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Athleten Deutschland
Die Frage nach dem Sinn

Die deutschen Spitzenathleten wollen endlich auch in der Sportpolitik zu den Hauptdarstellern gehören. Deswegen haben sie auf ihrer Vollversammlung in Köln den Verein "Athleten Deutschland" gegründet. Gut so, kommentiert Andrea Schültke. Emanzipierten sich weitere Athleten, könne der DOSB überflüssig werden.

Von Andrea Schültke |
    Glückwunsch, Athleten Deutschland! Sie haben Sportgeschichte geschrieben! Sie sind die ersten Ehrenamtler, die als Weltklasseathleten neben Training, Beruf oder Studium eine eigenständige Interessenvertretung gegründet haben, akribisch vorbereitet, intensiv diskutiert und immer und immer wieder überprüft. Hut ab, gute Arbeit!
    Glückwunsch auch an den DOSB. Sie können stolz sein auf ihre mündigen Athleten. Die vertreten Deutschland nicht nur sporttreibend auf der ganzen Welt, sondern bringen sich auch ein, in die sportpolitische Diskussion. Beispiel: der Dopingskandal in Russland. Da haben die Athleten Haltung bewiesen, als andere noch danach suchten. Glückwunsch, DOSB, zu diesen Sportlern!
    Der DOSB könnte überflüssig werden
    Oh, war da etwas falsch? Sie möchten die Gratulation gar nicht annehmen? Weil Ihnen mündige Sportler gar nicht so lieb sind? Weil Sie bis zuletzt noch gehofft haben, dass die das mit dem Verein "Athleten Deutschland" nicht gebacken kriegen würden?
    Ups. Auf die Idee bin ich gar nicht gekommen. War davon ausgegangen, dass ein Dachverband das Vorhaben mit Inbrunst unterstützen würde. Tun Sie nicht? Komisch. Nein, oder? Sie haben doch nicht etwa Angst? Angst davor, dass Sie mit ihrem ganzen Apparat von Hauptamtlern überflüssig werden, wenn die Athleten sich selbständig gemacht haben?
    Was wären EM, WM oder Olympische Spiele ohne die Athleten?
    Stimmt. Je mehr ich darüber nachdenke - die Angst ist berechtigt. Noch sind Sie im DOSB für die Olympianominierungen zuständig. Aber muss das auf ewig so bleiben? Es sind schließlich die Sportler, die die Show liefern. Was wären Deutsche-, Europa- oder Weltmeisterschaften oder gar Olympische Spiele ohne die Athleten? Warum sollen sie dann nicht zum Beispiel mit ihren Fachverbänden auf Augenhöhe etwa auch über die Olympiafahrkarten entscheiden? Soweit ist es jetzt noch nicht.
    Der neue Verein muss jetzt erst einmal Geld bekommen, damit er überhaupt an die Arbeit gehen kann. Aber er ist gegründet. Es gibt "Athleten Deutschland". Und den Mitgliedern wird ihre zentrale Rolle im Sportsystem immer klarer. Vielleicht auch weil sie gemerkt haben, dass Sie vom DOSB den Verein lange Zeit nicht ernst genommen haben. Noch Ende vergangener Woche haben Sie den Sinn von "Athleten Deutschland" in einem Brief angezweifelt - und tun es immer noch.
    Sie lassen außer Acht, dass die Athleten den Kraftakt Vereinsgründung gar nicht unternommen hätten, wenn sie von ihrem Dachverband tatsächlich auf Augenhöhe ernst genommen worden wären. Sie vom DOSB bezweifeln den Sinn von "Athleten Deutschland". Dabei stellt sich seit dem vergangenen Wochenende eine ganz andere Frage: Wenn die Athleten immer selbständiger werden und professionell organisiert - wer braucht dann eigentlich noch den DOSB?