Die Mechaniker drehen den Propeller an, stoßen die Bremsklötze weg, das silberne Flugzeug holpert die Startbahn entlang. 50 Stundenkilometer, 110– da läuft ein Schaf in die Bahn. Die Maschine reißt die Nase hoch.
"Aber sie hatte nicht genügend Fahrt, sackte durch und kam in mehrmaliges Aufbumsen. Ich glaubte, daß alles verloren war. Vor uns glühte der Auspufftopf und spuckte Flammen, hinter uns waren zweitausend Liter Benzin verstaut."
"Aber sie hatte nicht genügend Fahrt, sackte durch und kam in mehrmaliges Aufbumsen. Ich glaubte, daß alles verloren war. Vor uns glühte der Auspufftopf und spuckte Flammen, hinter uns waren zweitausend Liter Benzin verstaut."
40 Stunden Flugzeit und ein Ozean
Hermann Köhl, der Pilot, bewahrt Ruhe - alles geht gut. Frühmorgens am 12. April 1928 hebt das auf den Namen "Bremen" getaufte Flugzeug von einem irischen Militärflugplatz bei Dublin ab. Neben Köhl sitzt als zweiter Pilot James Fitzmaurice, Kommandant des irischen Armeefliegerkorps. Im Frachtraum, zwischen zusätzlich installierten Benzintanks, kauert Ehrenfried Günther Freiherr von Hünefeld, der Besitzer der Bremen. Vor ihnen liegen rund vierzig Stunden Flugzeit und ein Ozean.
Seit im Vorjahr Charles Lindbergh ohne Zwischenstop von New York nach Paris flog, haben etliche Piloten versucht, den Atlantik von Ost nach West zu überqueren – wegen der Windströmungen ein viel schwierigeres Unterfangen. Fast alle sind dabei umgekommen.
"Mit diesen Todesopfern zugleich trat aber in der gesamten Welt ein Umschwung gegenüber der bisherigen Meinung ein. So wurden jetzt immer lauter werdend die Stimmen derer wach, die von neuen Versuchen dringend abrieten. Allmählich ging man sogar dazu über, direkte Verbote derartiger Flugversuche zu fordern", schreibt Hünefeld. Aus Furcht, in Berlin keine Starterlaubnis zu bekommen, griffen er und Köhl zu einem Trick.
"Hünefeld wurde heimlich in der Maschine versteckt. Ich ging zur Flugwache, trug dort ins Bordbuch ein: "Probeflug nach Dessau", bekam ein paar Stempel ... und dann hauten wir ab - nach Irland."
"Hünefeld wurde heimlich in der Maschine versteckt. Ich ging zur Flugwache, trug dort ins Bordbuch ein: "Probeflug nach Dessau", bekam ein paar Stempel ... und dann hauten wir ab - nach Irland."
Über den menschenleeren Weiten von Labrador
Am 12. April gleitet die Bremen unter blauem Himmel dahin, unter sich spiegelglatte See. Doch am Abend gerät sie in Sturm und Nebel, und die Piloten kommen vom Kurs ab. Im Morgengrauen finden sie sich über den menschenleeren Weiten von Labrador.
"Nichts als Wald, Schnee, Berge und Täler. Ein eisiger Schrecken überkam uns. Verloren waren wir, wenn wir nicht an die Küste kamen. Es war ein Rennen und Jagen auf Leben und Tod."
"Nichts als Wald, Schnee, Berge und Täler. Ein eisiger Schrecken überkam uns. Verloren waren wir, wenn wir nicht an die Küste kamen. Es war ein Rennen und Jagen auf Leben und Tod."
Sie finden an die Küste zurück und folgen ihr nach Süden. Nach Stunden entdecken sie eine Spur von Zivilisation: eine Leuchtturminsel vor der Küste von Quebec.
Die Landung gelingt. Telegramme melden ihre glückliche Ankunft – und die Welt hat drei neue Helden. Amerikanische Flieger holen Köhl, Fitzmaurice und Hünefeld ab, New York empfängt sie mit einer Konfettiparade.
In Washington verleiht Präsident Coolidge ihnen Orden. Wochenlang reisen sie durch die Vereinigten Staaten und Kanada, und überall erwarten sie Fahnen, Blumen, Paraden und Festbankette. Sie werden als "Botschafter des guten Willens" gefeiert – ein irischer und zwei deutsche Weltkriegsveteranen, einstige Feinde, die nun gemeinsam Todesgefahren bezwungen haben.
Eine patriotische Tat
Für die beiden Deutschen, den glühenden Monarchisten Hünefeld und den ehemaligen Berufssoldaten Köhl, die den Versailler Vertrag als schmähliche Niederlage empfinden, ist ihr Erfolg eine patriotische Tat.
"Nicht wir, sondern dieses oft geschmähte und viel verleumdete Deutschland hatte einen Sieg errungen."
"Nicht wir, sondern dieses oft geschmähte und viel verleumdete Deutschland hatte einen Sieg errungen."
So sieht man es auch in Deutschland, wo sie nach ihrer Rückkehr in Berlin von Reichspräsident Hindenburg und Reichskanzler Marx begrüßt werden.
"Was wir vollenden durften, den Flug von Ost nach West, haben wir im Vertrauen auf deutsche gründliche Arbeit, im Vertrauen auf unser liebes deutsches Vaterland unternommen."
Doch der Ruhm der drei Ozeanflieger verblasst bald. Der krebskranke Hünefeld stirbt wenige Monate später, um Köhl wird es nach 1933 still, und Fitzmaurices große Hoffnungen auf eine internationale Fliegerkarriere scheitern. Aber ihr Flug über den Atlantik ist ein großer Meilenstein der Luftfahrtgeschichte.