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Atomausstieg
Energiekonzerne nicht aus der Verantwortung entlassen

Bisher war eigentlich klar, dass die Energiekonzerne als Verursacher die Kosten für die Stilllegung der Atomkraftwerke und die Endlagerung des atomaren Mülls zu tragen haben. Am Wochenende dann der Vorschlag, ihr gesamtes Atomgeschäft an den Bund zu übertragen. Professor Walter Frenz von der RWTH Aachen warnt ausdrücklich vor einer Kostenübernahme durch die öffentliche Hand.

Walter Frenz im Gespräch mit Georg Ehring | 12.05.2014
    Ein Mitarbeiter sitzt am 19.03.2014 in Obrigheim (Baden-Württemberg) auf dem Gelände des Atomkraftwerks des Energiekonzerns EnBW im Zentralen Leitstand für den Rückbau des Reaktors.
    Atomkraftwerk Obrigheim des Energiekonzerns EnBW (dpa / Uwe Anspach)
    Georg Ehring: Wie sieht es eigentlich rechtlich aus? Können die Energiekonzerne aus ihrer Verantwortung entlassen werden? Darüber möchte ich jetzt mit Professor Walter Frenz sprechen, er lehrt Umweltrecht an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen. Guten Tag, Herr Professor Frenz!
    Walter Frenz: Guten Tag!
    Ehring: Herr Professor Frenz, könnte es denn für den Staat attraktiv sein, die Folgekosten der Atomkraftwerke zu übernehmen?
    Frenz: Es könnte insofern attraktiv sein, als dann die Klagen erledigt sein könnten, wenn die Energieunternehmen damit einverstanden wären. Das erfordert allerdings eine nähere Bewertung der Erfolgsaussichten dieser Klagen. Im Übrigen sind die Energiekonzerne Verursacher der Spätfolgen und der Rückbaulasten aus der Atomwirtschaft. Von daher könnte es sogar gefährlich sein, hier Lasten zu übernehmen. Daraus könnte sich ein Beihilfeverfahren entwickeln, das ja gerade im Hinblick auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz läuft und zu großer Aufregung führte.
    Ehring: Das heißt, die Europäische Union würde das Ganze möglicherweise gar nicht mitmachen. Wann würde diese Gefahr oder diese Möglichkeit eines Beihilfeverfahrens denn bestehen?
    Frenz: Diese Gefahr würde bestehen, wenn der Staat Lasten übernimmt durch öffentliche Gelder, die eigentlich die Energiewirtschaft zu tragen hätte. Wenn allerdings die Energiewirtschaft ausschließlich diesen Fonds speist mit ihren Geldern und zugleich auch nicht aus der Verantwortung entlassen würde, dann wäre ein solches Beihilfeverfahren ausgeschlossen.
    Ehring: Sie sagten gerade, die Klagen gegen den Ausstieg der Energiekonzerne müssten bewertet werden, weil die ja im Gegenzug zurückgezogen werden könnten. Halten Sie die denn für aussichtsreich? Die Energiewirtschaft will ja Schadensersatz für den Atomausstieg.
    Frenz: Das kommt darauf an, wie das so oft im Recht ist. Soweit es um den Sofortausstieg ging, um die sofortige Stilllegung der Kraftwerke nach Fukushima, ist bereits von Verwaltungsgerichten entschieden worden, dass keine konkrete Gefahr vorlag. Damit hätten diese Kraftwerke aus Sicht der Verwaltungsgerichte nicht sofort abgeschaltet werden dürfen. Daraus können sich Schadensersatzansprüche ergeben.
    Was den Ausstieg aus der Kernkraft anbetrifft, glaube ich das nicht. Wir sind ja wieder in dem Zustand des Ausstiegs, wie es Rot-Grün bereits beschlossen hat. Damals wurden keine entsprechenden Schadensersatzzahlungen zugebilligt. Vielmehr hat man die Restlaufzeiten der Kraftwerke gewahrt. Das ist auch jetzt der Fall. Zudem ist die Risikoeinschätzung eine andere geworden. Darin sind auch dann Entscheidungen im Hinblick auf die Atomwirtschaft einbezogen. Von daher rechne ich hier nicht mit Erfolgsaussichten.
    Was die Brennelementesteuer anbetrifft, da gibt es sehr strenge Grenzen, inwieweit solche Verbrauchssteuern erhoben werden können. Von daher bestehen hier Erfolgsaussichten. Zudem wurde die Brennelementesteuer ja gerade deshalb eingeführt, weil die Laufzeit der Kernkraftwerke unter Schwarz-Gelb verlängert wurde. Wenn sie jetzt wieder verkürzt wird, ist klar, dass die Energiekonzerne dagegen vorgehen.
    Ehring: Die Endlagerung und auch die Atomsicherheit ist ja immer stark von politischen Entscheidungen abhängig und insbesondere die Kosten dafür sind stark von politischen Entscheidungen abhängig. Müsste die Politik vielleicht auch deshalb mit bezahlen, wenn sie die Sicherheitsanforderungen hochschraubt?
    Frenz: Die Sicherheitsanforderungen sind Spiegelbild der aktuellen Risikoeinschätzung und in diesen fortlaufenden Prozess ist die Kernenergienutzung eingebunden, wie das Bundesverfassungsgericht schon früh betonte. Wenn allerdings politische Pannen passieren, oder wenn politische Entscheidungen getroffen werden, die nicht nur mit Sicherheitsfragen zu tun haben, etwa in welchem Bundesland soll das Endlager sein, dann können hier auch Risiken entstehen, die die öffentliche Hand zu tragen hat.
    Ehring: Sind die Rückstellungen aus Ihrer Sicht bei den Kraftwerksbetreibern eigentlich sicher? Den Energiekonzernen geht es ja wirtschaftlich eigentlich nicht gut.
    Frenz: Wenn ein Energiekonzern insolvent wird, dann sind diese Rückstellungen unter Umständen verloren. Und wir haben ja gesehen: RWE hat heute nur noch ein Drittel des Börsenwertes wie vorher. Und von daher können hier durchaus Verwerfungen auftreten.
    Ehring: Professor Walter Frenz war das zur Idee, die Kosten der Atomkraftwerke der öffentlichen Hand aufzubürden. Herzlichen Dank für das Gespräch.
    Frenz: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.