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Atomgespräche
Primor: Iran will weiter Atommacht werden

Seine Vorbehalte gegen das Atomabkommen mit dem Iran sind deutlich. Avi Primor, früherer israelischer Botschafter in Deutschland, glaubt, das Regime in Teheran wird sein Nuklearprogramm wieder aufnehmen, sobald die Sanktionen aufgehoben sind.

Avi Primor im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Jasper Barenberg: Ist das Abkommen mit dem Iran nun ein entscheidender diplomatischer Durchbruch, oder doch ein historischer Fehler? Die Meinungen gehen auseinander, schließlich hat das Regime in Teheran die internationale Gemeinschaft immer wieder an der Nase herumgeführt, wenn es um sein Atomprogramm ging, und das hat man sich vor allem in Israel gemerkt. Im zweiten Anlauf haben UN-Vetomächte, EU und der Iran aber nun eine Vereinbarung jedenfalls für die nächsten sechs Monate geschlossen. Das Abkommen: Teile seines Programms legt der Iran demnach auf Eis. Im Gegenzug sollen die Wirtschaftssanktionen ein Stück weit gelockert werden. Für US-Präsident Obama ein wichtiger erster Schritt, aus Sicht der Regierung in Israel aber ein historischer Fehler. – Ich habe heute Morgen Avi Primor, den ehemaligen Botschafter Israels in Deutschland, gefragt, ob er dagegen wie der amerikanische Präsident an eine Wende zum Guten glaubt.
    Avi Primor: Netanjahu hat ja immer gesagt, dass man das Atomprojekt nicht wirklich stoppen kann, ohne es militärisch anzugreifen. Er hat jahrelang die Idee der Sanktionen belächelt. Jetzt sagt er nein, man muss weiter mit den Sanktionen machen und noch mehr Sanktionen und nicht nachgeben. Natürlich ist er mit dem Ergebnis nicht zufrieden, weil der Iran seine Atommöglichkeiten aufrechterhalten kann, obwohl er nicht weiter Atombomben produzieren darf. Das ist eine echte Angst bei Netanjahu. Er hat echte Angst vor einer iranischen Atommacht. Aber gleichzeitig ist es auch ein Mittel für die Innenpolitik, um seine Leute hinter sich zu haben.
    Barenberg: Die Angst wird ja von vielen in Israel auch geteilt, die Angst vor einer atomaren Bedrohung durch den Iran.
    Angst wird geschürt - vom Iran und von Israel
    Primor: Die Angst wird von den Iranern selber geschürt, die uns die Vernichtung versprechen, und jeder verbindet das mit dem Atomprojekt. Die brauchen Atombomben, um uns zu vernichten, wie sie es uns versprechen. Das hat der geistliche Führer, der echte Herrscher von dem Iran, der Ayatollah Chamenei, noch vor vier Tagen gesagt. Aber die Angst wird auch von unserem Regime heftig geschürt, das muss man auch sagen, und ob der Iran wirklich Israel vernichten will oder überhaupt kann und dass er nicht israelische Vergeltungsmaßnahmen fürchten muss, das ist wiederum eine andere Frage, die die meisten Israelis sich gar nicht stellen.
    Barenberg: Die Sanktionen haben ja Wirkung gezeigt. Jedenfalls sagen Beobachter, dass das auch ein Grund dafür ist, dass der Iran sich nun erstmals auf ernsthafte Verhandlungen eingelassen hat. Nehmen Sie dem Regime in Teheran den guten Willen ab?
    Primor: Das Regime im Iran ist ein normales Regime. Wie die Franzosen sagen: Regierungen und Staaten sind kalte Monstren, die keine Emotionen und Gefühle haben; die haben nur Interessen. Iran hat sein Interesse, Iran hat ein politisches Interesse noch seit den Zeiten des Schahs, und das ist nicht nur, Atommacht anzustreben – damit, ich wiederhole, hat schon der Schah begonnen -, sondern auch seine unmittelbaren Nachbarn zu beherrschen, das heißt den Irak, Saudi-Arabien und die Golf-Staaten, weil wenn das ihnen gelingen sollte, dann würde der Iran über 57 Prozent aller Erdölreserven der Welt herrschen und damit eine Weltgroßmacht werden. Das ist eine kalte Politik. Israel wird dazu benutzt, um den Machtkampf innerhalb der islamischen Welt zu beeinflussen, dadurch, dass der Iran sich hartnäckig gegen den gemeinsamen Feind zeigt. Also ist das ein Propagandamittel.
    Barenberg: Ist denn aus Ihrer Sicht vorstellbar, dass der Iran sich dauerhaft und endgültig von der Idee, von dem Streben nach einer Bombe verabschiedet?
    Der Iran macht nur eine Pause vom Streben nach einer Bombe
    Primor: Nein. Ich glaube, dass der Iran jetzt damit aufhören wird, eine Pause machen wird, weil das Dringendste für den Iran – und wir sprechen von Interessen, nicht nur Interessen des Irans, sondern auch und vor allem den Interessen des Regimes – ist, die Sanktionen zu lockern, die eine sehr, sehr starke schlechte Wirkung auf die iranische Wirtschaft haben, das heißt auf die iranischen Menschen und dadurch das Regime unbeliebt macht. Also sie werden damit bezahlen, dass sie ein bisschen nachlassen. Aber auf die Möglichkeit, Atomwaffen zu produzieren, verzichten sie nicht. Sie werden nur momentan daran nicht weiter arbeiten und auch die Welt demnach kontrollieren lassen. Aber das ist ein vorübergehender Zustand. Was nach sechs Monaten passieren wird, wissen wir heute nicht. Wie das Regime sich entwickeln wird, wissen wir auch nicht.
    Barenberg: Es ist also eine Art Bewährungsprobe für den Iran, wenn ich Sie da richtig verstehe. Nun gibt es ja einige Details dieser Vereinbarung, die dafür sorgen sollen, dass der Iran tatsächlich Teile seines Atomprogramms auf Eis legt und dass das auch überprüft werden kann. Ist das insofern ein solides Abkommen, das es die Möglichkeit beinhaltet, diese Konzessionen tatsächlich auch zu überprüfen?
    Primor: Es ist genau, wie Sie es beschreiben, und das ist ein vorübergehender Zustand. Ich glaube, dass der Iran jetzt sein Programm auf Eis legen wird, tatsächlich, dass er internationale Kontrolle dulden wird, ja, glaube ich auch. Aber wie gesagt: All dies ist ein vorübergehender Zustand. Irgendwann wird der Iran auf sein Streben nach Atomwaffen nicht verzichten, und schon wegen des Willens der Bevölkerung. Die Bevölkerung, die meistens gegen das Regime steht, die das Regime nicht haben will, will dennoch die Atomwaffe haben, aus nationalem Stolz. Und wissen Sie, auch die ärmsten Länder, auch die Länder, die unter Hunger leiden, Geld für Waffen fehlt bei ihnen nie, nirgends, nirgends in der Dritten Welt, und insofern glaube ich, dass sobald die Sanktionen gelockert werden, oder sogar abgeschafft werden, wird der Iran wieder sein Programm aufnehmen.
    Barenberg: Lässt sich die Lautstärke der Kritik von Benjamin Netanjahu auch damit erklären, dass er jetzt schon auf das geplante langfristige Abkommen mit dem Iran zielt und da seine warnende Stimme erhebt, da nicht nachzulassen?
    Primor: Er hofft, dass er die Amerikaner zunächst, aber auch die Europäer dazu bewegen kann, dass sie auf die Sanktionen letzten Endes nicht endgültig verzichten werden, beziehungsweise, sollte der Iran sein Programm wieder aufnehmen, diese Sanktionen auch verstärken und vertiefen, weil er jetzt versteht, dass die Sanktionen tatsächlich einen großen Einfluss auf den Iran haben, vielleicht sogar auf die Zukunft des Regimes.
    Barenberg: Wird denn die Regierung in Jerusalem stillhalten bei diesem Prozess, den wir jetzt vor uns haben, bei diesen sechs Monaten, wo jetzt getestet werden kann, ob Teheran es ernst meint?
    Israel wird jetzt nicht stillhalten
    Primor: Nein. Israel wird eine ganz heftige, ruhige vielleicht, aber eine heftige Lobby-Kampagne führen, zunächst in Amerika, wo Israel viele Freunde im Senat und Kongress hat, die ihre These unterstützen, und auch aber in Europa.
    Barenberg: Die Einschätzung von Avi Primor, ehemals Botschafter seines Landes in Deutschland. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Primor.
    Primor: Danke Ihnen auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.