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Atomgespräche mit Iran
"Die Sanktionen sind nicht vom Himmel gefallen"

Das Gefährliche am iranischen Nuklearprogramm sei das Risiko eines nuklearen Rüstungswettlaufs im Nahen Osten, sagte der CDU-Politiker Ruprecht Polenz im DLF. Auf dieser Sorge basierten auch die Sanktionen gegen den Iran. Das angestrebte Atomabkommen hänge von der künftigen Transparenz der iranischen Nuklearaktivitäten ab.

Ruprecht Polenz im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Porträtbild von Ruprecht Polenz, dem ehemaligen Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages.
    Ruprecht Polenz, der ehemalige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages. (picture alliance / dpa / Fredrik von Erichsen)
    Friedbert Meurer: Der Westen, Russland und die Internationale Atomenergie-Behörde glauben, dass der Iran sein Atomprogramm nicht nur zu zivilen Zwecken nutzen will. Um Teheran zum Einlenken zu zwingen, sind Sanktionen verhängt worden. Jetzt könnte die Lage für eine Lösung eigentlich recht günstig sein: In Teheran regiert ein neuer Präsident, der anders als Mahmud Ahmadinedschad nicht als Hardliner gilt, und mit der Terrormiliz Islamischer Staat ist ein neuer sozusagen gemeinsamer sunnitischer Feind aufgetaucht. Da könnte man sich doch vielleicht einigen; so sieht es aber nicht aus.
    Ruprecht Polenz war Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag für die CDU, hat sich vielfach auseinandergesetzt mit dem Iran und mit dem iranischen Atomprogramm. Guten Tag, Herr Polenz.
    Ruprecht Polenz: Guten Tag, Herr Meurer.
    Meurer: Um mit Russland zu beginnen: Glauben Sie, dass Wladimir Putin eher Rohani auffordert, auf die anderen zuzugehen?
    Polenz: Russland und China haben ein eigenes Interesse daran, dass es keine neuen Staaten auf der Welt gibt, die über Atomwaffen verfügen. Und deshalb verhandeln sie - da bin ich etwas anderer Meinung als gerade der Korrespondent - nicht nur am Rande mit, sondern sie haben an den Gesprächen teilgenommen. Und die Angebote, die Russland gemacht hat, auch zur Lösung beizutragen, deuten ja auch darauf hin, dass es hier ein starkes eigenes russisches Interesse gibt: keine neuen, nuklear bewaffneten Staaten auf der Welt.
    Meurer: Was heißt das? Haben die Russen genauso Angst vor dem Schreckensbild, dass internationale Terroristen oder ein internationales Terror-Regime in den Besitz atomarer Waffen gelangen könnten?
    Polenz: Nein. Ich glaube, dass die Russen und die Chinesen auch die Analyse teilen, dass das Gefährliche am iranischen Nuklearprogramm das Risiko eines nuklearen Rüstungswettlaufs im Nahen Osten ist. Denn die Staaten der Region sind ja auch äußerst besorgt und Länder wie Saudi-Arabien oder Ägypten können möglicherweise in die Versuchung kommen, wenn sie befürchten, der Iran wird irgendwann über Atomwaffen verfügen, selbst sich in Besitz der gleichen Waffe zu bringen.
    Rohani hat sich an die Zwischenabkommen gehalten
    Meurer: Im Iran gibt es einen neuen Präsidenten Rohani, wohl ein ganz anderer Typ als der Hardliner Mahmud Ahmadinedschad. Haben Sie Informationen, dass der Iran seine Politik etwas geöffnet hat bei den Atomverhandlungen?
    Polenz: Er hat sich an die Zwischenabkommen gehalten. Er hat hoch angereichertes Uran, also auf 20 Prozent angereichertes Uran in Brennelemente konvertiert. Damit kann dieses Uran nicht mehr noch höher angereichert werden und für Waffenzwecke gebraucht werden. Das war ein wichtiger Punkt. Er hat auch in anderen Fragen besser kooperiert. Allerdings sind die jüngsten Berichte so, dass je enger es an die eigentlich kritischen Fragen möglichen militärischen Nutzens gerät, der Iran wieder zugeknöpfter agiert. Und die ganze Frage, ob man ein Abkommen unterschreiben kann, steht und fällt mit künftig kompletter Transparenz der iranischen Nuklearaktivitäten.
    Meurer: Aber diese Transparenz sehen Sie im Moment noch nicht? Sie würden also auch jetzt sagen, noch keine Einigung?
    Polenz: Ob ich sie sehe, ist vielleicht nicht so wichtig, aber offensichtlich sehen sie die Verhandlungspartner, die EU3 + 3, nicht. Sonst könnte man wahrscheinlich unterschreiben. Es gibt natürlich auch noch ein paar technische Dinge, die zu klären sind. Beispielsweise braucht man zur Stromerzeugung keinen Schwerwasser-Reaktor. Der wirft aber Plutonium für Waffenerzeugung ab und deshalb geht es auch darum, dass etwa der Reaktor in Arak, der jetzt noch ein Schwerwasser-Reaktor werden soll, in einen Leichtwasser-Reaktor umgewandelt wird. Das scheint technisch möglich zu sein. Aber da gibt es noch eine Reihe von Punkten, über die auch gesprochen wird. Aber im Kern geht es darum: Wird in Zukunft die Internationale Atomenergie-Behörde unangemeldet jeder Zeit alles im Iran kontrollieren können - ja oder nein. Und natürlich geht es auch um die Frage: Kann es eine Ausbruchsfähigkeit des Iran geben, dadurch, dass er mittelangereichertes Uran hortet und dann schnell umwandeln könnte. Das sind die Hauptpunkte, um die es noch geht.
    Meurer: Das klingt jetzt auch so, Herr Polenz, dass Sie fordern, erst muss der Iran wasserdicht alles ausschließen, was es ermöglichen könnte, dass er doch noch einen Atomkurs fährt, und es gibt vorher keine Gegenleistung des Westens?
    Polenz: Es ist ja so: Herr Lüders hat - Sie haben das noch mal zitiert - ein bisschen Ursache und Wirkung verkehrt. Die Sanktionen sind ja nicht vom Himmel gefallen, sondern aus der Sorge geboren, die ich vorhin beschrieben habe: Iran kommt sehr nahe an die Atombombe und die Länder der Region wollen gleichziehen und wir haben einen nuklearen Rüstungswettlauf in einer Region, die uns ja nun wirklich genügend Schreckensnachrichten bereits jetzt liefert.
    Meurer: Aber man könnte Rohani unterstützen, indem man sagt, ein paar Sanktionen lassen wir jetzt weg.
    Polenz: Ja, das kann man tun. Das ist sicherlich auch mit in den Überlegungen dabei. Man darf aber nicht vergessen, dass im Iran nicht der Präsident das letzte Wort gerade in der Nuklearfrage hat, sondern der geistige Führer, und der ist nach wie vor Khamenei.
    "Hier muss der Iran zunächst einmal leisten"
    Meurer: Um auf die USA zu schauen und die These, dass es die Hardliner im Senat jetzt sind, nach der gewonnenen Zwischenwahl, die dafür sorgen, dass Obama die Hände gebunden werden sollen: Gibt es diese Strömung in den USA, auf keinen Fall sich mit dem Iran zu einigen, auch alleine schon deswegen nicht, um den Iran nicht stark werden zu lassen?
    Polenz: Es gibt sicherlich in den USA viele, die aufgrund der Entwicklung, seitdem der Iran amerikanische Diplomaten zur Geisel genommen hat nach der islamischen Revolution, diese Frontstellung und Feindschaft sehr stark im Kopf haben. Aber der Präsident kann Sanktionen jetzt auch im Rahmen seiner Direktivkompetenzen aufheben. Da braucht er das Parlament nicht dazu. Wenn sich der Iran bewegen will, dann kann er das tun, auch mit der Gegenleistung, Sanktionen werden gelockert oder aufgehoben. Auf die Dauer, denke ich, braucht es sicherlich eine Entwicklung in diese Richtung, damit auch die Hardliner in den USA überzeugt werden, man hat es dann mit einem anderen Iran zu tun. Aber hier muss der Iran zunächst einmal leisten, und das hat er bisher nicht zureichend getan.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.