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Atomenergie wirbelt Wahlkampf der französischen Sozialisten auf

Mit dem Atomausstieg wollten die französischen sich die Sozialisten und die Grünen im Präsidentschaftswahlkampf positionieren. Doch der Spitzenkandidat der Sozialisten, Francois Hollande, schert aus.

Von Ursula Welter |
    Es lief recht gut, an jenem Montagabend. Die Verhandlungen waren weit fortgeschritten, Sozialisten und Grüne schienen fast einig, die Zusammenarbeit in einzelnen Wahlkreisen bei den Parlamentswahlen im kommenden Sommer war so gut wie besiegelt.
    Da flimmerten die Abendnachrichten über die Bildschirme, interviewt wurde Francois Hollande, der Spitzenkandidat der Sozialisten, es gab Fragen zu diesem und jenem und schließlich zur Kernenergie:

    "Ich bin für eine Reduktion des Anteils der Kernenergie an unserer Stromerzeugung,"

    sagte Hollande. So weit so gut und bekannt. Dann kam das aber. Aber, was er für Fortschritt halte, das werde er weiterverfolgen, sagte Hollande, und nannte namentlich den Bau des EPR, des Druckwasserreaktors am Ärmelkanal.
    Die Botschaft schlug wie ein Blitz ein im trauten Kreis der Unterhändler von Grünen und Sozialisten, die Sitzung wurde unterbrochen und seither wird gestritten.

    "Wir werden unsere Ideen nicht für ein paar Wahlkreise verraten,"

    sagte Eva Joly, die Spitzenkandidatin der Grünen im Präsidentschaftswahlkampf, Hollande müssen seine Haltung zum Druckwasserreaktor überdenken, andernfalls gebe es keine Allianz von Grünen und Sozialisten bei den Parlamentswahlen im nächsten Jahr.
    Der Bau des EPR ist weit fortgeschritten, die Kosten haben sich auf sechs Milliarden Euro nahezu verdoppelt, 2016 soll das Kraftwerk ans Netz, Frankreich will die Technologie exportieren, nach China und Indien. Ein Prestigeprojekt für die Regierung, ein Sicherheitsrisiko aus Sicht der Grünen, aber auch einiger Sozialisten.

    Dagegen steht das klare Bekenntnis des Amtsinhabers. Atomkraft, das heiße Arbeitsplätze in den Regionen und Kommunen, vor allem heiße es Unabhängigkeit Frankreichs in der Energiefrage, hatte Sarkozy stets betont und wenige Wochen nach dem Reaktorunglück in Fukushima unterstrichen, er setze auf Können der französischen Techniker und Ingenieure, als Staatspräsident vertraue er auf die Sicherheit des Kraftwerkparks:

    Eine staatstragende Haltung, um die auch Herausforderer Hollande bemüht war, als er seine Empfehlung, den Durckwasserreaktor weiter zu bauen, abgab. Denn Hollande kämpft um sein Profil. Die Statur eines Staatsmannes habe der Mann aus der Provinz nicht, hatten ihm Feind und Freund zuletzt vorgeworfen, es fehle ihm an Erfahrung, er sei nur zweite Wahl.

    Ein Mann unter Beschuss, heißt es in den aktuellen Sendungen, das "Hollande-Bashing" sei in vollem Gange. Tatsächlich kommen die Einschläge für Hollande dichter. Während Nicolas Sarkozy auf der Weltbühne glänzte, weihte Hollande einen Büchermarkt in der Region Correze ein.
    Aber was wollen Sie, musste sich der Gescholtene verteidigen, dass ich mich bei den G20 selbst einlade, ich bin noch nicht Präsident der Republik.

    Die schärfsten Attacke gegen Hollande wurden dabei nicht im Regierungslager geritten. Jean-Luc Melonchon, seines Zeichens Kandidat der " Front de Gauche ", einer Wahlplattform aus Linken und Kommunisten, fuhr besonders scharfes Geschütz auf. Er nannte Hollande einen "Tretbootkapitän", einen, mit dem Sarkozy nicht zu schlagen sei.

    Eine Beleidigung aus dem befreundeten politischen Lager, die besonders schwer wog - besonders. Melonchon spiele den Konservativen, ja den Rechtsradikalen in die Hände, hieß es voller Empörung bei den Sozialisten.

    So wirbelt der beginnende Wahlkampf das Lager der Opposition durcheinander, währen das Regierungslager frohlockt. Francois Hollande nimmt es vorläufig gelassen, denn noch liegt der Kandidat der Sozialisten in den Umfragen vor Nicolas Sarkozy. Aber der Abstand wird kleiner. Hollande war zuletzt in der Gunst der Wähler leicht gesunken, während Amtsinhaber Sarkozy zum ersten Mal seit Langem hatte zulegen können.