Ein Überraschungscoup gelang Emmanuelle Cosse gestern in einer Radio-Politshow: die Ministerin für Wohnungsbau, ehemals Vorsitzende der grünen Partei "Europe Ecologie Les Verts", teilte mit, das Atomkraftwerk Fessenheim werde bald geschlossen.
"Der Staatspräsident hat mir gegenüber mehrfach wiederholt, dass es beim ursprünglichen Zeitplan, also Ende 2016 bleibt."
So hatte es François Hollande bei seinem Amtsantritt 2012 versprochen. Vor einem halben Jahr jedoch hat der Staatspräsident selbst das Datum nach hinten verschoben. Dennoch lässt sich die grüne Ministerin nicht beirren.
"Umweltministerin Ségolène Royal hat den Generaldirektor des Atomparkbetreibers EDF aufgefordert, im Juni den Antrag auf Schließung der Anlage vorzulegen. Das weitere Vorgehen, Fessenheim dichtzumachen, ist ziemlich simpel."
Laufzeit verlängern - oder nicht?
Bislang hat Umweltministerin Ségolène Royal die Aussage von Emanuelle Cosse nicht kommentiert. Das Thema dürfte innerhalb der Regierung für Zündstoff sorgen. Mitte letzter Woche erst hatte Ségolène Royal ausdrücklich eine Laufzeit-Verlängerung des Atomparks gebilligt. Darauf arbeitet der Betreiber EDF seit geraumer Zeit zu.
"Ja, ich bin bereit, grünes Licht für eine zehnjährige Laufzeitverlängerung zu geben. Vorausgesetzt natürlich, dass die Atomaufsichtsbehörde dies genehmigt hat. Schließlich haben die Franzosen lange Jahre viel in die Atomreaktoren investiert. Die Kernkraftwerke sind abbezahlt und produzieren billig Strom. Allerdings haben wir im Energiewende-Gesetz verankert, den Anteil des Atomstroms von derzeit 75 Prozent auf 50 zu senken und den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu fördern."
Zwei Tage nach Royals Äußerungen sorgte das Atomthema erneut für Schlagzeilen in Frankreich. Denn laut deutschen Medienberichten sei ein Störfall im Kernkraftwerk Fessenheim vor knapp zwei Jahren schlimmer gewesen als damals offiziell erklärt. Unmittelbar bat Berlin Paris einmal mehr, die Anlage schnellstmöglich dichtzumachen.
Joker im Poker um den "EPR"
Der Atompark-Betreiber EDF hüllt sich in Schweigen. Die Betriebsgenehmigung für Fessenheim läuft bis 2022. In den kommenden Monaten will EDF dort für die Sicherheitsausstattung auf Post-Fukushima-Niveau 67 Millionen Euro investieren. Im Falle einer früheren, politisch motivierten, Abschaltung verlangt der Stromproduzent Milliarden Euro an Entschädigung. Für sich.
Und für die ausländischen Partner: ein Drittel der Anlage gehört Stromfabrikanten aus Deutschland und der Schweiz. Das elsässische Kernkraftwerk dient EDF als Joker – beim Poker um den EPR, den 'Europäischen Druckwasserreaktor'.
Der Bau im nordfranzösischen Flamanville hinkt wegen vieler Pannen dem Zeitplan um Jahre hinterher. Mitte 2017 erlischt die Baugenehmigung. Bauherr EDF erklärte sich kürzlich bereit, Fessenheim dicht zu machen – wenn die Baugenehmigung für den EPR um drei Jahre verlängert wird.
Wachrütteln, nicht verängstigen
Doch Druck kommt nun nicht mehr nur aus Berlin. Vor einigen Tagen haben Schweizer, Stadt und Kanton Genf, Klage gegen das benachbarte Kernkraftwerk Bugey erhoben: es gefährde Mensch und Umwelt, Lecks in einem Meiler verschmutzten seit Jahren das Wasser.
Als Anwältin konnten die Schweizer Corinne Lepage gewinnen, renommierte Umweltrecht-Expertin, ehemals Umweltministerin in Paris und langjährige Kritikerin der einheimischen Kernkraftpolitik. Mit dem Prozess zum AKW Bugey will Corinne Lepage Frankreich nicht verängstigen, sondern wachrütteln.
"Unsere Atomaufsichtsbehörde braucht Unterstützung, denn sie bemüht sich wirklich, gute Arbeit zu leisten. Aber sie ist unglaublichem Druck ausgesetzt. Dabei stellt sie heute den Festungswall für die atomare Sicherheit in Frankreich dar."