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Atommüll-Debatte
Endlagersuche mit Halbwertszeit

Nachdem das Atommüll-Zwischenlager im niedersächsischen Gorleben nun doch nicht zwingend Endlager werden soll, hat eine Kommission zur Endlagersuche heute ihre Arbeit aufgenommen. Schon vor der Sitzung gab es Streit und Boykotte. Der Zeitplan scheint kaum zu halten.

Von Christel Blanke |
    Ein Aktivist trommelt vor dem Bundesministerium für Umwelt, Bau und Reaktorsicherheit in Berlin auf einem Faß mit einem Warnzeichen für Radioaktivität.
    Der Bundestag hat eine Kommission eingesetzt, die die Kriterien für die neue Endlager-Suche festlegen soll. (dpa picture alliance / Florian Schuh)
    Am Ende soll ein Konsens stehen, wenn es irgendwie geht. Doch die Debatten der vergangenen Tage und Wochen lassen durchaus Zweifel zu. Streit gab es um die Frage, wer den Vorsitz der Endlagerkommission übernehmen soll, die heute ihre Arbeit aufnimmt. Gegen die von den Bundestagsfraktionen vorgeschlagene CDU-Politikerin Ursula Heinen-Esser gab es heftigen Widerstand aus Niedersachsen und aus der Anti-Atombewegung. Der früheren Staatssekretärin im Bundesumweltministerium wurde eine Vorliebe für Gorleben als Endlager unterstellt. Nun wird es einen Co-Vorsitzenden geben: den früheren SPD-Umweltstaatssekretär Michael Müller. Er versprach umgehend, Gorleben als vertrauensbildende Maßnahme auszunehmen.
    Doch das dürfte schwierig werden, denn Grundlage der Verhandlungen, so Franz Untersteller, Grünen-Umweltminister in Baden-Württemberg und Mitglied der Kommission, ist eine weiße Landkarte:
    "Da gibt es erstmal keine roten Kreuze durch, wo man sagt: da aber auf keinen Fall."
    Und das betrifft alle Regionen und alle möglichen Standorte. Auch Gorleben. Ohne Gorleben im Topf hätten Union und FDP, die damals noch im Bundestag war, nicht mitgemacht. Und auch SPD und Grüne sprachen sich letztendlich dafür aus. Die Grünen-Atomexpertin Sylvia Kotting-Uhl mahnte:
    "Wir können nicht mit dem gleichen Fehler wieder starten, der die Geschichte von Gorleben bestimmt. Und das ist der Fehler: Wir entscheiden politisch und nicht wissenschaftlich begründet."
    Auch die sozialdemokratische Bundesumweltministerin Barbara Hendricks ist gegen einen Ausschluss Gorlebens aus politischen Gründen:
    "Politische Vorfestlegungen würden ja bedeuten, dass jeder denkbare andere Standort auch nicht mehr tatsächlich mit wissenschaftlichen Kriterien dann begründbar durchsetzbar wäre, irgendwann in mehr als 20 Jahren."
    Der Bürger soll nicht allzuviel mitreden
    Weil Gorleben Teil der Suche sein soll, boykottieren viele Umweltverbände und Bürgerinitiativen die Kommission. Erst nach langen Diskussionen erklärten sich der BUND und die Deutsche Umweltstiftung zur Mitarbeit bereit. Für den BUND war unter anderem ausschlaggebend, dass die Kommission zunächst das Gesetz noch einmal überprüfen soll, so der Vorsitzende Hubert Weiger:
    "Denn in diesem Gesetz sind entscheidende Einschränkungen der Bürgerrechte vorgesehen, die wir so nicht akzeptieren können, Stichwort: Klagemöglichkeit gegen einen nach diesem Gesetz gefundenen Standort."
    34 Mitglieder hat die Kommission. Neben den beiden Vorsitzenden je acht Politiker aus Bund und Ländern, die aber kein Stimmrecht haben. Außerdem je zwei Vertreter aus Wirtschaft, Gewerkschaften, Kirche und Umweltverbänden und acht Wissenschaftler. Einer von ihnen ist der Physiker Bruno Thomauske, der sich immer für Gorleben als Endlager ausgesprochen hatte. Trotzdem begrüßt er die neue Suche, ist aber skeptisch, dass das Verfahren in absehbarer Zeit abgeschlossen werden wird:
    "Die Zielstellung, die in dem Standortauswahlgesetz drin steht und auch so verkündet wurde, das gewissermaßen die Generation jetzt auch die Endlagerfrage lösen muss, das können wir schon längst abschreiben. Das wird nicht mehr der Fall sein. Es werden die Enkel sein, die diese Frage am Ende lösen müssen."
    Die Kommission soll die Kriterien für die Standortsuche erarbeiten und bis Ende 2015 einen Bericht verabschieden. Schafft sie das nicht, darf sie die Frist einmalig um sechs Monate verlängern.