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Atomares Endlager in der Schweiz?

Überall wird fieberhaft nach Möglichkeiten gesucht, ein Endlager für hochradioaktive Abfälle aus der atomaren Energiegewinnung zu finden. In der Schweiz glaubt die Nagra, die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, nun im Züricher Weinland eine geeignete Schicht aus Opalinuston für den Bau eines Endlagers für hochradiaktiven Atommüll gefunden zu haben. Seismische Untersuchungen und eine Probebohrung in der Nähe von Schaffhausen wurden erfolgreich abgeschlossen, demnächst soll der endgültige Bericht über die Ergebnisse der Untersuchungen in der 700 Seelen Gemeinde Benken dem Schweizer Parlament vorliegen. Wegen der Massierung von atomaren Anlagen im Grenzgebiet zu Deutschland muss wegen einer Anfrage der Grünen auch die Landesregierung von Baden - Württemberg mit dem Schweizer Endlager befassen.

Von Ralf Streck |
    Zwei Kilometer entfernt vom Rheinfall, wo Wassermassen tosend in die Tiefe stürzen, liegt das Schweizer Dorf Benken. Am Rand des Kantons Zürich, im Weinland, glaubt die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra), einen geeignetes Endlager für hochradioaktiven Müll gefunden zu haben. In 500 Metern Tiefe liegt hier eine Schicht Opalinuston, auf die sich die Nagra konzentriert. Für ihre Sprecherin Verena Schatzmann, ist diese 115 Meter dicke und 50 Quadratkilometer große Schicht besonders geeignet, um Atommüll für eine Million Jahre sicher zu lagern.

    Verena Schatzmann: "Wir haben im Züricher Weinland seit vielen Jahren Untersuchungen gemacht, wir kennen da den Opalinuston, das ist ein dichtes Gestein, und das ist von Interesse für uns, da Sicherheit bietet für die Lagerung von hochaktiven Abfällen."

    Beidseits des Rheins regt sich Widerstand. Das Rheintals sei Erdbebengefährdet, der Rheinfall erst vor 6000 Jahren durch ein Erdbeben entstanden. Für den Benkener Arzt und Präsident der örtlichen Bürgerinitiative Jean-Jacques Fasnacht spielt die Geologie nur eine Nebenrolle bei der Standortwahl.

    Jean-Jacques Fasnacht: "Auf der einen Seite sicher eine Geologie, die möglicherweise ein bisschen geeigneter ist als in der ungeeigneten Schweiz. Das zweite ist sicher auch eine gewisse politische Ignoranz unserer Bevölkerung, die man ausnutzen kann. Diese Kombination, gepaart noch mit der Nähe zur deutschen Grenze macht das schon aus".

    Vier der fünf Schweizer Atommeiler stehen hier im konservativen Grenzgebiet, dazu ein Forschungsinstitut und kürzlich gesellte sich auch das Zwischenlager hinzu, wo radioaktive Abfälle in eine endlagerfähige Form geschmolzen werden. Für Alfons Brohammer, Bürgermeister der Deutschen Gemeinde Jestetten, nur einen Kilometer von Benken entfernt, ein auffälliger Zustand.

    Alfons Brohammer: "Es bedeutet für mich persönlich, dass die Schweiz versucht den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, in dem man die Hälfte der Emissionen beim deutschen Nachbarn platziert, um vielleicht dadurch etwas weniger Widerstand oder Probleme im eigenen Land zu haben."

    Die Grenznähe ermöglicht auch andere Szenarien. Der Nagra Chef, Hans Issler warf die Möglichkeit eines internationalen Endlagers ins Gespräch. Europa brauche nur ein oder zwei Endlager. Die sozialdemokratische Kantonsrätin und Präsidentin der Interessengemeinschaft für Energie und Lebensraum, Käthi Furrer, hat die Ohren gespitzt.

    Käthi Furrer: "Ich glaube persönlich, dass sich die Nagra das ernsthaft überlegt, weil es allein für die schweizerischen Atommüllmengen eigentlich sich nicht lohnen würde ein solches Lager zu bauen. Darum liegt es auf der Hand, es den Nachbarstaaten, die ja auch noch keine griffige Lösung gefunden hat, das anzubieten."

    Die deutschen Gegner hoffen auf den Gerichtsweg. Bürgermeister Brohammer, der sich mit allen Mitteln gegen das Endlager wendet, führt dazu die Entscheidung des höchsten Schweizer Gerichts gegen den Züricher Flughafen an.

    Alfons Brohammer: "Das Bundesgericht in Lausanne hat schlicht und ergreifend festgestellt, dass die Belange der betroffenen deutschen Gemeinden zu berücksichtigen sind. Wir gehen davon aus, das dies analog auch wohl für ein Atommüllendlager gelten würde."

    Die Schweizer Initiativen setzen auf einen Bürgerentscheid auf kantonaler Ebene. Dem Züricher Parlament liegt eine Einzelinitiative vor. Furrer hofft auf Zustimmung damit es zur Abstimmung über das Endlager kommt.

    Käthi Furrer: "Wenn uns die Mehrheit in diesem Antrag nicht folgt, dann überlegen wir uns Ernsthaft, ob wir eine Volksinitiative daraus machen. Das würde bedeuten, dass wir 10000 Unterschriften sammeln müssen und dann wenn die Abstimmung kommt eine Kampagne führen sehr aufwendig natürlich, aber ich denke das würde es uns Wert sein".

    Die Nagra-Sprecherin bleibt gelassen, auch wenn sie 1995 im Kanton Nidwalden eine Volksabstimmung verloren hat und kein Endlager bauen konnte.

    Verena Schatzmann: "Das ist in einer direkten Demokratie regulär und absolut vernünftig, es hat aber zur Folge das unsere Arbeiten teilweise massiv verzögert werden können".

    Noch gäbe es keinen Zeitdruck, ein Endlager werde erst in Jahrzehnten benötigt. Für die Gegner hat sich der Widerstand schon gelohnt. So habe man erreicht, das die Nagra die Rückholbarkeit der Abfälle gewährleisten muss, meint der Präsident der Benkener Bürgerinitiative.

    Jean-Jacques Fasnacht: "Es war immer eine der wichtigsten politischen Forderungen, das stimmt, wenn wir da nicht dagegen opponiert hätten, hätte man sicher nach dem Prinzip Deckel zu und aus den Augen aus dem Sinn gehandelt."