Atomausstieg
Warum die Union einen Untersuchungsausschuss will

Seit April 2023 ist der Atomausstieg in Deutschland vollzogen. Doch die Diskussionen darum halten an. Die Unionsfraktion will nun einen Untersuchungsausschuss einsetzen, der die Entscheidungsfindung untersuchen soll. Worum es dabei geht.

    Der Kühlturm des stillgelegte Kernkraftwerks Isar 2. Davor ein orangefarbenes Gebäude.
    Das AKW Isar 2 ging als eines der letzten vom Netz. Die Union will nun prüfen, ob es bei der Atomentscheidung der Ampelregierung eine vorurteilsfreie Prüfung oder eine parteipolitische Festlegung gab. (picture alliance / dpa / Armin Weigel)
    Nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima 2011 wurde unter der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) der Ausstieg aus der Kernenergie für 2022 beschlossen. Aufgrund der Energiekrise liefen die drei letzten AKWs – Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 – noch in einem befristeten Streckbetrieb bis Mitte April 2023 weiter.
    Hätte man die Laufzeit der deutschen Atomkraftwerke in der Energiekrise weiter verlängern können und müssen? Und haben die zuständigen Ministerien bei der Entscheidung Stimmen aus ihren Häusern ignoriert? Die Fragen will die Unionsfraktion nun in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss klären lassen. Dieser soll bereits in der zweiten Juniwoche beschlossen und noch vor der Sommerpause mit der Arbeit beginnen.

    Inhalt


    Was wirft die Union Robert Habeck und der Ampelregierung vor?

    In einem Brief an die Unionsfraktion, der Deutschlandfunk vorliegt, haben CDU-Parteichef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt Zweifel darüber geäußert, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten wirklich ergebnisoffen geprüft hat. Sie beziehen sich dabei auf Medienberichte und interne Vermerke, in denen Szenarien über Verlängerungsoptionen von Fachleuten durchdekliniert wurden.

    Spahn: "Normales Mittel der parlamentarischen Arbeit"

    So heißt es in dem Schreiben: „Fachliche Erwägungen aus der Arbeitsebene des Ministeriums wurden von den führenden politischen Beamten bewusst ignoriert und teilweise verfälscht. Offenkundig gibt es ein grünes System, das Parteiideologie über die Interessen des Landes stellt.“
    Jens Spahn, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union und zuständig für Energie und Wirtschaft, sagte, Habeck habe eine ergebnisoffene Prüfung der Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke versprochen. Vermerke oder Belege habe er aber nicht vorgelegt. Spahn sprach von einer "grünen Märchenwelt", in der die Fakten verdreht worden seien.
    Zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sagte Spahn, dies sei „ein ganz normales Mittel der parlamentarischen Arbeit“: „Wenn es die Belege gibt für die ergebnisoffene Prüfung, dann ist doch gut. Wenn es die nicht gibt, dann wird Herr Habeck ein paar Fragen beantworten müssen."

    Was sagt die Bundesregierung zu dem möglichen Untersuchungsausschuss?

    Die Vorwürfe, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesumweltministerin Steffi Lemke hätten 2022 Informationen zum Weiterbetrieb von Atomkraftwerken zurückgehalten, waren im April 2024 durch einen „Cicero“-Bericht erstmals aufgekommen. Das Magazin hatte die Herausgabe von Akten aus den Jahren 2022 und 2023 vor Gericht erklagt.
    Lemke unterstreicht, es sei „selbstverständlich das Recht der Opposition, einen solchen Untersuchungsausschuss einzurichten“. Die Frage, ob AKW länger laufen, sei aber „eine der transparentesten Entscheidungen" gewesen, die im Jahr 2022 getroffen worden seien: „Natürlich haben wir das immer wieder ergebnisoffen geprüft und den Bundestag unterrichtet.“

    Habeck: Untersuchungsausschuss gutes Recht der Opposition

    Auch Habeck gibt sich gelassen. Das Ministerium habe alle geforderten Unterlagen herausgegeben. Ein Sprecher des Umweltministeriums erklärte, man habe in der Diskussion über die Entscheidung der Bundesregierung von Anfang an auf Transparenz gesetzt. Dem Parlament seien mehr als 600 Dokumente zu damaligen Entscheidungen übermittelt worden.

    Wie ist der geplante Untersuchungsausschuss einzuordnen?

    Um die Sache an sich, gehe es nicht, meint Dlf-Hauptstadtkorrespondentin Ann-Kathrin Büüsker. Obwohl auch das Umweltministerium in der Frage der Laufzeitverlängerung eine Rolle spielte, fokussiert sich der Unionsfraktionsvorstand auf Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und spricht von „Habeck-Akten“. Das Reden über mögliche Verfehlungen solle sich in den Köpfen der Menschen eng mit dem Namen Habeck verknüpfen, so Büüsker.
    Statt Aufklärung darüber zu bringen, ob Fehlverhalten vorliegt – die Kernaufgabe eines Untersuchungsausschusses – werde das nun geplante Gremium eher ein Ort für Zuspitzung und Wahlkampf. Hinzukomme, dass es keinen Schaden gibt. Deutschlands Energieversorgung war auch ohne Meiler stets gesichert gewesen, der Effekt auf die Strompreise nicht nennenswert.
    Nach dem "Cicero"-Bericht über die AKW-Vermerke hatten sowohl Umwelt- als auch Wirtschaftsministerium den Parlamentariern diverse Akten zukommen lassen. Wirtschaftsminister Habeck und Umweltministerin Lemke hatten sich in Sondersitzungen der zuständigen Ausschüsse den Fragen der Abgeordneten gestellt.

    Wie funktioniert ein Untersuchungsausschuss?

    Untersuchungsausschüsse des Bundestages sollen Missstände und Fehlverhalten in Regierung und Verwaltung aufklären. Sie gelten als das schärfste Schwert der Opposition im Parlament. Für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sind laut Artikel 44 Grundgesetz ein Viertel der Mitglieder des Bundestages nötig - derzeit 184 Abgeordnete. Die Unionsfraktion hat 195 Abgeordnete.
    Der Ausschuss hat weitreichende Kompetenzen: Bei der Beweisaufnahme gelten dieselben Regeln wie in einem Strafprozess vor Gericht, etwa zur Vorladung von Zeugen, Sachverständigen oder der Anforderung von Akten. Der Ausschuss darf auch Ermittlungen durch Gerichte und Verwaltungsbehörden vornehmen lassen. Das Untersuchungsrecht ist aber auf den Kompetenzbereich des Bundes beschränkt.
    Das Ergebnis der Untersuchungen fasst der Ausschuss in einem Abschlussbericht zusammen. Ob darin enthaltende Empfehlungen umgesetzt werden, ist eine politische Entscheidung. Verpflichtend ist dies nicht. Zeitlich begrenzt ist die Arbeit des Untersuchungsausschusses durch die laufende Wahlperiode.

    nsh