor. Strikte Hygienemaßnahmen, ein durchgetakteter Zeitplan und tägliche Corona-Tests, um zu gewährleisten, dass die Spiele möglichst nicht zum Superspreader werden. Einen Vorgeschmack darauf bekamen die Wasserspringer*innen um Patrick Hausding vor ein paar Wochen bei den Qualifikationswettkämpfen in Tokio.
"Ich wurde in meinem ganzen Leben noch nicht so eingepfercht"
"Ich wurde in meinem ganzen Leben noch nicht so eingepfercht. Ich habe im zehnten Stock gewohnt. Dort gab es keinen Balkon oder Außenfläche, das Fenster im Hotel war eine Scheibe, die nicht zu öffnen war. Wir durften nur zur Rezeption runter, wenn es Richtung Sprunghalle ging. Und in der Halle wurden wir auch direkt wieder gebeten, reinzugehen. Also man durfte nicht draußen seine Zeit verbringen oder stehenbleiben, damit die sicherstellen, dass wirklich niemand durch eine Lücke abhaut."
Gefängnisartige Zustände, die aber alle für die Teilnahme in Kauf nehmen müssen.
"Ich denke dafür, dass wir dann im Endeffekt unseren Sport ausüben können, ist das nicht zu viel verlangt", findet Ruderin Carlotta Nwajide. Sie wird in Tokio das erste Mal in ihrer Karriere bei Olympischen Spielen an den Start gehen.
"Was natürlich schade ist: Dass wir untereinander nicht mehr so in Kontakt treten können, auch mit anderen Nationen. Das ist natürlich das, was den Sport mit ausmacht. Aber immerhin können wir zeigen, wofür wir die letzten Jahre unseres Lebens trainiert haben und wonach wir die letzten Jahre unseres Lebens ausgerichtet haben."
Überlastete Kliniken, Ausnahmezustand in Tokio
Auch, wenn in Japan die Infektionszahlen wieder steigen und Forderungen nach einer Absage der Spiele lauter werden: Für Nwajide ist es keine Option, die Teilnahme rund zwei Monate vor Start der Olympischen Spiele abzusagen.
"Unter dem Aspekt, dass einfach alle Hygieneregeln eingehalten werden müssen und mit einem guten Hygienekonzept ich der Meinung bin, dass es umsetzbar ist, Olympische Spiele jetzt stattfinden zu lassen."
Das sieht Hans-Peter Durst anders: Als zweifacher Paralympics-Sieger wollte er auch in Tokio mit dem Dreirad an den Start gehen – jetzt hat er seine Teilnahme an den Spielen kurzfristig abgesagt. Dass das IOC und auch das Internationale Paralympische Komitee die Spiele in Tokio mit aller Macht durchdrücken wollen, hält er für "sehr verantwortungslos, eben aus diesen zwei Gründen. Einmal ist es im Prinzip ein respektloser Umgang mit den Menschen in Japan, die für eine Absage oder gerne auch eine Verschiebung plädieren und ja nahezu Bettelbriefe und Petitionen schreiben. Und das andere ist, dass IOC und IPC sich mittlerweile immer mehr von den Wünschen der Athleten entfernen."
Im Vorfeld seiner Entscheidung hatte er mit seinem Team, aber auch mit Vertreter*innen aus der Sportpolitik die Vor- und Nachteile einer Teilnahme abgewägt.
"Am Ende war es eigentlich gar nicht so schwer diese Entscheidung zu treffen, weil die Informationen, die Eindrücke und Gespräche eine Entscheidung fast alternativlos gemacht haben."
Die Kliniken in Japan sind momentan überlastet, die Präfektur Tokio befindet sich immer noch im Ausnahmezustand, auch der Ärzteverband in Tokio hat inzwischen für eine Absage der Spiele plädiert. Aus Solidarität und Respekt gegenüber der japanischen Bevölkerung verzichtet Hans-Peter Durst deshalb auf einen Start in Tokio.
Pandemie als Chance für Olympia
"Da wäre ich ein bisschen egoistischer," sagt Wasserspringer Patrick Hausding, der inzwischen wie der Großteil der deutschen Athletinnen und Athleten geimpft wurde. Er könne jeden verstehen, der sich gegen eine Teilnahme an den Spielen entscheidet. Auch er nimmt die Entwicklungen in Japan mit Sorge zur Kenntnis und kann die Olympia-Proteste im Land nachvollziehen.
"Aber viele sollten auch die Sportler verstehen, die jahrelang dafür arbeiten, jetzt dabei zu sein. Das letzte Olympia ist fünf Jahre her, seitdem ist viel Zeit vergangen. Viele haben ihr Leben darauf angepasst, ihre Kraft und ihr Herzblut reingesteckt und ich glaube, die sollten die Chance bekommen, um das, was sie die ganze Zeit erarbeitet haben, auch ein Ergebnis abliefern zu können."
Olympia in Pandemie-Zeiten, für Hausding auch eine Chance, zum Ursprungsgedanken der Olympischen Idee zurückzukehren, "weil dieses Olympia unter dem Motto steht, dass es wirklich nur um den reinen harten Sport geht. Es geht nicht darum, so viele Zuschauer wie möglich in die Wettkampfanlagen zu bekommen. Es geht nicht darum, an jeder Ecke Werbung zu präsentieren. Sondern eigentlich macht man einen Schritt zurück zum antiken oder klassischen olympischen Sport, wo die Leistung immer noch mehr im Vordergrund steht als vielleicht bei den vergangenen Olympischen Spielen."