Zeitlich genau steht das Ende der Sanktionen gegen den Iran noch nicht fest. "Aber wir bereiten uns natürlich darauf vor. Und wir rechnen uns gute Chancen aus", sagte Börner. Zwar hätte China in Zeiten der Sanktionen an Terrain gewonnen, weil der Iran importieren musste. Dennoch sei er optimistisch, sagte Börner. "Wir glauben einfach, dass wir Produkte haben, die die Iraner auch brauchen. Da wird für uns einiges übrig bleiben."
Handel war nie auf Null gesunken
Zudem sei der Handel nie auf Null heruntergegangen, da Lebensmittel und Medizin von den Sanktionen ausgenommen waren. "Da sind wir ganz gut dabei mit unseren Produkten." Da der Iran nun Milliarden in seine Infrastruktur und die Erdölförderung investieren werde, habe Deutschland mit seinen Stärken in Maschinenbau, Elektrotechnik, Chemie und Dienstleistungen gute Chancen. "Unsere Unternehmen haben lange Erfahrung im Iran. Die Kontakte von früher sind da. So fängt man halt wieder an."
Auch für die iranische Bevölkerung habe das Vorteile, sagte Börner. "Wenn der Iran auf einen Wachtsumspfad zurückkommt, dann werden Arbeitsplätze geschaffen. So bleibt mehr Geld im Land, das Wohlstandsniveau wird angehoben." Politische Gefangene, die es auch nach dem Ende der Sanktionen im Iran geben werde, seien der Wirtschaft derweil keineswegs gleichgültig. "Wandel durch Handel ist ein Credo von uns. Durch die Öffnung und die Wiedereingliederung des Irans in die Weltwirtschaft wird sich etwas bewegen."
Das Interview in voller Länge:
Friedbert Meurer: Die Woche hat mit zwei zentralen, vielleicht sogar historischen Entscheidungen begonnen. Die Eurostaaten wollen Griechenland ein drittes Hilfspaket zusagen, und die Sanktionen gegen den Iran werden aufgehoben, Teheran verpflichtet sich, sein Atomprogramm zu reduzieren und kontrollieren zu lassen.
Friedbert Meurer: Die Woche hat mit zwei zentralen, vielleicht sogar historischen Entscheidungen begonnen. Die Eurostaaten wollen Griechenland ein drittes Hilfspaket zusagen, und die Sanktionen gegen den Iran werden aufgehoben, Teheran verpflichtet sich, sein Atomprogramm zu reduzieren und kontrollieren zu lassen.
Die Nachricht, dass der Westen die Sanktionen gegen den Iran aufheben will, elektrisiert natürlich die Wirtschaft weltweit, ganz besonders hier in Deutschland. Deutschland war mal Außenhandelspartner Nummer eins für den Iran. Anton Börner ist Präsident des Bundesverbands des Großhandels, Außenhandel und Dienstleistung, und ihn habe ich vor der Sendung gefragt, ob er schon weiß, wann genau die Sanktionen fallen.
Anton Börner: Nein, die Durchführungsverordnungen, wenn Sie so wollen, die liegen ja noch nicht vor. Wir sehen das jetzt erst mal generisch und bereiten uns natürlich darauf vor. Ich sage mal, auf der Basis, wo wir mal aufgehört haben, wieder aufzusetzen, und wir rechnen uns gute Chancen aus, dass das auch gelingen wird. Also wir sind sehr optimistisch.
Meurer: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel wird ja jetzt schon am Sonntag mit einer Wirtschaftsdelegation in den Iran reisen. Das geht ja ziemlich schnell. Läuft das ein wenig auf ein Wettrennen mit anderen Nationen hinaus?
Börner: Ja, man muss ja schon sehen, auch in der Vergangenheit, ich kann mich selber erinnern, dass mal eine iranische Delegation hier in Berlin war, während dieser Sanktionen, dann hat man uns also gesagt, wenn wir da sozusagen zu formalistisch sind und da nichts tun, dann würden und die Chinesen da den Rang ablaufen, die wären da nicht so empfindlich wie wir.
Ich sagte, na ja gut, das können die Chinesen halten, wie sie wollen, wir respektieren den Primat der Politik, und wenn die Politik uns eben anweist, das zu machen, dann halten wir uns da auch dran, dann unterlaufen wir das nicht.
"Wir haben gute Produkte, die die Iraner brauchen"
Meurer: Also formalistisch, damit war gemeint, Sie sind so formalistisch, sich an Einfuhrkontrollen und Sperren zu halten.
Börner: Ja, so haben die das gemeint, ja, genau. Aber wie gesagt, es ist schon so, dass die Chinesen dort unheimlich an Terrain gewonnen haben, weil irgendwo haben die Iraner ja auch ihre Dinge da importieren müssen, und da ist halt China eingesprungen.
Aber wir sehen das trotzdem jetzt nicht entspannt, das sollte man so nicht sagen, aber wir sind trotzdem optimistisch, weil wir glauben einfach, dass wir ziemlich wettbewerbsfähig sind und gute Produkte haben, die die Iraner jetzt auch brauchen. Also im Grunde genommen brauchen sie alles, was wir auch haben und was wir exportieren können. Und da wird für uns einiges übrig bleiben.
Meurer: Auf Null ist das Ganze ja nicht zurückgefahren, Herr Börner, zweieinhalb Milliarden im letzten Jahr. Was ist denn geliefert worden im letzten Jahr, beispielsweise?
Börner: Ja, bei den Sanktionen sind ja explizit Lebensmittel ausgenommen worden, es sind auch Medizin, also Pharmazeutika und Medizintechnik ausgenommen worden, und da sind wir natürlich mit unseren Produkten ganz gut dabei.
Meurer: Was könnte bei den Sanktionen als erstes aufgehoben werden. Was glauben Sie, oder was wünschen Sie sich?
Börner: Ja, was wünsche ich mir? Ich meine, unsere starken Sektoren, die wir haben, also das ist in erster Linie ja der Maschinenbau, das ist Elektrotechnik, das ist Chemie, das sind aber auch Dienstleistungen. Wir sehen also, dass wir ein sehr starker Dienstleistungsexporteur werden, und wie gesagt, die Iraner müssen ihre komplette Infrastruktur ja, ich will nicht sagen, neu machen, aber sie müssen unheimliche Milliarden da investieren, auch, sagen wir mal, die Erdölförderung und so weiter.
Da ist sehr, sehr viel zu tun, und da haben wir außer den richtigen Produkten eben auch die richtigen Dienstleistungen, und da glaube ich, dass wir sehr gut dabei sind.
Meurer: Wie bereitet sich die deutsche Wirtschaft jetzt darauf vor, einen Fuß in die Tür zu bekommen?
Börner: Unsere Unternehmen haben ja eine jahrzehntelange Erfahrung. Wir haben ja die Mitarbeiter, die ja auch eine Iran-Erfahrung mitbringen in den Abteilungen. Die ist jetzt auf Eis gelegt worden, aber die sind natürlich alle noch in den Unternehmen da, die ganzen Kontakte sind da, man kennt sich ja noch, und da wird man schlicht und ergreifend reaktivieren, indem man sich an die Leute im Unternehmen wendet, die sich dort auskennen. Ja, und dann wird man auch die Teams entsprechend vergrößern, und so fängt man halt wieder an.
"Kein Auftrag wird an der Frage der Bonitätsprüfung scheitern"
Meurer: Wird alles davon abhängen, ob der Iran Gas und Öl verkaufen kann und damit Devisen bekommt, um eben deutsche Produkte zu kaufen?
Börner: Ja, das ist jetzt halt die Frage, wie bonitätsmäßig stark der Iran eingestuft wird. Gibt es Hermes-Deckungen, gibt es keine, in welcher Form, in welcher Höhe, wie werden die ausgestattet? Gibt es eine Exportfinanzierung, beispielsweise über eine KFW-Tochter, die ja da spezialisiert ist? Also, das kann man jetzt noch nicht so genau sagen, da wird ein Bündel geprüft werden.
Die Frage ist auch, wie solvent ist der Iran? Vielleicht hat er ja genug Geld, um sozusagen die offenen Rechnungen sofort bezahlen zu können. Das muss man eben jetzt sehen. Das sind dann auch Teile auch der Lieferverhandlungen, Zahlungskonditionen sind ein wichtiger Punkt, und dann muss man halt sehen, wie man da weiterkommt. Aber ich gehe davon aus, dass der Iran alles tun wird, um sehr schnell wieder Vertrauen zu schaffen und zu wecken, sodass an der Frage der Bonitätsprüfung, glaube ich, kein Auftrag scheitern wird.
Meurer: Da sehe ich ja ehrlich gesagt schon vor meinem geistigen Auge, Herr Börner, Heerscharen von, ich sage jetzt mal, Wirtschaftslobbyisten im Wirtschaftsministerium rennen, um eben Hermes-Bürgschaften und Ähnliches durchzusetzen. Wird das so sein?
Börner: Nein, das wird nicht so sein. Wir haben ja einen permanenten Ausschuss im Wirtschaftsministerium, der ist ja besetzt mit Fachleuten aus der Wirtschaft, eben aus dem Ministerium und eben aus dem Versicherungswesen, und da wird man sich sehr schnell einig werden. Ich glaube nicht, dass das eine Lobby-Schlacht wird.
Credo: "Wandel durch Handel"
Meurer: Es ging ja bei der Aufhebung der Sanktionen um das Nuklearprogramm des Iran. Es ging nicht um die Menschenrechte. Wir wissen, dass immer noch Hunderte oder Tausende politische Häftlinge im Gefängnis sitzen im Iran. Interessiert das die deutsche Wirtschaft?
Börner: Ja, das interessiert uns sehr stark. Wir achten da sehr drauf, und das ist also nicht etwas, was uns völlig gleichgültig ist. Wir sagen aber, Wandel durch Handel, das ist so ein Credo von uns. Und natürlich ist es so, dass man mit Geschäftspartnern auch über diese Dinge spricht.
Und wir denken, dass durch die Öffnung und das Wiedereingliedern des Irans in die Weltgemeinschaft auch da sich einiges bewegen wird, bewegen muss, weil auch der Iran seinerseits natürlich auf Reputationsgewinn aus sein muss. Und er muss ja auch schauen, wie er in den Märkten sich dann positioniert. Also ich glaube, ich bin da optimistisch, das kann man nicht erwarten, dass das so von heute auf morgen passiert. Aber das ist ein Prozess, der, glaube ich, auch nicht zu stoppen ist.
Meurer: Wie darf ich mir das vorstellen, dass deutsche Wirtschaftsvertreter mit iranischen Partnern über diese Menschenrechtsfragen reden?
Börner: Ja, wir reden ja nicht nur, ich sage mal so, rein fachlich-sachlich, sondern man sitzt ja auch mal zusammen, man geht ja auch mal Abendessen und spricht über das eine oder andere. Das andere ist dann natürlich auch, dass die Iraner ihre Studenten in unsere Universitäten und unsere Betriebe schicken müssen. Und da kriegen sie so viele informelle Kontakte, die kann man nicht immer sozusagen an der Garderobe hängen lassen, sondern das ist ein schleichender Prozess.
Und da sind wir relativ optimistisch, dass sich da was bewegt. Wir müssen dann auch sehen, wir leben im Zeitalter des Internets, wir leben im Zeitalter der Handys und der Smartphones und, und, und. Da gibt es – heute ist es für Staaten schon relativ schwierig, dass so wirklich wasserdicht abzuschließen oder ...
"Irans Wohlstandsniveau wird angehoben"
Meurer: Aber abzuhören scheint kein Problem zu sein. Ist das nicht die große Gefahr, dass alles abgehört, abgelauscht wird?
Börner: Ich persönlich sehe – die Gefahr ist natürlich da, aber das hat jetzt mit Iran nichts zu tun. Wenn Sie anschauen, ich sage das nur mal, Italien, Frankreich, um mal nicht immer USA zu nehmen, Russland, China, alle hören ab. Jeder hört jeden ab, und die Unternehmen müssen wissen, dass es so ist, und da muss man dann halt auch mithilfe der Technologie, soweit es möglich ist, und auch mit Vorsichtsmaßnahmen sich schützen, dass man eben seine Betriebsgeheimnisse nicht unbedingt immer am Laptop mit sich herum trägt und in jedem Hotel kopiert werden.
Also da hat die Sensitivität und die Sensibilität in den Unternehmen in den letzten Monaten und Jahren gewaltig zugenommen, da sind wir weit, weit, noch nicht am Ende der Fahnenstange, aber das ist ein Prozess, das ist einfach so, damit müssen wir leben, das können wir nicht wegdiskutieren, und das werden wir auch nicht ändern, sondern das wird zunehmen.
Meurer: Die deutsche Wirtschaft will Geschäfte machen, das liegt nun mal in der Natur der Sache. Was haben die Menschen im Iran davon, wenn die Sanktionen jetzt fallen?
Börner: Ja, ich meine, wenn der Iran wieder zu einem Wachstumspfad zurückkommt und schlicht und ergreifend damit die finanzielle Basis auch hat, in seinem eigenen Land Infrastrukturmaßnahmen zu modernisieren und dann letztendlich auch im Land zu investieren, dann werden Arbeitsplätze geschaffen, dann kriegen die Leute auch mehr Zukunft, dann gibt es mehr Optimismus und schlicht und ergreifend bleibt mehr Geld im Land, sodass das gesamte Wohlstandsniveau angehoben wird.
Meurer: Die deutsche Wirtschaft ist optimistisch, dass die Sanktionen gegen den Iran fallen und das Regime der Mullahs gelockert wird dank "Wandel durch Handel", so das Zitat. Anton Börner ist Präsident des Bundesverbands des Großhandels, Außenhandel und Dienstleistung.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.