Nach der deutlichen Kritik des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu preist US-Präsident Barack Obama die Standfestigkeit der Beziehungen zu seinem enttäuschten Verbündeten. In einem Telefonat bekräftigte der US-Präsident, "dass die USA Israel, das guten Grund für seine Skepsis hinsichtlich der iranischen Absichten hat, weiter fest verpflichtet sind". Zugleich bot Obama der Regierung in Jerusalem sofortige Konsultationen an. Die kommenden Monate sollten dazu genutzt werden, eine dauerhafte Lösung zu finden, die den internationalen Besorgnissen über Teherans Nuklearprogramm Rechnung trage. Obama und Netanjahu hätten das gemeinsame Ziel betont, den Iran von Atomwaffen fernzuhalten. Der früherere israelische Botschafter Avi Primor sagte im Deutschlandfunk, er könne sich nicht vorstellen, dass der Iran dauerhaft darauf verzichten werde, Atommacht zu werden.
Auch in Obamas eigenen Reihen wurde die Kritik sehr laut, hat die US-Regierung das Abkommen doch maßgeblich vorangetrieben. Der Chef des Senatsausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, der Demokratische Senator Bob Mendez, will nun neue Sanktionen gegen den Iran vorantreiben - für den Fall "dass der Iran das Übergangsabkommen nicht umsetzt oder bricht".
Der demokratische Senator Chuck Schumer zeigte sich enttäuscht. "Die Unverhältnismäßigkeit dieses Abkommens erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Demokraten und Republikaner gemeinsam zusätzliche Sanktionen verabschieden." Der Republikaner Howard McKeon, Chef des Streitkräfteausschusses im Repräsentantenhaus, bemängelte, der Iran werde nicht verpflichtet, alle Aktivitäten zur Urananreicherung einzustellen. Die Vereinbarung mache "einen nuklearen Iran wahrscheinlicher". Im Juli hatte bereits das Repräsentantenhaus mit 400 zu 20 Stimmen für eine Verschärfung der Strafmaßnahmen gegen den Iran votiert.
Übergangsabkommen ein "historischer Fehler"?
Nach Jahren der Konfrontation und stockender Verhandlungen hatte die internationale Gemeinschaft mit Teheran in der Nacht zum Sonntag bei den Verhandlungen in Genf eine Übergangslösung vereinbart. Der Iran drosselt das Atomprogramm zunächst für sechs Monate wie folgt:
- Keine Uran-Anreicherung über fünf Prozent
- Die Hälfte vorhandener Bestände von rund 20-prozentigem Uran durch Streckung zu neutralisieren und den Rest ausschließlich zur Gewinnung von Kernbrennstoff für seinen Forschungsreaktor zu nutzen
- Kein Bau neuer Zentrifugen zur Uran-Anreicherung
- Kein Bau einer Aufbereitungsanlage, die zur Trennung von Plutonium und verbrauchtem Kernbrennstoff benötigt wird
- Tägliche Kontrollbesuche von Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA
Im Gegenzug werden internationale Sanktionen gegen das Land teilweise gelockert. Darauf einigten sich die Außenminister der UN-Vetomächte sowie Deutschlands mit ihrem iranischen Kollegen. Netanjahu sprach von einem "historischen Fehler". Saudi-Arabien und weitere Golfstaaten äußerten sich zunächst gar nicht, obwohl sie sich mit Israel gemeinsam gegen Zugeständnisse im Atomstreit einsetzten. Die Regierungen von Katar und Kuwait erklärten schließlich, sie hätten die Hoffnung, das Abkommen helfe Stabilität und Sicherheit in der Region aufrechtzuerhalten.
Zur Kritik Israels an der Genfer Vereinbarung sagte der frühere deutsche Botschafter im Iran, Bernd Erbel, dem Sender NDR Info: "Eine rationale Reaktion kann eigentlich nur darin bestehen, dass man den großen Verbündeten USA hier handeln lässt. Aber natürlich gibt es keine Garantie dafür, dass die Israelis nicht einen Sonderweg gehen." Die Gefahr einer kriegerischen Auseinandersetzung sei dennoch gering, sagte Erbel.
Der Iran wird nach Worten von Außenminister Mohammed Dschawad Sarif in den kommenden Wochen damit beginnen, die mit den Weltmächten erreichte Atom-Übereinkunft umzusetzen. Bis zum Jahresende werde die erste Phase des Programms angegangen. Sein Land sei bereit, die Beratungen über ein endgültiges Abkommen aufzunehmen. Die EU wird nach den Worten des französischen Außenministers Laurent Fabius schon im Dezember erste Sanktionen gegen den Iran aufheben. In wenigen Wochen würden sich die EU-Außenminister über das Dossier beugen. Die Lockerungen würden "begrenzt, gezielt und umkehrbar" ausfallen. Das Abkommen stelle sicher, dass Teheran keinen "Unsinn" machen könne, es gebe "sehr exakte Begrenzungen".
Ölpreis gibt stark nach
Die Ölpreise haben mit deutlichen Abschlägen auf das Atomabkommen reagiert. Ein Barrel (159 Liter) der Nordsee-Sorte Brent zur Lieferung im Januar kostete am Morgen 108,19 US-Dollar. Das waren 2,86 Dollar weniger als am Freitag. Der Preis für US-Öl der Sorte WTI sank um 1,39 Dollar auf 93,45 Dollar.
Das Abkommen könnte langfristig eine Aufhebung des Embargos auf iranische Ölexporte zur Folge haben, womit das Angebot auf den Weltmärkten steigen würde. Analysten erwarten aber kurzfristig nur geringe Auswirkungen auf das weltweite Ölangebot, weil der Großteil der Sanktionen vorerst in Kraft bleibt. Die jetzige Entwicklung sei auch eine Gegenreaktion auf den Anstieg der vergangenen Woche, als es noch hieß, dass die Verhandlungen nicht so gut laufen.