Der Iran hat dem EU-Vorschlag für ein informelles Treffen mit den USA zur Wiederbelebung des Atomabkommens eine Absage erteilt. Die USA müssten zuerst ihre Sanktionen gegen den Iran aufheben, erklärte das Außenministerium in Teheran.
Die neue US-Regierung um Präsident Joe Biden will das Abkommen wiederbeleben. Ziel des Vertrages ist es, den Iran am Bau von Atomwaffen zu hindern. Der neue US-Präsident verlangt für eine Rückkehr seines Landes zum internationalen Atomabkommen, aber dass Teheran sich zuerst wieder an die Vorgaben der Vereinbarung hält. Die iranische Führung verlangt dagegen, dass Washington zuerst seine Sanktionen gegen das Land aufhebt. Denn die unter Bidens Vorgänger Donald Trump wieder verhängten Strafmaßnahmen treffen das Land hart.
Momentan würden beide Seiten sich darauf versteifen, dem anderen vorzuwerfen, "was der falsch gemacht hat, und warum man jetzt gerade nicht will", sagte die Iran-Expertin und Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur von der Universität zu Köln im Dlf. "Es wäre jetzt wirklich Zeit für Diplomatie und Biden sollte das wahrmachen, was er angekündigt hat", sagte sie weiter. Schließlich habe Joe Biden erst vor wenigen Tagen auf der Münchner Sicherheitskonferenz die Rückkehr der USA zur Diplomatie ausgerufen. Dieses Versprechen müsste er nun auch einlösen.
Die EU hatte das Atomabkommen mit dem Iran vor mehr als fünf Jahren als historischen Erfolg gefeiert. Umso konsternierter reagierten die Europäer 2018 auf den Ausstieg der USA unter Donald Trump aus dem Abkommen. Der ehemalige US-Präsident hatte die Vereinbarung einseitig gekündigt und Sanktionen verhängt. Seitdem zieht sich auch der Iran mehr und mehr aus den Verpflichtungen zurück.
Schon jetzt gibt Teheran an, mehr Uran anzureichern als nach dem Abkommen erlaubt, und zuletzt wurden auch die Inspektionen der der Internationalen Atomenergiebehörde eingeschränkt. Die Lage ist zerfahren. Es herrscht große Ratlosigkeit zu der Frage, wie das Atomabkommen wiederbelebt werden könnte.
Schon jetzt gibt Teheran an, mehr Uran anzureichern als nach dem Abkommen erlaubt, und zuletzt wurden auch die Inspektionen der der Internationalen Atomenergiebehörde eingeschränkt. Die Lage ist zerfahren. Es herrscht große Ratlosigkeit zu der Frage, wie das Atomabkommen wiederbelebt werden könnte.
Sandra Schulz: Teheran will jetzt im Moment nicht sprechen. Warum nicht?
Katajun Amirpur: Teheran sagt, man habe sich ja nun mal nicht aus dem Atomabkommen zurückgezogen. Das seien die USA gewesen und deswegen sollten die USA jetzt auch den ersten Schritt tun. Man will jetzt nicht einfach nur reden, sondern man möchte konkrete Schritte haben. Es gab einen Hashtag des iranischen Außenministers kürzlich; der nannte sich #CommitActMeet. Die USA sollen sich jetzt zuerst einmal bekennen, wieder mal zu dem Abkommen. Dann sollen sie handeln, indem sie zum Beispiel die iranischen Auslandskonten freigeben.
In Südkorea liegen ungefähr neun Milliarden US-Dollar, die den Iranern gehören. Und sie sollen die Sanktionen aufheben, schrittweise, zum Beispiel das Ölembargo. Und dann wolle man sich treffen, um quasi dort weiterzumachen, wo man aufgehört hat.
Schulz: Welche Folgen haben aktuell die Sanktionen für den Iran?
Amirpur: Sehr, sehr schwerwiegende. Iran steht kurz vor dem Wirtschaftskollaps. Vielleicht ist die Wirtschaft sogar schon komplett kollabiert; so genau kann man das ja gar nicht sagen. Das wird natürlich alles noch befeuert durch Corona. Das Ganze hat extrem schwerwiegende Auswirkungen gehabt in den letzten Monaten und Jahren und deswegen möchte man natürlich auf jeden Fall etwas daran ändern. Aber man ist nicht zu jedem Preis dazu bereit.
Das Vertrauen ist sehr gesunken, sehr stark gesunken. Man war absolut geschockt dadurch, dass Trump sich zurückgezogen hat aus dem Abkommen. Und auch jetzt sieht man nicht unbedingt, dass Biden wirklich das hält, was er versprochen hat. Er hat ja noch vor wenigen Tagen auf der Münchner Sicherheitskonferenz gesagt, "Diplomacy is back", wir kommen zurück zur Diplomatie. Aber gleich darauf folgten dann Bomben und das ist nicht gerade das, was sehr viel Vertrauen erweckt in Iran.
"Die ganz normalen Menschen sind immens von den Sanktionen betroffen"
Schulz: Wer ist denn härter betroffen von den Sanktionen? Sind das tatsächlich die Regierenden oder die Menschen in dem Land?
Amirpur: Die Menschen in dem Land, auf jeden Fall. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Regierenden es nicht irgendwie schaffen, auf dem Schwarzmarkt und durch all die ganzen verschiedenen Kanäle, die es natürlich immer noch gibt, dann durchaus an alles heranzukommen, an was sie herankommen möchten.
Aber die Menschen auf der Straße, die ganz normalen Menschen sind immens betroffen, allein schon was Medikamente angeht, auch jetzt durch Corona. Es gab nicht genug Masken, es gab nicht genug Geräte. Iran hat einen Antrag bei der WHO gestellt, dass man Gelder bekommt, um wenigstens Masken und das ganze medizinische Gerät kaufen zu können. Auch das ist von den Amerikanern verweigert worden, weil es angeblich unter die Sanktionen fiel.
Die Menschen spüren das ganz heftig, ganz massiv, was die Sanktionen anbelangt. Und wie gesagt: Die Mächtigen, die Regierenden, die kommen immer an alles heran, was sie brauchen.
Schulz: Wenn es da jetzt so existenzielle Sorgen gibt im Iran und die Menschen, so wie Sie es beschreiben, auch tatsächlich in Not sind, warum kann die Regierung, die iranische Regierung dann überhaupt damit punkten, ein Atomprogramm voranschreiben zu wollen und weiter an der Bombe basteln zu wollen?
Amirpur: Na ja. Nach iranischer Lesart basteln sie ja gar nicht an der Bombe. Sie sagen, sie wollen das Atomprogramm haben, weil irgendwann auch Iran kein Öl mehr haben wird, und dann möchte man gerne, was Energie anbelangt, Selbstversorger sein. Das ist der Grund, warum man sich mit Atomtechnologie beschäftigt, nach der offiziellen Lesart. Und es ist auch eine Frage des nationalen Stolzes, dass man sagt, man kann es, wir sind so weit, wir können das, und das wollen wir nicht aufgeben.
Im Grunde haben natürlich die USA Iran ganz massiv gereizt, als sie ausgestiegen sind aus dem Atomabkommen, und Iran hat sich dann ja noch ein Jahr lang in der, wie Sie es genannt haben, strategischen Geduld geübt und hat sich noch weiterhin an das Atomabkommen gehalten – in der Hoffnung, dass dann entweder die EU einspringt, was die Sanktionen anbelangt, um das irgendwie auszugleichen durch Instex et cetera pp.
Und auch auf diplomatischem Wege zu versuchen, die USA wieder reinzuholen in das Atomabkommen. Erst als das alles nicht geschehen ist, hat man sich schrittweise zurückgezogen und hat, was in den Medien immer dargestellt wird als Verstöße gegen das Atomabkommen, was aber insofern ein bisschen in der Formulierung sinnfrei ist, weil das Atomabkommen gibt es in dem Sinne nicht mehr, seit die USA ausgetreten ist. Insofern hat man ja durchaus noch sehr viel Spielraum für Diplomatie gelassen. Als das dann alles nicht passiert ist, hat man den Druck versucht zu erhöhen.
"Beide Seiten haben Sorgen, das Gesicht zu verlieren"
Schulz: Das stimmt. Aber auch nach iranischen Angaben gehen die Uran-Anreicherungen ja über das hinaus, was nach dem Abkommen, wenn es jetzt noch in Kraft wäre, erlaubt wäre. Diesen Schritt zurückzumachen, ein Angebot an die USA unter jetzt einem neuen Präsidenten Joe Biden, warum ist das so abwegig?
Amirpur: Abwegig ist es, wenn man sagt, die USA müssen jetzt den ersten Schritt tun, und eigentlich ist das ja auch das, was die USA angekündigt hat, was Biden selbst angekündigt hat. Seine stellvertretende Außenministerin, Wendy Sherman, hat noch 2019 gesagt, sie wäre regelrecht schockiert, wenn die Iraner jetzt an den Verhandlungstisch kommen würden, ohne etwas geboten zu bekommen. Sie war damals diejenige, die für Obama das Atomabkommen ausgehandelt hat, und sie hat damals auch gesagt, 2019, und das stimmt heute noch wie damals, man könnte ja durchaus zu Lösungen kommen, wo beide Seiten nicht das Gesicht verlieren, und das ist natürlich das, was tatsächlich auf dem Spiel steht, dass beide Sorgen haben, das Gesicht zu verlieren. Das könnte man ja durchaus noch retten durch ein Entgegenkommen sowohl von iranischer wie auch amerikanischer Seite.
Aber dazu müsste man sich vielleicht auf das einlassen, was die EU ja vorschlägt, nämlich Diplomatie, anstatt dann das, was jetzt auf beiden Seiten passiert, dieses, wie es in den amerikanischen Medien immer so nett hieß, Blame Game, dass beide Seiten sich im Moment darauf versteifen, dem anderen vorzuwerfen, was der falsch gemacht hat, und warum man jetzt gerade nicht will. Es wäre jetzt wirklich Zeit für Diplomatie und Biden sollte das wahrmachen, was er angekündigt hat.
Schulz: Wobei der letzte Nadelstich, der ging jetzt ja auch von Teheran wieder aus. Diese Einschränkungen der IAEA-Inspektionen, was jetzt auch im IAEA-Rat die europäischen Vertragspartner des Abkommens sich vorgenommen haben, verurteilen zu lassen. Was denken Sie, welchen Effekt wird das haben?
Amirpur: IAEA-Chef Grossi war ja in Teheran und er hat jetzt durchaus etwas ausgehandelt, womit beide Seiten anscheinend leben können, dass jetzt erst mal gefilmt wird, dass die Aufnahmen aber noch nicht an die Öffentlichkeit geraten und dass Iran dann, wenn man tatsächlich zurückkommt zum Abkommen, diese Aufnahmen freigibt.
Es scheint sich ja durchaus dort eine Lösung anzubahnen. Auch da ist der Weg für Diplomatie und für Gespräche ja noch nicht verschlossen und da macht die IAEA einen ganz guten Job, indem sie versucht, den Gesprächsfaden mit Teheran weiterhin aufrechtzuerhalten, und auch Teheran ist dem offensichtlich ja nicht abgeneigt.
"Und dann ist das Atomabkommen komplett den Bach runtergegangen"
Schulz: Ich wollte noch mal auf die neuen Gespräche mit Washington eingehen. Sie sagen, da erwartet man jetzt aus Washington den ersten Schritt, was ja das Charakteristikum einer Pattsituation ist, was man auch aus anderen Konflikten kennt, dass man erwartet, dass die andere Seite den nächsten Schritt macht.
Auch das noch mal gefragt, um das genauer zu verstehen: Warum ist es Teheran wichtiger, diese Uran-Anreicherung voranzutreiben, die Inspektionen einzuschränken, als der Bevölkerung, den Menschen, die Not leiden im Iran, sagen zu können, wisst ihr was, wir verbessern auch eure Situation, wenn in einem nächsten Schritt, nachdem wir den ersten gemacht haben, die Sanktionen gelockert werden?
Amirpur: Die Regierung Rohani ist A nicht mehr besonders lange im Amt. Im März fängt im Iran das neue Jahr an; danach wird gewählt. Und bis dann die neue Regierung, die garantiert nicht Rohani ist, weil der sich gar nicht mehr aufstellen lassen kann, im Amt ist, wird es dann Herbst. Die iranische Regierung steht durchaus unter Zeitdruck und diese Regierung hat den Amerikanern sehr viel Zugeständnisse gemacht, entgegen all den Unkenrufen der Falken im Iran.
Jetzt sitzen die Falken in Iran da und sagen, wir haben ja recht gehabt mit dem, was wir gesagt haben, schon von Anfang an, schon als das Atomabkommen 2015 geschlossen worden ist, indem Khamenei ihm nämlich immer gesagt hat, man kann den Amerikanern nicht trauen. Deswegen hat die Regierung Rohani nicht mehr besonders viel Spielraum. Sie hat nichts gewonnen durch dieses Atomabkommen. Man hat schon nicht viel gewonnen, als es dann tatsächlich Bestand hatte, weil die Sanktionen selbst zu den besten Zeiten des Abkommens nicht so aufgehoben worden sind, dass die Bevölkerung wirklich was davon gespürt hat im positiven Sinne. Und dann ist das Ganze komplett den Bach runtergegangen.
Die Regierung hat nicht besonders viel Spielraum. Sie kann nicht so einfach sagen, okay, wir geben jetzt nach, wir setzen uns jetzt einfach mal an den Verhandlungstisch und hoffen, dass die Amerikaner diesmal nicht so handeln, wie sie in der Vergangenheit gehandelt haben. Sie ist stark unter Beschuss und sie hat sowieso nicht mehr besonders viel Zeit, weil sie demnächst nicht mehr die amtierende Regierung Irans sein wird.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.