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Atomabkommen mit Iran
Pakistan und Indien hoffen auf einen Aufschwung

Der Iran war für seine unmittelbaren Nachbarstaaten Jahre lang ein kaltgestellter Riese. Das Atomabkommen eröffnet neue Spielräume etwa für den Bau einer schon lange geplanten Gaspipeline aus dem Iran, von der nicht nur Pakistan, sondern auch China und Indien profitieren würden.

Von Jürgen Webermann |
    Eine Kinderhand hält eine Lampe vor der pakistanischen Flagge.
    Pakistanische Flagge (dpa / Shahzaib Akber)
    In Pakistan gab es einst ein Sprichwort: Danach war es billiger, den Gasherd in der Küche einfach anzulassen, als immer neue Streichhölzer fürs Anzünden zu verschwenden. Denn Streichhölzer waren teurer als Gas. Dieser Luxus, mit dem die pakistanischen Regierungen sich früher Stabilität im eigenen Land erkaufen konnten, ist vorbei. Pakistan leidet unter einer schweren Energiekrise. Betroffen sind alle Bevölkerungsgruppen. Diese Dauerkrise hat dazu beigetragen, dass die Atommacht Pakistan längst als eines der gefährlichsten und instabilsten Länder der Welt gilt und die Wirtschaft nicht auf die Beine kommt. Die Einigung im Atomstreit mit dem Iran aber lässt das Land hoffen.
    "Sobald die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben werden, können wir endlich unsere Gaspipeline dorthin bauen. Und nicht nur die. Der gemeinsame Handel wird deutlich zunehmen", sagt Sartaj Aziz, der außenpolitische Berater von Premierminister Sharif. Pakistan und Iran sind Nachbarn, seit mehr als 15 Jahren würden sie gerne eine Gaspipeline bauen. Aber die USA drohten Pakistan damit, keine Hilfsgelder mehr zu zahlen, sollte die Regierung in Islamabad die Sanktionen gegen den Iran unterlaufen. Das könnte sich jetzt ändern. Aziz glaubt, dass das so wichtige Pipelineprojekt schon im September wieder aufgenommen werden kann.
    Brückenbauer und Vermittler
    Für Pakistan geht es aber um noch weit mehr: Das mehrheitlich sunnitisch geprägte Land unterhält enge Beziehungen zu Saudi-Arabien, eigentlich ein Rivale des schiitischen Iran. "Wir hoffen, dass die Spannungen zwischen Saudi-Arabien und Iran abnehmen. Pakistan würde gerne als Brückenbauer zwischen beiden Ländern agieren. Das würde die islamische Welt als Ganzes stärken", so Mushahi Hussain, er ist Mitglied des Verteidigungsausschusses im pakistanischen Parlament.
    Auch China spielt für Pakistans geostrategische Interessen eine bedeutende Rolle. China will den pakistanischen Hafen Gwadar unweit der iranischen Grenze nutzen, um vor allem Öl von dort aus quer durch Pakistan nach Westchina zu liefern - ein 45 Milliarden Dollar Projekt. Dafür braucht Pakistan Sicherheit und Stabilität. Iran wiederum könnte über den Korridor Öl nach China liefern. Beide Länder haben also ein gemeinsames Interesse an Sicherheit und Stabilität in Pakistan, und auch im benachbarten Afghanistan. Denn kommt Afghanistan nicht zur Ruhe, dürfte es Pakistan schwer haben, einen sicheren Transportkorridor nach China zu bauen.
    Großes Interesse aus Chinas
    China engagiert sich sogar als Beobachter in Friedensgesprächen zwischen Taliban und afghanischer Regierung. Nicht zufällig fanden diese Gespräche in Pakistan statt. Am Ende könnte von dieser Gemengelage sogar Indien profitieren, meint Raja Mohan, ein Analyst der renommierten Observer Research Foundation in Neu-Delhi: "Es wird in jedem Fall für Indien gut sein. Iran ist Teil unserer Nachbarschaft, Iran ist für uns ein historischer Partner, Iran hat Energieressourcen, es spielt eine wichtige Rolle, um Afghanistan zu stabilisieren, aber wegen der Sanktionen konnten wir das Potenzial, das unsere Beziehungen bieten, nicht nutzen. Jetzt könnte sich das ändern."
    Auch die für Pakistan so wichtige Gaspipeline aus dem Iran sollte ursprünglich bis nach Indien führen, betont Mohan, denn auch Indien braucht für sein Wachstum und seine großen Pläne, die Wirtschaft weiter zu reformieren, dringend Energie. Mohan glaubt, dass alle drei Länder deshalb über die Pipeline sprechen werden. Ein so wichtiges gemeinsames Projekt könnte sogar den Dauerkonflikt zwischen den Erzfeinden Indien und Pakistan entschärfen. Aber bis dahin dürfte der Weg tatsächlich noch sehr, sehr weit sein.