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Atomdebatte sollte "breiter in die Gesellschaft hineingehen"

Er habe seine Zweifel, ob die Ethik-Kommission das geeignete Gremium sei, um eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Bundesregierung zu sein, sagt Marcel Viëtor, Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

Marcel Viëtor im Gespräch mit Mascha Drost |
    Mascha Drost: Heute kommt der Koalitionsausschuss zusammen, gestern tagte die Ethik-Kommission und es gingen zehntausende Protestierende auf die Straße. Grund: der Ausstieg aus der Atomkraft. Die Ethik-Kommission ist bei ihrem Vorschlag geblieben: Ein Ausstieg innerhalb der nächsten zehn Jahre sei möglich. Die einen jubeln, die anderen sind skeptisch, befürchten einen Stromengpass, die Abhängigkeit Deutschlands von den Nachbarländern, und bezweifeln generell den Sinn einer solchen Ethik-Kommission. Ich habe gestern mit Marcel Viëtor gesprochen, er ist Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und beschäftigt sich mit den europäischen Zukunftsfragen zu Energie- und Klimapolitik.

    Marcel Viëtor habe ich als erstes gefragt, wozu es überhaupt eine Ethik-Kommission zu diesem Thema braucht. Wäre die Debatte nicht besser im Bundestag aufgehoben?

    Marcel Viëtor: Ich finde am Ansatz der Ethik-Kommission durchaus richtig, dass es ein Format ist, in dem nicht nur Fachtechniker und Fachpolitiker versuchen, eine Entscheidung über die Zukunft der Kernenergie in Deutschland oder über die Zukunft der Energieversorgung in Deutschland allgemein zu treffen sondern in dem versucht wird, eine breite gesellschaftliche Diskussion zu führen. Es ist aber die Frage, ob die Ethik-Kommission das richtige Format wiederum dafür ist. Und da habe ich meine großen Zweifel. Der Bundestag ist sicherlich, sie haben es gerade angesprochen, ein Format was ja da ist - wir haben ein Gremium haben in dem demokratisch legitimierte Volksvertreter sitzen und ich glaube auch, dass der Bundestag das Gremium ist, in dem eine solche grundlegende Entscheidung entschieden werden sollte und die Ethik-Kommission ist ja nicht das Plenum, das entscheidet, aber das doch für die Bundesregierung eine sehr wichtige Entscheidungsgrundlage vorgibt, bei der der Bundestag, bei der die gewählten Volksvertreter außen vorbleiben.

    Drost: Sie haben es ja schon angedeutet. Was kann man denn von einer Kommission halten, der drei Kirchenleute, zwei Soziologen, eine Philosophin aber kein Vertreter der Umweltverbände, zum Beispiel, oder ein Praktiker aus der Industrie angehören? Wie ernst kann die Bundesregierung dieses Papier, das diese Kommission erarbeitet, nehmen üpberhaupt?

    Viëtor: Also ich muss sagen, die Zusammensetzung der Ethik-Kommission ist aus meiner Sicht schon relativ breit. Es ist jetzt, man kann darüber nicht streiten...

    Drost: Aber was sollen denn Kirchenleute oder Soziologen von der Atomwirtschaft wissen?

    Viëtor: Also von den reinen technischen Regularien können sie sicherlich wenig wissen und es ist auch überhaupt nicht zu erwarten, das ist überhaupt nicht ihre Rolle, dass sich ein Bischof jetzt mit irgendwelchen technischen Details der Stromversorgung beschäftigen muss. Aber durchaus, wenn man dieses Wort Ethik-Kommission dann ja auch ernst nimmt, ist dann auch die Rolle, den Fachleuten eine gewisse ethische Leitung beizugeben. Und da könnten Kirchenleute durchaus eine Rolle spielen. Es müssten vielleicht nicht gleich drei Leute sein, darüber kann man sich natürlich herzlich streiten. Ich denke, eine Krux bei dem ganzen Format Ethik-Kommission ist aus meiner Sicht vielmehr noch, die Art, wie das ganze funktioniert. Wir haben ja mit dem Fernsehsender "Phönix" beispielsweise, mit Radioübertragungen auch aus den Sitzungen, gibt es den Versuch hier, eine Offenheit, eine Transparenz herzustellen, an der die Bürger beteiligt werden. Die funktioniert letztlich aber nur eindirektional.

    Den gesamte Interview mit Marcel Viëtor können Sie mindestens bis zum 29.10.2011 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.