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Atkinson: Für künstlerische Kompromisse wird man selten belohnt

Als kehrt Rowan Atkinson in die Kinos zurück. Der tollpatschige Geheimagent soll einen Anschlag auf Chinas Ministerpräsidenten verhindern. Mit Rücksicht auf den Markt in China habe man die Handlung zwar verändert, in die chinesischen Kinos schaffte es der Film aber nicht.

Rowan Atkinson im Gespräch mit Sigrid Fischer |
    Sigrid Fischer: Sie eröffnen Ihren Film mit Szenen in einem tibetischen Kloster – dahin hat sich Johnny English nach seinem letzten Einsatz zurückgezogen. Und dann soll auch noch ein Anschlag auf den chinesischen Ministerpräsidenten erfolgen. Nun ist China ein wichtiger Markt für die Filmbranche, wird der Film dort ins Kino kommen?

    Rowan Atkinson: Nein, leider nicht. Und das ist ärgerlich. Ihnen gefällt die Idee nicht, dass jemand überhaupt auch nur versuchen könnte, den chinesischen Ministerpräsidenten umzubringen. Und wenn den Chinesen etwas nicht gefällt, bekommt man die unglaublichsten Gründe dafür zu hören. Es hieß, ihnen gefalle nicht, dass der chinesische Premier in unserem Film eine Glatze hat. Denn kein chinesischer Premier wäre jemals kahlköpfig. Und man denkt: waaas? Wir hatten anfangs einen viel interessanteren Plot, und zwar sollten chinesische Hardliner in der Regierung versuchen, den Ministerpräsidenten umzubringen, weil er ihnen zu liberal ist und sich zu sehr dem Westen öffnet. Ich fand das viel glaubwürdiger, aber da hat man uns gleich klar gemacht: Wenn wir den Film in China herausbringen wollen, muss das raus. Also sieht man da jetzt nur noch einen Typen in einem Parkhaus, der halbwegs chinesisch aussieht und sagt: "Hier sind 500 Millionen Dollar." Mehr erfährt man gar nicht über ihn. Und ich bedaure zutiefst, dass wir diesen Kompromiss eingegangen sind, weil uns gesagt wurde, so würde der Film den Chinesen gefallen. Das war ironischerweise eine Fehlinformation. Das zeigt, dass man für künstlerische Kompromisse selten belohnt wird.

    Fischer: Sind politisch korrekte Zeiten schwierig für anarchische Comedy?

    Atkinson: Mich beeinflusst das nicht sehr, ich versuche, nicht viel darüber nachzudenken. Ich war neulich etwas genervt, als mich jemand fragte, ob ich mit Daniel Kaluuya, der meinen Sidekick spielt, einen Schwarzen besetzt hätte, um moderner zu sein. Nein! Natürlich nicht, sondern weil er von den 45 Schauspielern, die wir für die Rolle gecastet haben, der Beste war. Und zufällig ist er schwarz. Wenn das modern ist, von mir aus, aber das war nicht der Grund. Es war auf jeden Fall keine Geste positiver Diskriminierung. Ich glaube, dass Comedy von solchen Überlegungen weitgehend unberührt ist.

    Was ich aber feststelle ist, wie erwachsen Filmkomödien heute oft sind. Wie grob und gewalttätig, Filme im Stil von "American Pie", "Hangover", "Wie Ausgewechselt". Ich mag groben Humor, aber einige dieser Filme überraschen mich in dem Punkt doch. Ich will nicht missionieren, sollen die Leute reingehen, aber es ist einfach nicht mein Ding. Und es ist merkwürdig festzustellen, dass man einer der sehr wenigen ist, die dieser neuen Konvention nicht entsprechen ... Aber ich mag nun mal Filme, die alle Altersgruppen, Männer wie Frauen zugleich ansprechen. Und Johnny English ist so ein Familienfilm.

    Fischer: Zu Ihren Anfangszeiten im britischen Fernsehen konnte man bestimmt mutiger sein und mehr ausprobieren.

    Atkinson: Ja, ich bin froh dass ich noch in den 70er-, 80er- und 90er-Jahren Fernsehen gemacht habe. Man konnte damals mehr riskieren und die Leute mit Unerwartetem überraschen. Heute geht es in den Medien sehr rau zu, auch komplizierter, sie sind völlig überlaufen und dadurch ist es schwieriger, ein eigenes Markenzeichen zu setzen.

    Fischer: Bei Ihren Filmen, Rowan Atkinson, ist es ja so, dass Sie nie nur ein Schauspieler sind – ob in Mister Bean oder in Johnny English, sondern Ihr Name steht für das ganze Produkt. Auch wenn Sie weder Regie führen noch das Drehbuch schreiben. Wie viel Kontrolle üben Sie aus auf den ganzen Prozess, damit Sie auch voll dahinter stehen können.

    Atkinson: Ich neige zu starker Kontrolle, aber nur so kann ich arbeiten. Ich bin vom ersten Drehbuchtreffen bis zu Schnitt, Musik, Tonbearbeitung dabei. So habe ich immer gearbeitet, und die Ergebnisse zeigen, dass es so am besten ist. Manchmal würde ich die Kontrolle aber auch gerne abtreten, dann finde ich es anstrengend, soviel Verantwortung zu übernehmen. Dann wäre ich gerne der klassische Hollywoodschauspieler, der für sieben Wochen ans Set kommt, seine Rolle spielt, viel Geld kassiert und dann den nächsten Film dreht. Aber so lief das nie bei mir, aber das habe ich mir selbst eingebrockt und nun muss ich damit leben.

    Fischer: "Mit dem Alter kommt die Weisheit" lautet ein zentraler Satz im Film, haben Sie den ins Drehbuch geschrieben?

    Atkinson: Ich weiß nicht mehr, wer ihn rein geschrieben hat, aber er sagt viel aus über unser kreatives Konzept: Denn ich bin mir der Tatsache, dass ich älter werde, ja bewusst, und Johnny English wird mit mir älter. Ich fand es wichtig, dass das im Film eine Rolle spielt und wollte möglichst auch einige extra Gags daraus ziehen. Weil der Held eben nicht mehr ganz so leistungsfähig ist wie im ersten Film vor acht Jahren. So verhindert man auch, dass das Publikum sich fragt: Warum tut der so, als sei er noch ein glamouröser, tauglicher Agent in seinem Alter. Das ist ja das Gute am Comedygenre: Man kann machen, was man will. Auch Gags übers Alter. Für den echten James Bond ist das viel schwieriger.

    Fischer: Sie können machen ,was sie wollen in der Comedy, sagen Sie, außer Mr Bean, dem, gestehen nicht zu, älter zu werden, und deshalb wollen Sie ihn nicht mehr spielen.

    Atkinson: Ja, das stimmt. Ich will ihn nicht altern sehen. Aber leider werde ich älter. Mr. Bean kann unsterblich sein. Ich aber bin sterblich und da ich ihn spiele, würde auch er älter werden. Ich möchte ihn aber so in Erinnerung behalten, wie er vor fünf oder zehn Jahren war. Ich meine, man soll nie "nie" sagen. Wer weiß, vielleicht wäre auch ein alter Mr. Bean witzig. Im Moment denke ich das aber nicht, sondern, dass das etwas sehr Trauriges haben könnte. Ich habe ihn immer als eine alters- und zeitlose Figur so zwischen 25 und 45 Jahren gesehen, und so würde ich ihn lieber belassen.

    Fischer: Rowan Atkinson, Haben Sie sich mit der Rolle der James Bond-Parodie "Johnny English" einen Kindheitstraum erfüllt?

    Atkinson: Sicher, wie wohl viele Jungen und auch Männer davon träumen, mal James Bond zu sein. Und es macht schon Spaß, zumindest eine Version von ihm zu spielen. Johnny English tut quasi ja auch so, als wäre er James Bond. Die Haltung, mit der ich ihn spiele, entspricht der Haltung, die er gegenüber seinem Job hat. Er hat doch eher Glück, dass man ihn das alles machen lässt, als dass er dafür wirklich qualifiziert wäre. Aber er kommt irgendwie damit durch, wenn man auch nicht genau weiß, wie. Man hat das Gefühl, er ist unbemerkt durch die Hintertür gekommen anstatt durch den Haupteingang, wo man ihn erst mal einigen Tests unterzogen hätte, bevor man ihm die Rolle eines Geheimagenten übertragen würde. Er lebt da eine Fantasie aus, genau wie ich, wenn ich ihn spiele.

    Fischer: Er füllt auch eine Lücke, James Bond hat sich verändert, er kommt mit viel weniger technischen Spielereien aus als früher, an der Stelle springt Johnny English ein.

    Atkinson: Ja, das stimmt, wobei Johnny sich nicht mal merken kann, was die Erfindungen alles können. Aber davon abgesehen glaube ich, dass es sehr schwierig ist, sich die echten James Bondfilme auszudenken, weil es sie schon Jahrzehnte lang gibt und alles schon da war. Wer ist der James Bond des 21. Jahrhunderts? Wie sieht seine Lebenswelt aus und wie kann man ihn glaubwürdig wirken lassen? Er ist ja ein Spion des Kalten Krieges, der die Bösewichter der 50er und 60er bekämpfen musste, aber wer ist er heute? Ich finde es schwierig, die Reihe am Leben zu erhalten, bin aber auf den nächsten Film gespannt. Sam Mendes, ein sehr gescheiter Mann, führt Regie, das könnte gut werden.

    Fischer: Wie froh sind Sie, dass Sie das Geld mit Ihren Filmen in britischen Pfund verdienen, und nicht in Euro?

    Atkinson: Ja, ich bin froh, nicht der Eurozone anzugehören. Gleichzeitig bin ich sicher, dass wir uns erst dann richtig mit den Problemen befassen können, wenn die Politiker in der Lage sind, ihre eigene Rolle bei der Gestaltung dieses fehlerhaften Mechanismus einzuräumen. Das werden sie sicher irgendwann tun, aber im Moment habe ich das Gefühl, dass sie sich in einem Dilemma befinden, was ihre eigene Rolle angeht, und das hindert sie daran, die Probleme, die wir haben, so rigoros anzupacken, wie es nötig wäre. Aber warten wir's ab, jeden Tag gibt es neue Nachrichten.

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