Archiv

Athletenkommission des IOC
Wahl eines zahnlosen Tigers?

Die Athletenkommission des Internationalen Olympischen Komitees hat vier neue Mitglieder. Doch es gibt Kritik an der Vertretung - laut Verein "Athleten Deutschland" ist sie zu abhängig vom IOC und dessen Präsidenten und hat vielfältige strukturelle Defizite.

Von Victoria Reith |
Die italienische Schwimmerin Federica Pellegrini.
Die italienische Schwimmerin Federica Pellegrini ist neu in die Athletenkommission des IOC gewählt worden. Doch wieviel Mitspracherecht sie dort hat, ist strittig. (dpa / picture alliance / Mickael Chavet)
Spaniens Basketball-Star Paul Gasol und Schwimmerin Federica Pellegrini aus Italien sind in die Athletenkommission des IOC gewählt worden. Außerdem die polnische Radsportlerin Maja Wloszczowska und Fechter Yuki Ota aus Japan. Ihre Amtszeit geht bis zu den Sommerspielen in Los Angeles im Jahr 2028, also sieben Jahre. Normalerweise, also außerhalb der Pandemie, wären es acht Jahre.

30 Athletinnen und Athleten hatten kandidiert, mehr als 6800 gaben ihre Stimme ab, die Möglichkeit dazu gab es an elf verschiedenen Orten, unter anderem im Olympischen Dorf. Insgesamt werden zwölf Mitglieder von den Sportlerinnen und Sportlern gewählt, acht aus den Sommersportarten und vier aus den Wintersportarten.
US-Leichtathlet Christian Taylor bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2017 in London.
"Athleten müssen eine Stimme haben"
US-Dreispringer Christian Taylor hatte ihre Gründung bereits im November 2019 angekündigt, nun nahm die "Athletics Association" ihre Arbeit auf. Die Vereinigung wolle sich unter anderem für das Recht von Athletinnen und Athleten einsetzen, "friedlich zu protestieren", sagte Taylor im Dlf.

Wahl "ohne substanziellen Wahlkampf"

Alle Kandidatinnen und Kandidatinnen müssen aber vorher vom IOC überhaupt erst zur Wahl zugelassen werden. Bis zu elf weitere Mitglieder werden vom IOC-Präsidenten selbst bestimmt, um – Zitat IOC – eine gute Balance zwischen Regionen, Geschlechtern und Sportarten zu schaffen.
Das kritisiert der Verein Athleten Deutschland in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem Deutschlandfunk: Dass fast 50 Prozent Mitglieder vom IOC-Präsidenten ernannt werden können, bedeute, dass sie damit unter seiner Kontrolle stünden. Der Verein würde sich wünschen, dass die gewählten Mitglieder indirekt über nationale Vertreterinnen und Vertreter legitimiert wären. Der Status quo bedeute, dass sie lediglich von Olympiateilnehmer*innen bei den Spielen vor Ort "ohne substanziellen Wahlkampf" gewählt würden.

Wertlose Wahl?

Der kanadische Geher Evan Dunfee kritisierte die Wahl auf Twitter: Sie sei ohnehin schon wertlos, weil elf von 24 Mitgliedern vom IOC ernannt würden. Aber eine seiner Teamkameradinnen werde an der Wahl gehindert, weil sie in einer Art Isolation sei. Sie dürfe mit dem Team trainieren und essen, aber nicht wählen. Dennoch habe er seine Stimme abgegeben.
Die Aufgaben der Kommissionsmitglieder sind laut IOC: die Athleten innerhalb der Olympischen Bewegung zu vertreten und sie in ihren Karrieren innerhalb und außerhalb des Sports zu unterstützen. Die Kommission an sich ist aber nicht eigenständig. Das IOC selbst schreibt: "Die Kommission kann nicht im Namen des IOC handeln oder es vor Dritten vertreten. Die Kommission hat keine Autorität, das IOC rechtlich zu binden oder zu etwas zu verpflichten."
Jadon Sancho, Fußballspieler bei Borussia Dortmund.
"Ich glaube, es geht um wirtschaftliche Interessen"
"Polarisierende Meinungen könnten der Marke Olympische Spiele schaden", sagt Sportwissenschaftler Ben Bendrichs im Dlf. Für ihn ist das Verbot politischer Äußerungen bei den Spielen eine Absicherung gegen Kritik.

Anfällig für Interessenkonflikte

Auch das kritisiert Athleten Deutschland: Dass die IOC-Athletenkommission nicht unabhängig vom IOC agiere, sondern innerhalb seiner Strukturen angesiedelt sei und demnach keine substanziellen Mitbestimmungsrechte habe. Die strukturellen Defizite machten die IOC-Athletenkommission anfällig für Interessenkonflikte und abhängig vom guten Willen handelnder Personen innerhalb des IOC.
Ein weiterer Kritikpunkt ist für den Verein Athleten Deutschland die lange Mandatsdauer: die könne zu fehlender kritischer Distanz zum Verband führen.
Während das IOC selbst die Wahl als Zeichen der Demokratie im Sport feiert, wünscht sich die deutsche Sportlervertretung mehr als eine Fortschreibung des Status quo: Sie wollen eine unabhängige Athletenkommission.