Silvia Engels: Vor knapp zwei Wochen schien ein Durchbruch in den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm zum Greifen nah. Die Außenminister der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands reisten damals nach Genf, um direkt mit ihrem iranischen Kollegen zu verhandeln. Doch die Runde konnte sich am Ende doch nicht einigen, die hohen Erwartungen blieben unerfüllt. Heute wird in Genf neu angesetzt. Herr Nouripour, wenn Sie die ganzen Probleme, die da gerade aufgelistet wurden, noch einmal anhören, kann da überhaupt ein Durchbruch kommen?
!!Omid Nouripour:!! Ja schon. Es gibt so manche Probleme in der Form, glaube ich, nicht. Beispielsweise haben die Iraner völkerrechtlich einfach das Recht, dass sie selbst anreichern dürfen. Das ist verbürgt für alle Länder. Das Problem ist nicht, ob sie das Recht haben oder nicht. Das ist gar nicht die Frage die ganze Zeit. Die Frage ist: Die Verpflichtungen, die mit diesem Recht einhergehen, die haben sie bisher extrem vernachlässigt und sind sehr spielerisch damit umgegangen. Also dass man von vornherein sagen kann, die Iraner dürfen anreichern, ist kein Problem. Dann muss aber hinterher kommen, wenn sie dann auch ihren Pflichten nachkommen nach Transparenz und all den anderen Dingen, die Präsident Hollande noch genannt hat.
Iran will Lage des Landes verbessern
Engels: Was macht Sie denn so optimistisch, dass es zu einem Durchbruch kommt? Denn gerade das Recht auf Anreicherung ist ja ein umstrittener Punkt.
Nouripour: Zugegebenermaßen gibt es bei mir den Optimismus auch deswegen, weil die letzten Jahre so frustrierend waren und weil der Ton in Teheran tatsächlich ein anderer ist als bisher. Aber es gibt auch ein Indiz, was sehr, sehr belastbar zu sein scheint, nämlich wir haben bisher immer den Iranern vorgeworfen, sie würden ja die Gespräche immer nur dafür nutzen, um Zeit zu schinden, damit sie einfach die Zentrifugen weiter laufen lassen können und weiter anreichern können.
Nun kommen die Iraner selbst und setzen sehr klare Zeitlinien und sagen, wir müssen innerhalb eines Jahres fertig werden, also sie bringen selbst ein Turbo rein. Das kann deswegen sein, weil sie selbst tatsächlich auch abschließen wollen. Es gibt im iranischen Nationaldiskurs mittlerweile doch einige vernünftige Stimmen, die auch aus den eigenen Interessen des Landes heraus argumentieren, warum man jetzt zu einem Ergebnis kommen muss. Die ökonomische Lage ist ziemlich katastrophal, die Sanktionen kommen da obendrauf, die Sicherheitslage ist schwierig und auch die Frage, ob eine Bombe dem Iran mehr Sicherheit bringt, was vor acht, vor zehn Jahren noch Konsens war, weil man nach Irak geschaut hat und das mit Nordkorea verglichen hat, das ist heute anders.
Heute wird von vielen Strategen auch aus den Tiefen des Systems heraus die Frage gestellt, ob es nicht tatsächlich eine Gefährdung des Landes wäre, wenn man eine Atombombe hätte. Das heißt nicht, dass man dem Land, das heißt nicht, dass man diesem Regime und der Regierung vertrauen sollte, aber man muss denen eine Chance geben. Wir haben in den letzten Jahren ja in einer Sackgasse gesteckt und sind nicht vorangekommen, jetzt gibt es zumindest Bewegung.
Engels: Dann schauen wir noch mal auf die vier Streitpunkte. Einen haben wir abgehandelt. Sie sagen, Urananreicherung kann man dem Iran nicht absprechen. Wie steht es denn mit den anderen Punkten, heißt Reduktion bereits angereicherter Materialien, der Arak-Schwerwasserreaktor und vor allen Dingen die Kontrolle? Wo gibt Teheran da Ihrer Einschätzung nach nach?
Nouripour: Es sind alle vier Punkte weiterhin auf dem Tisch. Auch die Reduktion auf 20 Prozent höchstens Anreicherung ist etwas, was man miteinander vereinbaren sollte. Das ist überhaupt nicht die Frage. Alle vier Punkte sind auf dem Tisch, bei allen vieren müssen die Iraner noch liefern. Aber man muss denen in Aussicht stellen, was sie denn dafür bekommen würden. Werden die Sanktionen aufgehoben, wenn sie sie alle erfüllen, oder nicht? Das Zentrale an allen vier Punkten ist natürlich die Frage der Transparenz und der Kontrolle, weil alle anderen drei Punkte ja nichts wert sind, wenn die Iraner sie zugeben und zugestehen und es gibt dann keine internationale Kontrolle darüber. Wir müssen eine Internationalisierung weiterhin auch der Anreicherung auf dem Tisch lassen und versuchen. Dass es auch dazu kommen kann, dass die Iraner sagen, die Anreicherung muss im Iran passieren, heißt nicht, dass man nicht internationalisieren kann. Auch im Bund mit anderen Ländern können das die Iraner zuhause machen. Die Kontrollfrage ist die zentrale, weil die die Überprüfbarkeit aller anderen Punkte natürlich mitbringt.
Omid Nouripour
Geboren 1975 in Teheran. Seit 1996 bei Bündnis 90/Die Grünen aktiv, seit 2006 Mitglied des Deutschen Bundestages (Landesliste Hessen). Nouripour ist seit 2009 sicherheitspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Obmann im Verteidigungsausschuss. Er ist zudem stellvertretenden Koordinator des Arbeitskreises Internationales und Menschenrechte der Grünen Fraktion im Bundestag.
Geboren 1975 in Teheran. Seit 1996 bei Bündnis 90/Die Grünen aktiv, seit 2006 Mitglied des Deutschen Bundestages (Landesliste Hessen). Nouripour ist seit 2009 sicherheitspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Obmann im Verteidigungsausschuss. Er ist zudem stellvertretenden Koordinator des Arbeitskreises Internationales und Menschenrechte der Grünen Fraktion im Bundestag.
Engels: Nun hat ja – Sie haben es angesprochen – die Regierung in Teheran eine Charmeoffensive in den letzten Monaten gestartet. Sie haben auch vom Wandel gesprochen gegenüber dem Stichwort Atomprogramm im eigenen Land. Andererseits hat die Regierung in Teheran genug Autorität, auch gegenüber dem Militär, um ein Nachgeben im Atomstreit politisch zu überleben?
Nouripour: Ich glaube schon. Die zentrale Frage im Iran in der Macht ist ja immer nur die nach dem Willen des Revolutionsführers Chamenei. Die Weite, mit der die iranische Delegation in Genf bisher gegangen ist, wäre kaum denkbar, ohne dass er das will. Chamenei hat in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, dass er erstens grundsätzlich nur interessiert ist am Erhalt des Systems und zweitens dabei sehr flexibel ist. Die auswärtigen Faktoren, die den Iran die letzten acht Jahre unter Ahmadinedschad und seiner Rhetorik extrem unter Druck gesetzt haben, können bei ihm tatsächlich dazu geführt haben, dass er umgedacht hat und sagt, na ja, bei dem Thema können wir doch überlegen, ob wir nicht zu einem Ergebnis kommen, es gibt andere. Syrien ist, glaube ich, für den Iran mittlerweile auch von der Sicherheitslage her deutlich relevanter und deshalb kann es durchaus sein, dass er das tatsächlich auch bereit ist durchzuziehen.
Die Frage ist aber, wenn man sich die Situation zum Beispiel im US-Kongress anschaut: Wenn wir den Iranern zugestehen, dass sie, wenn sie denn komplett liefern, auch tatsächlich dafür belohnt werden, kriegen wir das denn selbst auch hin? Auf diese Frage haben die Iraner in Genf immer süffisant wieder hingewiesen und das ist eine relevante. Also die Frage ist nicht nur, können die iranischen Unterhändler das, was sie dort auch bereit sind zuzugestehen, liefern, sondern die Frage stellt sich mittlerweile auf der Seite der internationalen Gemeinschaft genauso, und das macht das kompliziert.
Engels: Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen. Wird am Ende nicht Israel als enger Verbündeter der USA dafür sorgen, dass es kein Abkommen gibt?
Nouripour: Die Israelis haben natürlich ein sehr berechtigtes, über die Jahre gewachsenes Misstrauen, und das muss man auch sehr, sehr ernst nehmen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass alle Gespräche auch eng abgestimmt werden und dass die Israelis mit einbezogen werden auch bei den Ergebnissen. Aber auch Israel würde einen Zuwachs an Sicherheit haben, wenn es ein iranisches Atomprogramm gäbe unter internationaler Aufsicht, die auch tatsächlich funktioniert.
Engels: Wie soll sich Deutschland in diesem Streit, der ja auch im westlichen Lager zu beobachten ist, positionieren?
Nouripour: Es ist ja die ganze Zeit schon so. Die Iraner sind nicht besonders stark, sondern wir als internationale Gemeinschaft sind schwach, weil wir untereinander nicht einig sind. Und eine zentrale Rolle dabei, die zu spielen wäre für die Bundesrepublik, ist, alles daran zu setzen, dass dort mehr Einheitlichkeit besteht und dass die internationale Gemeinschaft – das gilt nicht nur für die Europäer und für die USA, sondern für die Chinesen und die Russen genauso – dort stärker an einem Strang ziehen. Das ist eine Aufgabe, die ist schwer genug.
Engels: Omid Nouripour, für die Grünen im Bundestag. Im vergangenen Bundestag war er Mitglied im Verteidigungsausschuss und er ist seit Jahren Iran-Experte und beobachtet die Verhandlungen. Vielen Dank für das Gespräch.
Nouripour: Ich danke Ihnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.